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16:51 Uhr - 17.02.2016

«Wir meiden Zykliker, Banken, Versicherungen»

Für Pierre Fournier, Manager des Evolution Europe Fund, hat die aktuelle Baisse keine Auswirkungen auf die Portfoliozusammensetzung. Er setzt auf Wachstumswerte.

Herr Fournier, wie sehen Sie das jüngste Geschehen an den Aktienmärkten?
«Online-Wetten sind ein Wachstumszweig in einer reifen Industrie.» Bild: Eric GovignonUm die Kontraktion seit Anfang Jahr zu verstehen, muss man zurückschauen. Im April 2015 verzeichnete China erstmals rückläufige Autoverkaufszahlen – ein zuverlässiger Indikator für das Konsumverhalten der chinesischen Mittelklasse. Aber auch andere Indikatoren, die wir beobachten, liessen sich mit der Annahme einer weichen Landung nicht vereinbaren. So sahen wir im vergangenen Jahr eine Abnahme der Milchimporte von einem Fünftel; 16% weniger Laptops wurden verkauft. Spätestens dann war uns klar, dass die Verlangsamung in China auf europäische Unternehmen zurückfallen würde.

Wo kommt die Malaise zum Ausdruck?
Wir verwenden spezifische Unternehmen als Vorlaufindikatoren. Für die Entwicklung des europäischen Marktes schauen wir auf den deutschen Motorenhersteller Deutz (DEZ 3.042 8.84%). Er hat in der ersten Hälfte des Jahres den Verkaufsausblick von –10% Wachstum auf –20% reduziert. Der Absatz von Deutz nimmt die Investitionsentscheide vieler Branchen vorweg: Autoindustrie, Bau- und Landwirtschaft.

Was bedeutet die Baisse für die Positionen im Aktienportfolio Ihres Fonds?
Sie hat keine Auswirkungen. Wir setzen grundsätzlich nicht auf zyklische Werte. Wir konzentrieren uns auf Wachstumsaktien mit vertretbarer Bewertung. Es müssen Valoren sein, die langfristiges, strukturelles Wachstum versprechen.

Was heisst das konkret?
Angesichts der Alterung der westlichen Gesellschaft und der besseren Zugangsbedingungen in sich entwickelnden Märkten ist das Gesundheitswesen äusserst attraktiv. Auch die Zulieferer der Gesundheitsindustrie sind interessant.

Welche Aktien bevorzugen Sie?
Im Pharmabereich setzen wir auf Roche (ROG 251.1 1.05%) und Fresenius (FRE 55.76 1.22%) Medical Care (FME 76.63 1.43%). Auch Betreiber von Altersheimen sind attraktiv, etwa die französische Korian. Bei den Zuliefererbetrieben ist der irische Pharmadienstleister und Verpackungshersteller UDG Healthcare einen Blick wert.

Welcher Sektor ausser Pharma verspricht sonst noch strukturelles Wachstum?
Das Thema Zahlungsverkehr, spezifisch Online-Zahlungen, ist sehr vielversprechend. Hier teilen sich zwei Unternehmen den weltweiten Markt: Ingenico und Verifon. Sie bilden ein Duopol, das sich 40% des Gesamtmarktes teilt.

Hängt Zahlungsverkehr nicht eng mit der Konsumfreudigkeit der Leute zusammen?
Ein Grossteil der Einkünfte hängt mit der Nutzung oder der Miete von Zahlungsterminals zusammen. Es kommt nicht nur auf die Transaktionsvolumen an. Die Verbreitung dieser Terminals in den aufstrebenden Märkten steht in einem krassen Missverhältnis zur entwickelten Welt. Das bedeutet grosses Wachstumspotenzial.

Wo finden Sie sonst noch nichtzyklische Wachstumswerte?
Im Bereich Online-Wetten. Auch in der alteingesessenen Wettindustrie hält die Digitalisierung Einzug. Spieler, auch ältere Semester, sind weniger bereit, in das Wettbüro um die Ecke zu gehen. Sie wetten lieber im warmen Zuhause am Computer. Online-Wetten sind ein Wachstumszweig in einer reifen Industrie. Aktien von Unternehmen wie Paddy Power (Paddy Power 0 0%) oder Bet365 sind die Profiteure dieses Trends.

Business Services spielen in Ihrem Portfolio eine bedeutende Rolle. Weshalb?
Unternehmen lagern alle Aufgaben aus, die nicht zu ihrem Kerngeschäft gehören. Schauen Sie sich den dänischen Facility-Manager ISS an. Von der Erledigung von Sicherheitsaufgaben, Reinigung, Unterhalt, Reception, Catering bis hin zu Datencenter-Management kümmert er sich um alles. Für die Kunden reduziert das Komplexität und Kosten.

