Zurück zur Übersicht
15:18 Uhr - 01.10.2021

«Der Superzyklus dauert weiter an»

Nervosität an den Börsen, die Zinsen steigen. Wie geht es weiter? Teil 5 von fünf Fragen an fünf Banker: Sandro Merino, CIO Basler Kantonalbank.

Die Investoren müssen sich derzeit der Kernfrage stellen, ob das Fundament des seit über zwölf Jahren andauernden Superzyklus an den Finanzmärkten am Bröckeln ist. Die Befürchtungen eines «Lehman-Moments» für China und den Rest der Welt aufgrund der Misere des Immobilienkonzerns Evergrande haben sich zwar etwas gelegt. Doch Fragezeichen hinsichtlich der weiteren wirtschaftlichen Entwicklung im Land der Mitte bleiben bestehen.

Immer wieder erschüttert der Regierungsapparat in Peking die Märkte mit Regulierungsmassnahmen in einer Reihe von Sektoren. Die Abschwächung der Wirtschaftsdynamik ist in den Daten bereits offensichtlich.

Doch auch andernorts signalisieren die Einkaufsmanagerindizes, dass die initiale Phase der Erholung nach dem pandemiebedingten Einbruch abgeschlossen ist. Dem nicht genug: Das von den Notenbanken in Aussicht gestellte Nachlassen des Inflationsdrucks will sich einfach nicht einstellen. Dies wiederum lässt einige Experten ein Schreckensgespenst zum Leben erwecken: die Stagflation.

Schwaches Wirtschaftswachstum gepaart mit hoher Teuerung brächte die Währungshüter in eine Zwickmühle. Und selbst wenn sich die Stagnation des Wachstums nicht einstellt, haben die Notfallmassnahmen, die während der Pandemie rasch Einzug in den Massnahmenkatalog der Währungshüter genommen haben, keine Berechtigung mehr.

Die Preise steigen vielerorts auf breiter Front. Der Winter könnte in Sachen Teuerung heisser werden als ursprünglich gedacht. Der Mangel an Energieträgern lässt wiederum vielerorts Kälte und Mangelwirtschaft befürchten.

Einzelne Notenbanken haben den Leitzins bereits erhöht, andere machen sich daran, ihre Wertpapierkäufe zu reduzieren. Eine neue Phase für Wirtschaft und Finanzmärkte ist angebrochen. Wie werden Aktien und Obligationen darauf reagieren, und wie können Anleger ihr Portfolio fit machen für potenzielle neue Entwicklungen? Wo bietet der Finanzmarkt noch ansprechende Rendite für das eingegangene Risiko?

Diesen und weiteren Fragen wird im Rahmen des FuW-Forums «Opportunities 2022» nachgegangen. Der hier in einer Serie präsentierte Fragenkatalog an fünf Banker, die an der Veranstaltung konkrete Ideen auf dem Podium präsentieren werden, bietet nur einen kleinen Vorgeschmack auf die Themen des Anlasses.

Herr Merino, die Börsen sind nervös und die Bewertungen hoch. Kommt der Superzyklus, der 2009 begann, bald zu einem Ende?
Die starke Konjunktur führt zu Problemen in der Logistik und zu Angebotsengpässen, zum Beispiel bei Halbleitern. Auch die wiedererstarkte Nachfrage nach Energie hat zu steigenden Preisen beigetragen. All diese wahrgenommenen Probleme kann man auch als Auswirkungen eines kräftigen Wirtschaftswachstums sehen. Der Superzyklus dauert weiter an.

Wo kann im Aktienmarkt noch Überrendite erzielt werden?
Mit einem Aktienportfolio, das global diversifiziert ist und Nachhaltigkeitskriterien transparent berücksichtigt. Investoren sollten nachvollziehen können, welche Sektoren ausgeschlossen werden und über welche Kriterien aktiv und signifikant von traditionellen Indizes abgewichen wird. Damit könnte strategisch gegenüber traditionellen passiven Anlagen eine Mehrrendite erzielt werden.

Finger weg von Anleihen oder gibt es bei festverzinslichen Werten noch Opportunitäten?
Eine sinnvolle Allokation von Anleihen ist auch in diesem Umfeld möglich. Allerdings muss dazu der gesamte globale Anleihenmarkt als Universum gewählt werden. Die Portfoliokonstruktion erfordert entsprechende Kenntnisse.

Was muss geschehen, dass die ­Langfristzinsen nachhaltig steigen?
Das geschieht gerade, die starke Konjunktur und erste Normalisierungen der Geldpolitik sind angekündigt. Die Leitzinsen bleiben aber noch länger tief.

Die SNB äussert warnende Worte ­angesichts der Immobilien­preisentwicklung in der Schweiz. ­Befindet sich der hiesige Häusermarkt in einer Blase?
Der Risikobericht der SNB beklagt eine nicht nachhaltige Hypothekenvergabe. Über die letzten fünfzehn Jahre stiegen Immobilienpreise wie auch Hypothekenvolumen um 80%. Die SNB erkennt das Risiko einer Preiskorrektur. Dabei wären die Effekte auf den Bankensektor und Folgewirkungen für die Realwirtschaft das eigentliche Problem. Die Nachfrage nach Wohneigentum bleibt aber bei guter Konjunktur stark, und ein potenzieller Auslöser einer Preiskorrektur ist aktuell nicht offensichtlich. Die Preise steigen weiter.

 

 

Hat Ihnen der Artikel gefallen? Lösen Sie für 4 Wochen ein FuW-Testabo und lesen Sie auf www.fuw.ch Artikel, die nur unseren Abonnenten zugänglich sind.

Seite empfehlen



Kopieren Sie den Link [ctrl + c] und fügen Sie ihn in ein E-Mail ein [ctrl + v]. Aus Sicherheitsgründen ist kein Versand von E-Mails direkt vom VZ Finanzportal möglich.