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16:29 Uhr - 13.11.2017

«Die Finanzberatung wird anspruchsvoller»

Prof. Suzanne Ziegler, Leiterin Banking, Finance, Insurance an der ZHAW, stellt stark wachsendes Interesse an Fragen der Digitalisierung und der Nachhaltigkeit fest.

Die Digitalisierung schlägt im Finanzsektor hohe Wellen. Wo geht die Reise hin? Welche Anforderungen stellt die fortschreitende Computerisierung an die Mitarbeitenden? Für Prof. Suzanne Ziegler, Leiterin der Abteilung Banking, Finance, Insurance an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaft (ZHAW), ist die Antwort klar: «Fachkompetenz allein reicht nicht, in der digitalisierten Welt braucht es interdisziplinäres Denken.»

Frau Ziegler, welche Veränderungen stellen Sie bei der Nachfrage nach Aus- und Weiterbildung im Finanzsektor fest?
Die Nachfrage steigt. Am Beispiel des Bachelorstudiums, unseres Regelabschlusses, stellen wir fest, dass das Interesse an berufsbegleitenden Programmen zulasten von Vollzeitstudien wächst. Das zeigt, dass die Finanzbranche zugunsten der Aus- und Weiterbildung Teilzeitarbeit ermöglicht und weiterhin teils auch finanziell hilft. Dementsprechend haben wir das Angebot erweitert, um mehr berufsbegleitende Formen, einen Studiengang in Englisch und um das Studienprogramm Flex: Dabei ist der Präsenzunterricht stark reduziert, dafür gibt es mehrwöchige Online-Phasen, was den Studierenden mehr Flexibilität einräumt.

Welche Inhalte sind besonders gefragt?
Ausser Themen des nachhaltigen Investierens interessiert vorab die Digitalisierung: Programmieren, Datenwirtschaft und überhaupt alles, was mit der digitalen Transformation zu tun hat. Wir bilden in neuen Programmiersprachen aus, im Master zum Beispiel in Phython, einer Sprache für rasche Softwareentwicklung und Web-Anwendungen, wie sie zum Beispiel Google (GOOGL 1044.6098 0.04%) verwendet. Bei Abschlussarbeiten schreiben sich viele Studenten für Themen der Nachhaltigkeit und der Digitalisierung ein. Auch Tages- oder Mehrtageskurse zur Vorsorge stossen auf reges Interesse.

Wo geht die Nachfrage zurück?
Arbeiten zur Regulierung beispielsweise sind eher wenig gefragt.

Im Leitbild der ZHAW und anderer Schulen steht, man versuche, frühzeitig neue Themen zu erkennen. Wie funktioniert das?
Der beste Zugang zu neuen Themen ist die Forschung. In Zusammenarbeit mit Wirtschaftspartnern liefert die anwendungsorientierte Forschung wertvolle Hinweise, was sich in einer Branche verändert, welche neuen Bedürfnisse entstehen und welches die Herausforderungen sind. Entsprechend geht der Lehrinhalt darauf ein. In unserem Fall läuft das oft über den Zürcher Bankenverband. Da kommen wir mit den relevanten Personen an der Front in Kontakt.

Wie stufen Sie Themen wie Fintech, Robo Advisors und Blockchain ein: ein Hype oder ein neues Zeitalter im Banking, das uns alle betrifft?
Fintech ist ganz sicher mehr als ein Hype. Unser Augenmerk gilt dabei den Schnittstellen, denn die neue Technologie und Digitalisierung allgemein sind disziplinenüberschreitende Themen. Ein breit aufgestelltes Institut wie die ZHAW ist dabei im Vorteil. Für fast alles gibt es eine Anlaufstelle und Know-how. Am Fintech-Master, den wir in der Weiterbildung neu anbieten, sind beispielsweise drei Departemente beteiligt: unser Sektor Banking, Finance, Insurance, dann die School of Engineering mit der Datenwissenschaft und als Drittes die Psychologie. Mit beiden Departementen arbeiten wir auch in der Forschung zusammen, mit den Psychologen etwa, wenn es um Risikodarstellung geht.

«Risiko» lässt Investoren aufhorchen. Zu welcher Erkenntnis sind Sie gekommen?
Dass die Psychologen bessere Methoden zur Visualisierung des Risikos haben als die Ökonomen. Grafisch und mit Farben lässt sich gut darstellen, dass ein Investment ausser einem Gewinnpotenzial stets auch ein Verlustrisiko hat und dass finanzielle Ziele nicht immer erreichbar sind.

Was lehrt das Zusammenspiel sonst noch?
Das interdisziplinäre Zusammenarbeiten ist gar nicht so einfach. Alle sprechen von Digitalisierung, aber die Begriffe und die Herangehensweise sind je nach Arbeitssektor unterschiedlich. Deshalb ist das Üben über die Fakultätsgrenzen hinaus von grossem Nutzen, auch für die Praxis, wo sich die gleichen Probleme stellen.

Wie sieht die Fachhochschule die Entwicklung von Mensch vs. Roboter im Banking?
Der Roboter wird den Menschen nicht verdrängen. Es geht um die Frage, wie die Leistung von Mensch und Maschine intelligent kombiniert werden kann. Da sind wir wieder bei den Schnittstellen.