Sind in dem Fall auch Outsourcer von IT-Dienstleistungen attraktiv?
Das Problem der IT-Outsourcer ist, dass ihre Umsatzentwicklung mit der Investitionsfreudigkeit der Unternehmen zusammenhängt. Deshalb bleiben wir derzeit von diesem Sektor fern. Interessanter sind IT-Dienstleister, die Unternehmen bei der Digitalisierung unterstützen oder sich um die IT-Infrastruktur kümmern. Darunter fallen Beratungsgesellschaften wie Sopra oder Capgemini (CAP 88.65 4.85%).

Welche anderen Möglichkeiten gibt es, ins Outsourcing-Thema zu investieren?
Auch Staaten lagern immer mehr Aktivitäten aus. Die Digitalisierung von staatlichen Dienstleistungen kann mithelfen, Kosten zu reduzieren. Kainos in Grossbritannien ist ein Beispiel eines solchen Dienstleisters; sie verzeichnet 35 bis 40% jährliches Umsatzwachstum. Grossbritannien ist im Bereich der Auslagerung wohlgemerkt auch fortschrittlicher als viele andere europäische Länder.

Wovon lassen Sie die Finger?
Wir meiden Zykliker, Banken und Versicherungen. Banken sind uns zu komplex – wir können ihre Bilanz nicht bewerten. Gewisse Bankbereiche tragen auch klar zyklische Züge. Zudem spielt bei Banken und Versicherungen die Regulierung eine bedeutende Rolle. Das heisst, diese Unternehmen sind von exogenen Faktoren abhängig. Von Faktoren also, die sie nicht selbst beeinflussen können. Ist das bei einem Unternehmen ausgeprägt der Fall, halten wir uns von den Aktien fern.

Was haben Sie gegen zyklische Werte?
Die Bewertung von Unternehmen, die dem Zyklus unterworfen sind, ist viel schwieriger. Kennziffern wie etwa das Kurs-Gewinn-Verhältnis sind zyklusbedingt grossen Schwankungen ausgesetzt. Das ist bei reinen Wachstumsgesellschaften weniger der Fall, ihre Sensitivität gegenüber Schwankungen ist viel geringer.

Wie stehen Sie zu Schweizer Aktien?
In der Schweiz sind für uns derzeit nur Pharmawerte von Interesse. Ein Grossteil der Industrieunternehmen sind Zykliker, sie kommen deshalb nicht in Frage. Die letzten Ineffizienzen hinsichtlich Aktienbewertungen sehen wir im Pharmabereich. Hier findet man Unternehmen, die im hohen einstelligen Prozentbereich wachsen, eine Dividende über 3% ausschütten und ein Kurs-Gewinn-Verhältnis um 16 aufweisen, und das in einem Marktumfeld mit verhältnismässig wenig Preisdruck. Novartis (NOVN 72.65 0.48%) und Roche sind in dieser Hinsicht sehr gut aufgestellt.

Welche anderen Schweizer Unternehmen finden Sie attraktiv?
Wir beobachten derzeit die Aktien des Spezialchemieherstellers Lonza (LONN 145.6 3.63%). Wir waren zeitweise im Laborausrüster Tecan (TECN 144.9 0%) investiert, haben die Titel aber mittlerweile gewinnbringend verkauft. Wir haben uns auch Dufry (DUFN 103 5.59%) genauer angesehen. Doch angesichts der hohen Verschuldung, des grossen Exposure in den aufstrebenden Märkten und der Margen, die unter Druck kommen werden, haben wir uns gegen ein Engagement entschieden. Dufry war einmal ein gutes Unternehmen.

Sie sagen, Sie gewichten die Bewertung einer Aktie mehr als ihre Herkunft. Dennoch umfasst der Fonds auffällig viele französische und britische Titel. Zufall?
Der deutsche Markt wird durch zyklische Industriewerte und China-Exposure dominiert. In den Märkten Südeuropas sind Wachstumsunternehmen seltener zu finden. Was bleibt übrig? Die Schweiz mit ihren Pharmagesellschaften, Frankreich und Grossbritannien. Beide Märkte sind sehr eklektisch. Sie decken ein weites Spektrum an Branchen ab, die wir als wachstumsträchtig erachten. Es sind «tiefe» Märkte mit vielen Nischenplayern. Das bietet eine grosse Auswahl.

Spielt die Ausschüttung einer Dividende eine Rolle in Ihrem Selektionsprozess?
Wichtig ist uns, dass Unternehmen ihren freien Geldfluss sinnvoll einsetzen. Sei es für Investitionen oder wertschaffende Akquisitionen. Die Gesellschaften, die wir bevorzugen, haben eine progressive Dividendenpolitik, das heisst, sie erhöhen über die Jahre das Pay-out-Verhältnis. Dividendenausschüttung und Wachstum schliessen sich nicht aus. Schöne Beispiele dafür  sind der Werber Publicis oder eben ISS.

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