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18:18 Uhr - 01.10.2015

SNB: «Negativzinsen sind nicht der Normalzustand»

Der Vizepräsident der Schweizerischen Nationalbank, Fritz Zurbrügg, betont die Risiken, die Minuszinsen für die Schweiz bergen.

Seit die Schweizerische Nationalbank (SNB (SNBN 1118 -0.09%)) Mitte Januar die Kursuntergrenze gegenüber dem Euro von 1.20 Fr. aufgegeben und den Leitzins auf rekordtiefe –0,75% herabgesetzt hat, muss sie sich in der Öffentlichkeit für ihr entschiedenes Handeln rechtfertigen. Fritz Zurbrügg, Vizepräsident des SNB-Direktoriums, nutzte denn auch die Gelegenheit eines öffentlichen Vortrags an der Prognosetagung der ETH-Konjunkturforschungsstelle Kof am Donnerstagabend, um die Politik der SNB zu begründen. Statt einer blossen Rechtfertigung der ungewöhnlichen Entscheide sprach er in seinem Referat auch offene Fragen und Risiken des geldpolitischen Extremkurses an, den die Nationalbank seit nunmehr acht Monaten fährt.

«Es ist für mich auch klar, dass Negativzinsen keinen Normalzustand darstellen», sagte er gemäss Redetext. Die Zinsdifferenz gegenüber dem Ausland und die Nominalzinsen würden sich wieder normalisieren. Damit es dazu komme, müssten sich aber die wirtschaftlichen Bedingungen im Ausland so weit verbessern, dass das Zinsniveau in der Schweiz steigen könne, ohne den Franken weiter zu stärken. Das sei momentan nicht der Fall.

Zurbrügg unterstrich die Überzeugung des Direktoriums, dass sich die SNB am Ende durchsetzt und den Franken schwächen wird. «Wir sind überzeugt, dass die negativen Zinsen und die Bereitschaft der Nationalbank, bei Bedarf am Devisenmarkt aktiv zu sein, Anlagen in Franken weniger attraktiv machen.» Beides diene dazu, den Druck auf den Franken abzuschwächen.

Nährboden für Ungleichgewichte

Aus diesem Grund seien Negativzinsen unabdingbar. Aber Zurbrügg liess die Zuhörer ebenfalls die Kehrseite der Minussätze wissen: «Wir wissen, dass tiefe Zinsen – und speziell eine lange andauernde Tiefzinsphase – Risiken für die Finanzstabilität bergen.» Sie bildeten «einen Nährboden für den Aufbau von Ungleichgewichten auf Kreditmärkten und bei den Vermögenspreisen».

In der Schweiz sei es zwar zu begrüssen, dass die Hypothekarzinsen leicht gestiegen seien. Aber «in einer längerfristigen Betrachtung liegen die Hypothekarzinsen weiterhin auf einem sehr tiefen Niveau». Ebenfalls verharren die Ungleichgewichte am Immobilien- und Hypothekarmarkt nach Einschätzung des SNB-Vize auf hohem Niveau.

Drei Risiken für die Finanzstabilität

Zurbrügg spricht drei Risiken für die Finanzstabilität an, die die SNB mit ihrer Tiefzinspolitik fördert. Die sehr tiefen Zinsen könnten erstens Anleger dazu bewegen, vermehrt Immobilieninvestitionen einzugehen und damit die Preise im Segment der Wohnrenditeliegenschaften nach oben zu treiben. Das zweite Risiko bestehe darin, dass Banken mehr langlaufende Kredite vergäben, um dem Margenschwund entgegenzutreten. Dadurch vergrössere sich aber die Fristeninkongruenz und somit das Zinsänderungsrisiko der Bankbilanzen.

Und drittens könnten diejenigen Anbieter, die keine Banken seien, im gegenwärtigen Tiefzinsumfeld den Wettbewerb am Hypothekarmarkt verschärfen. Dies wiederum ginge zulasten der Margen, des Gewinns und letztlich des Eigenkapitals der Banken.

Den Ausführungen des Notenbankers lässt sich entnehmen, dass es keine einfachen Rezepte für die komplexen Probleme gibt. Die Nationalbank ist zu ihrem Extremkurs gezwungen, denn «die Überwebwertung des Frankens ist derzeit aussergewöhnlich ausgeprägt». Aber eine Antwort auf die Frage, wie die SNB gegen allfällige Kollateralschäden der Minuszinspolitik vorgehen wird, blieb Zurbrügg schuldig. Er versprach nur, dass die SNB die Folgen der tiefen Zinsen für die Finanzstabilität weiterhin sorgfältig beobachten werde.

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