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12:52 Uhr - 19.09.2014

Facebook-Nordeuropachef: «Die Schweiz ist sehr wichtig»

Martin Ott, Nordeuropachef von Facebook, hofft auf Werbeeinnahmen über mobile Geräte, wie er im Interview mit der FuW erklärt. Die Schweizer seien besonders aktiv auf Smartphone, Tablet & Co.

Beim Sichern seines Domain-Namens bei Facebook (FB 77 0.75%) war Martin Ott etwas zu langsam. Er ist zu finden unter «martinott11». Sonst verlief die Karriere des 36-Jährigen rasant. Als Nordeuropa-Chef verantwortet er das Wachstum in grossen Teilen des Alten Kontinents und sieht einen «riesigen Markt».

Herr Ott, seit zwei Jahren sind Sie Nordeuropa-Chef. Wie unabhängig von der Facebook-Zentrale in den USA können Sie planen?
Natürlich wird die globale Strategie in den Staaten entschieden. Ich reise viel und kümmere mich mit den Teams in den Ländern um die Umsetzung. Zur PersonAls Nordeuropa-Chef verantwortet Martin Ott seit August 2012 die Geschäftsentwicklung in Deutschland, Österreich, der Schweiz und Skandinavien – und gerade noch einigen Ländern mehr, da ein Kollege im Sabbatical weilt. Ott studierte internationale Betriebswirtschaft an der WHU – Otto Beisheim School of Management in Vallendar, der Finance Academy in Moskau und der Keio Business School in Tokio. Anschliessend war er in leitender Position bei verschiedenen jungen Tech-Unternehmen. Der 36-Jährige ist Vater zweier Töchter.Wir planen individuell, an die jeweiligen Regionen angepasst, wie wir weiter wachsen können. Viel Zeit verbringe ich im Moment mit Einstellungsgesprächen. Vor zwei Jahren hatten wir hier die Grösse einer Fussballmannschaft – nun beschäftigen wir 150 Mitarbeiter für den deutschsprachigen Raum.

Als Google (GOOGL 597.27 0.67%) in dem Alter war, in dem sich Facebook befindet, hatte das Unternehmen mehr Probleme mit sich als mit anderen. Wie sehr ist Facebook noch ein Start-up?
Ich bin kurz vor dem Börsengang 2012 eingestiegen. Heute sind wir kein Start-up mehr, aber wir sind in den vergangenen zwei Jahren auch nicht langsamer geworden. Wir haben uns eine «Hacker»-Kultur bewahrt. Es ist erlaubt und gewünscht, dass wir Dinge ausprobieren. «Move fast and be bold» – bewege dich schnell und sei mutig. Dieses Credo lernen neue Mitarbeiter bei uns in den ersten Tagen. Und das funktioniert. Nur so schaffen wir es, die klügsten Köpfe an Bord zu holen.

Mit wem steht Facebook im Wettbewerb?
Hightech-Fachkräfte sind nach wie vor gefragt. Gute Leute gehen auch gerne zu Swisscom (SCMN 539.5 0%), zu Google, zu Newcomern wie Zalando oder jungen Start-ups.

Kooperieren Sie denn mit Hochschulen in der Schweiz?
Nein. Wir stehen am Anfang. Hier haben wir auch noch keine Mitarbeiter.

Google ist deutlich weiter mit mehr als tausend Angestellten am Entwicklungsstandort Zürich – und auch in puncto Uni-Kooperationen liegt der Rivale vorne.
Sie dürfen uns nicht mit einem Unternehmen vergleichen, das viele Jahre länger am Markt ist als wir. Wir haben gerade in unserem London Office den ersten Standort für Entwickler ausserhalb der USA geschaffen. Und dort wachsen wir sehr stark.

Wie wichtig ist die Schweiz für Facebook?
Sehr wichtig. Unternehmen wie Migros oder Nestlé (NESN 70.45 0.14%) schalten beträchtliche Teile ihres Werbebudgets bei uns. Von 5,5 Mio. Onlinern hierzulande nutzen uns aktiv über 3 Mio. Diese Durchdringung ist grösser als etwa in Deutschland. Das Gros der monatlich aktiven Nutzer, deutlich mehr als drei Viertel, kommt über ein mobiles Gerät – auch das ist international herausragend.

Das mobile Geschäft war vor gar nicht allzu langer Zeit das Sorgenkind von Facebook – jetzt ist es das Steckenpferd.
Unser Erlös aus mobiler Werbung ist in einem Jahr von 41 auf 62% hochgeschnellt. Das haben wir unserer Initiative zu verdanken, die Mobile in den Vordergrund gerückt hat. Anfang Jahr haben wir das mobile Entwicklerteam aufgelöst – da alle Entwickler «mobile first» arbeiten. Meiner Meinung nach war das der einzig logische Schritt. Schliesslich erleben wir gerade die Ablösung des Leitmediums Fernsehen durch Smartphone & Co.

Wirklich?
Ja, junge Leute zwischen 16 und Anfang 45 nutzen ihr Smartphone schon heute intensiver als das Fernsehen. Die meiste Zeit davon verbringen sie mit Apps, solchen von Facebook etwa. Zunächst hat der TV-Apparat das Radio als Leitmedium verdrängt – jetzt wird er selbst vom mobilen Bildschirm abgelöst. Junge Väter in Bern, die auf der  Suche nach einem neuen Auto sind? Sushi-Liebhaber, die sich im Moment in der Nähe meines Restaurants aufhalten? Solche Zielgruppen erreichen unsere Werbekunden – jederzeit und überall. Streuverluste bleiben minimal.

Sie verkaufen dazu also Daten der Nutzer?
Nein, niemals. Keine persönlichen Informationen verlassen jemals unser Haus. Das sind wir unseren Nutzern schuldig. Übrigens, unser internationales Hauptquartier befindet sich mit über 600 Mitarbeitern in Dublin. Für uns gelten daher die Datenschutzregeln der Europäischen Union. An die halten wir uns, und das sind mit die besten weltweit.

War Facebook der Kauf von WhatsApp deshalb 19 Mrd. $ wert, um noch stärker auf Smartphones vertreten zu sein?
Die Bewertung kann ich nicht kommentieren, noch ist WhatsApp nicht Teil unseres Konzerns. Der Abschluss steht aus. Ich finde die App mit ihren 600 Mio. Nutzern faszinierend. Kaum jemand stillt das Bedürfnis nach Kommunikation so gut.

Vielleicht wird das Handy schon bald selbst abgelöst. Von smarten Uhren etwa mit noch kleineren Displays wie der Apple (AAPL 101.79 0.21%) Watch. Das kratzt dann doch sicher am Werbeerlös von Facebook.
Das sehe ich nicht so. Smarte Uhren, Brillen, Kleidung? Jedes Gerät, das mit dem Internet verbunden ist, begrüssen wir. Der Medienwandel beginnt doch gerade erst. Da wartet ein riesiger Markt auf uns.

Sind Sie eigentlich auch über Aktien am Erfolg von Facebook beteiligt?
Jeder Mitarbeiter ist über entsprechende Aktienoptionen Miteigentümer des Unternehmens. Wir reden aber nicht über den Aktienkurs und denken nach wie vor langfristig. So überlegen wir heute, wie wir in den nächsten zehn Jahren die fünf Milliarden Menschen mit dem Internet verknüpfen, die noch keinen Zugriff zu der Wissensgesellschaft haben.

Die Facebook-Aktien notieren nahe ihrem Allzeithoch. Würden Sie noch zukaufen?
Wie gesagt: Wir denken weiter langfristig.

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