Zurück zur Übersicht
16:20 Uhr - 19.05.2015

Kühler Denker mit viel Branchen-Know-how

Der CEO von Sunrise gilt als nüchtern und ist kein Mann der lauten Töne. Nach einem verhaltenen Ausblick für das Geschäftsjahr 2015 könnte das zum Handicap werden.

Anlässlich des Börsengangs im Februar wählte Sunrise-CEO Libor Voncina ungewohnt bildliche Worte. Als er sein Amt im Januar 2013 angetreten habe, sei Sunrise (SRCG 80.05 -4.25%) ein «Rohdiamant» gewesen, der noch geschliffen werden musste, erklärte der gebürtige Slowene. Nun hat der Diamant etwas an Glanz eingebüsst. Zwar konnte Sunrise im ersten Quartal den Umsatz 5,3% auf 489 Mio. Fr. steigern. Die Ebitda-Marge sank jedoch von 28,3 auf 27,2%. Kosten für die Publikumsöffnung und Refinanzierung von 155 Mio. Fr. drückten den Telecomanbieter tief in die roten Zahlen: Sunrise weist einen Verlust von 167 Mio. Fr. nach 10 Mio. Fr. Fehlbetrag im Vorjahr aus.

Kratzer in der Erfolgsstory von SunriseDie Aktien von Sunrise geben nach Quartalszahlen und einem verhaltenen Ausblick stark nach. Für risikofähige Anleger bietet das eine Einstiegsgelegenheit. Lesen Sie hier die Analyse.Für das Gesamtjahr erwartet Sunrise einen leichten Umsatzrückgang und einen gegenüber dem Vorjahr etwas schwächeren Ebitda. Bereinigt um Sonderfaktoren soll die operative Marge gehalten werden. Neben den Ausgaben für den Börsengang gibt es weitere Gründe für den schwachen Ausblick: Es werden weniger Roaming-Einnahmen und weniger Hardware-Verkäufe erwartet. Auch im Gesamtjahr rechnet das Management weiter mit roten Zahlen. 2016 könnte sich das Blatt gemäss Analysten-schätzungen allerdings wenden.

Die Nachricht sorgte am Dienstag für Verstimmung am Aktienmarkt, die Sunrise-Valoren gaben vor allem am Vormittag markant nach, bei hohen Volumen in der Spitze um fast 10%.

Rauen Wind gewohnt

Rauen Wind ist der CEO gewohnt, Privates gibt er indes nicht gerne preis. Der sportliche Manager mit Jahrgang 1963 ist oft in den Bergen unterwegs – er wohnt in der Region Zug – und betreibt Outdoor-Sport. Nach Stationen bei IBM (IBM 172.87 -0.11%), Lucent Technologies und Avaya führte er Telekom Slovenija von 2004 bis 2006. Die Privatisierung des Unternehmens erfolgte 1998, der Börsengang aber erst im Herbst 2006. Im November desselben Jahres wechselte der Manager zur belgischen KPN-Tochter Base, die aktuell vom Kabelnetzbetreiber Telenet übernommen wird. Bis 2011 blieb Voncina CEO von Base und stieg gegen Belgacom Mobile und Mobistar in den Ring.

Somit kennt der Sunrise-CEO beide Seiten – die des ehemaligen Staatsbetriebs und die des kleineren Angreifers. Die Besonderheiten des Schweizer Telecommarktes – mit einem starken Marktführer, der sich in einem für ihn vorteilhaften regulatorischen Umfeld bewegt und weiterhin mehrheitlich dem Bund gehört – kennt Voncina inzwischen ebenfalls. Und er weiss, dass der Marktführer mit drastischen Tarifsenkungen den kleineren Anbietern recht rasch das Wasser abgraben könnte.

Besser als vor zwei Jahren

Operativ läuft bei Sunrise vieles besser als vor zwei Jahren. Neue Tarifstrukturen versprechen Kundenwachstum, soweit das in einem Markt mit wenig preissensitiven und wenig wechselwilligen Nutzern möglich ist. Dass Schweizer Abonnenten nicht primär auf den Preis reagieren, hat auch Xavier Niel, neuer Eigentümer des dritten Mobilfunkanbieters im Land, Salt (vormals Orange), erkannt. Während er in Frankreich einen Preiskampf ins Rollen brachte, der den etablierten Anbietern Bauchschmerzen bereitet, hat er hierzulande eine andere Strategie gewählt – die neuen Abo-Modelle sind kein Preisbrecher.

Die grosse Herausforderung liegt für die Sunrise-Spitze gegenwärtig in der Kommunikation mit ihren Anlegern. Aber weder CEO Libor Voncina noch Verwaltungsratspräsident Dominik Koechlin haben einen Ruf als charismatische Rhetoriker. Sie profilieren sich als kühle Denker. Während früherer Stationen stand Voncina weniger im Fokus der Finanzmärkte, als CEO eines nichtkotierten Anbieters und als Chef der Tochtergesellschaft eines Unternehmens an der Börse. Das hat sich nun geändert. Entsprechend grösser ist der Druck auf Libor Voncina, für das Unternehmen zu werben – trotz aller Zurückhaltung.

Hat Ihnen der Artikel gefallen? Lösen Sie für 4 Wochen ein FuW-Testabo und lesen Sie auf www.fuw.ch Artikel, die nur unseren Abonnenten zugänglich sind.

Seite empfehlen



Kopieren Sie den Link [ctrl + c] und fügen Sie ihn in ein E-Mail ein [ctrl + v]. Aus Sicherheitsgründen ist kein Versand von E-Mails direkt vom VZ Finanzportal möglich.