Welche Kompetenzen braucht der Banker von morgen? Ist er mehr Programmierer oder Entrepreneur statt Berater?
Fintech verleiht dem Unternehmergeist sicher Auftrieb. Aber es ist nicht so, dass Beratung wegfällt, es braucht sie einfach auf einem höheren Niveau. Denn auch die Kunden sind heute besser informiert. Für den Banker sind Fach- und Methodenkompetenz weiterhin wichtig. Zusätzlich braucht es Kreativität, Flexibilität und eine gute Kommunikation – nach aussen und  innen, weil die Arbeitsteilung und damit die abteilungsüberschreitende Zusammenarbeit immer bedeutungsvoller werden.

Wo machen Sie beim Blick in die Praxis die grössten Hindernisse auf dem Weg zum Banking von morgen aus?
Die Finanzbranche kann von den Mitarbeitenden nicht nur neue Kompetenzen verlangen. Sie muss auch das Umfeld dafür schaffen, dass die Arbeit spannend und die Anstellungsbedingungen attraktiv sind. Angesichts des immer noch etwas angeschlagenen Rufs der Banken und der relativ strengen Strukturen fragen sich viele Junge mit Fintech-Wissen, ob sie nicht lieber zu einem Start-up oder zu Google gehen sollen. Die vertikale Hierarchie, wie sie noch in vielen Banken vorherrscht, ist für viele ein Hindernis.

Wie sehen die Jungen die Arbeitswelt?
Sie beginnen irgendwo, hören auf, wechseln den Job, den Arbeitgeber, machen da ihre Erfahrungen und dort. Die junge Generation bewegt sich mehr quer als vertikal, unterbricht vielleicht die Karriere, um sich einem spannenden Projekt zuzuwenden. Flexibilität wird grossgeschrieben, Work at Home, Teilzeit, variable Strukturen. Motivation und Leistung müssen darunter nicht leiden, im Gegenteil.

Sie haben es angesprochen – auch nachhaltiges Investieren interessiert stark. Was bietet der Bildungssektor auf diesem Gebiet?
Wir bearbeiten das Nachhaltigkeitsthema vor allem wissenschaftlich, in Praxis- und Forschungsprojekten. Eine Arbeit untersuchte beispielsweise, ob Anlagefonds, die sich dem nachhaltigen, sprich langfristigen Investieren verschrieben haben, auch wirklich langfristig anlegen und ob sich die Renditen unterscheiden. Die Antwort war: Systematische Unterschiede sind kaum auszumachen.

Welchen Stellenwert hat im Rahmen der wachsenden Internationalisierung die lokale Ausbildung noch?
Eine gewisse Internationalität und interkulturelles Zusammenarbeiten sind zweifellos wichtig. Wir empfehlen, zunächst ein Bachelor- oder ein Masterstudium als Grundausbildung zu absolvieren, wobei bereits da ein Aufenthalt an einer ausländischen Schule, mit der wir kooperieren, möglich ist. Im Master können Absolventen einen Double Degree erwerben, einen  zusätzlichen Abschluss einer Schule im Ausland, in unserem Fall mit einer Business School in Paris/Lille.

Stehen Hochschulen in Konkurrenz zu Fachdiplomen, beispielsweise dem CFA?
Nein, viele machen den CFA, nachdem sie bei uns die Grundausbildung absolviert haben. Zurzeit prüfen wir, ob wir die  CFA-Akkreditierung in unser Masterprogramm integrieren können. Die Anfrage dazu kam von der CFA Society. Das würde bedeuten, dass ausgewählte Masterabsolventen mit Zusatzaufwand, aber ohne Gebühr – die wäre gesponsert – auch gleich den CFA anstreben könnten.

Was braucht es generell für eine erfolgreiche Aus- oder Weiterbildung?
Die klassischen Voraussetzungen sind Disziplin und Durchhaltevermögen. Neu gehört Konzentrationsfähigkeit dazu. Für viele der agilen und Multichannel-gewohnten jungen Leute ist sich konzentrieren können nicht immer selbstverständlich. Allerdings – sollte im Unterricht mal ein Handy klingeln, ist es bestimmt meines. In dieser Hinsicht sind die Studenten sehr diszipliniert.

Worauf müssen Bildungsinteressierte bei der Auswahl eines Lehrgangs achten?
Immer wichtiger wird die Frage, an welcher Schule man einen bestimmten Abschluss machen will, nicht, welchen Titel. Hat die Schule eine bestimmte Grösse, wie bekannt ist sie, welche Akkreditierungen besitzt sie? Das spielt für den Berufsweg eine grosse Rolle. Die ZHAW ist ausser den Universitäten Zürich und St. Gallen sowie dem IMD in Lausanne aktuell die einzige Schule in der Schweiz mit der globalen Akkreditierung der Association to Advance Collegiate Schools of Business, AACSB. Das hat uns einen gewaltigen Schub verliehen, auch aus dem Ausland. Inzwischen bewerben sich auch verschiedene andere Fachhochschulen der Schweiz um das Rating.

Welches Ziel verfolgen Sie mit Ihrer Lehrtätigkeit und Ihrem Departement?
Die Verantwortung wahrnehmen, die wir als Ausbildungsstätte haben: Leute auf die neuen Herausforderungen vorbereiten. Wir wollen Brücken bauen, die es ermöglichen, den beruflichen und persönlichen Weg fortzusetzen oder ihn wieder aufzunehmen. Dazu gehört, an den neuen Themen dran zu sein. Wenn wir Dinge unterrichten, die vor zwanzig Jahren wichtig waren, haben wir das Ziel verfehlt.

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