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07:32 Uhr - 28.07.2020

Autoneum macht Fortschritte

Trotz erwartungsgemäss schlechter Halbjahreszahlen hat der Automobilzulieferer auch Lichtblicke geschaffen.

Die Unsicherheit ist zu gross: Autoneum (AUTN 100 -0.89%) sieht sich weiterhin ausser Stande, eine verlässliche Aussage zum diesjährigen Ergebnis zu machen. Klar ist, das zweite Semester darf und wird nicht so verheerend werden wie das erste. Allein schon operative Verbesserungen, etwa aus dem planmässig verlaufenden Turnaround des Nordamerikageschäfts, und laufende Kostensenkungen sprechen für Fortschritte in der Profitabilität.

Dazu kommt die Aussicht auf eine wieder höhere Automobilproduktion. Nachdem diese im ersten Halbjahr ein Drittel abgesackt ist, zeigen die Prognosen für das Gesamtjahr noch ein Minus von einem Fünftel an; mit einer ähnlichen Entwicklung rechnet Autoneum für den eigenen währungsbereinigten Umsatz. Danach soll die Produktion zwar wieder steigen, der letztjährige Ausstoss werde aber erst 2023 oder 2024 erreicht, schätzt der Marktdatendienstleister IHS Markit.

Prägender Umsatzeinbruch

Weil sich Autoneum vom Markt nicht abkoppeln kann und dessen Entwicklung unsicher ist, hat das Management die Mittelfristprognose relativiert. Das für 2022 angestrebte «gesunde Profitabilitätsniveau» – 5 bis 6% Ebit-Marge – ist in der jüngsten Präsentation einer «Erholung der Profitabilität» gewichen, die wesentlich von der Marktentwicklung abhänge. Die Halbjahreszahlen haben im Grossen und Ganzen nicht überrascht. Sie sehen wegen des pandemiebedingten Umsatzrückgangs grauenhaft aus (vgl. Tabelle und Grafik 1). Doch sie enthalten auch Ermutigendes. Der Verlust ist weniger hoch, als von Autoneum Anfang Juni befürchtet. Dazu kommt eine Steigerung des freien Cashflows als Folge einer strikten Bewirtschaftung des Umlaufvermögens und stark verringerter Investitionen, was sich Autoneum nach den hohen Ausgaben der vergangenen Jahre leisten kann.

Verbessert präsentiert sich auch die Liquiditätsausstattung: Die flüssigen Mittel haben sich seit Ende Jahr durch eine vorsorgliche Beanspruchung von Kreditlinien von 99 auf 239 Mio. Fr. erhöht. Zusammen mit der Ende Juni ausgehandelten Anpassung von Kreditvereinbarungen (Financial Covenants) und der Verlängerung der von den Grossaktionären Michael Pieper und Peter Spuhler gewährten nachrangigen Darlehen über je 20 Mio. Fr. schafft das Sicherheit. Gemäss CEO Matthias Holzammer ist Autoneum deshalb nicht nur strategisch, sondern auch finanziell gut aufgestellt, um die Krise zu meistern.

Besserung in Nordamerika

Von den vier Business Groups haben die zwei kleineren, Asia und Samea, für die Berichtsperiode gar einen Betriebsgewinn (Ebit) ausgewiesen. Europe hat das nicht geschafft: Die Sparmassnahmen konnten die fehlende Kapazitätsauslastung nicht aufwiegen. Der Ebit ist 30 Mio. Fr. gesunken. In der Einheit North Amercia hat er trotz eines ähnlichen Umsatzeinbruchs dagegen nur 10 Mio. Fr. nachgegeben. Laut Finanzchef Bernhard Wiehl reflektiert der Unterschied Erfolge des laufenden Turnaroundprogramms. Dennoch ist der weitaus grösste Teil des Betriebsverlusts von Autoneum auf Nordamerika zurückzuführen. Die Rechnung ebenfalls belastet hat das 14 Mio. Fr. schlechtere Finanzergebnis – nach Wiehl die Folge negativer Fremdwährungseinflüsse. Diese haben auch den Umsatzrückgang verstärkt, um 4,1 Prozentpunkte, und über Umrechnungseffekte zudem Spuren in der Bilanz hinterlassen. Die Qualität der Bilanz hat merklich erodiert. Die Nettoverschuldung ist weiter gestiegen, wenn auch nur noch leicht, und die Eigenkapitalausstattung hat sich auf 21% der Bilanzsumme verringert (vgl. Grafik 2). Rechnet man die nachrangigen Darlehen zum Eigenkapital, ergibt sich eine Quote von 23%. Auch das ist zu wenig. Besserung stellt sich nur über mehr Ertrag, mehr freien Cashflow und weniger Schulden ein.

Ob das schwierige Umfeld der nächsten Jahre dies im erforderlichen Mass erlaubt, ist eine andere Frage. Die von vielen Unbekannten geprägte FuW-Schätzung wird nach den jüngsten Informationen angepasst. Für dieses Jahr wird neu zwar mit etwas weniger Verlust gerechnet, aber immer noch mit 12.50 Fr. je Aktie. Für nächstes und übernächstes Jahr ergibt sich mit 2 und 9 Fr. Gewinn je Titel ein jeweils leicht niedrigerer Schätzwert als bisher. Die Aktien selbst haben auf den Halbjahresbericht kaum reagiert. Dennoch sollte ihr Potenzial allen Unwägbarkeiten zum Trotz noch nicht ausgeschöpft sein. Die Kaufempfehlung wird deshalb aufrechterhalten, angesichts des heutigen Kursniveaus aber nicht mehr mit derselben Überzeugung wie zuvor.

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