Zurück zur Übersicht
00:28 Uhr - 31.07.2015

Das vernachlässigte Problem der Grossbanken

Die Bankenregulierung konzentriert sich primär auf dickere Kapitalpolster und strengere Liquiditätsvorschriften. Ebenso wichtig ist jedoch die Unternehmenskultur, hält ein kritischer Bericht fest.

Grossbanken kommen nicht aus den Negativschlagzeilen heraus. Von Schurken-Tradern, die Milliarden verzocken, über die Manipulation von Devisenkursen und Zinsen bis hin zu Geldwäscherei, Steuerbetrug und unlauteren Geschäftspraktiken bei der Vergabe von Hypotheken: Ein Skandal nach dem anderen erschüttert die Branche.

In all diesen Fällen spielt der Mangel an einer nachhaltigen Führungs- und Unternehmenskultur eine zentrale Rolle. Zu diesem Schluss kommt ein provokativer Untersuchungsbericht, hinter dem eine Gruppe von dreissig ehemaligen Top-Bankern steht. Die Group of Thirty genannte Arbeitsgemeinschaft hält darin fest, dass globale Finanzkolosse in diesem Bereich noch viel Aufholarbeit leisten müssen.

«Es ist dringend erforderlich, dass Banken sich darauf fokussieren, das Vertrauen der Öffentlichkeit zurückzugewinnen. Das, weil Vertrauen das Fundament eines sicheren und gut funktionierenden Finanzsystems ist», sagte Roger Ferguson, vormaliger Vizepräsident der US-Notenbank, bei der Präsentation des Berichts in New York. Notwendig dafür sei eine umfassende Reform in Sachen Mitarbeiterverhalten, ergänzte Ferguson, der bis 2008 der Geschäftsleitung von Swiss Re angehörte.

Interne Reformen bislang ungenügend

Der am Donnerstag veröffentlichte Report mit dem Titel «Banking Conduct and Culture: A Call for Sustained and Comprehensive Reform» basiert auf annähernd achtzig Interviews, die mit hochrangigen Exponenten von Finanzinstituten und Zentralbanken aus siebzehn Ländern geführt wurden. Darunter waren auch Vertreter von Schweizer Banken. Viele der internen Reformen, die in der Branche während der letzten Jahre angekündigt worden seien, hätten nicht zu den notwendigen Änderungen geführt, hält der 84 Seiten dicke Bericht fest.

Bei der Präsentation anwesend war auch Paul Volcker, der von 1979 bis 1987 der amerikanischen Notenbank vorstand und als Ehrenpräsident der Group of Thirty amtiert. «Das ist ein sehr wichtiges Thema. Probleme mit der Unternehmenskultur sind in der Bank- und Finanzbranche weit verbreitet. Etwas dagegen zu machen, ist sehr schwierig», sagte er. Die Stossrichtung des Reports sei deshalb, die Aufmerksamkeit vermehrt auf die Beziehung der Banken zu ihren Kunden und auf ihre Verantwortung gegenüber der Öffentlichkeit zu richten.

Eine der Hauptursachen der Finanzkrise

«Unser Report betont, dass mangelhafte kulturelle Grundlagen und kulturelle Verfehlungen wesentlich zur Finanzkrise von 2008 beigetragen haben», sagte William Rhodes, langjähriger Top-Manager von Citigroup. «Sie sind auch ein wesentlicher Faktor bei den Skandalen, die sich danach ereignet haben – verschlimmert durch Mitarbeitende mit fragwürdigem Verhalten und Wertverständis, die ungestraft von einer Bank zur nächsten wechseln», fügte er hinzu.

Der Bericht zeigt verschiedene Ansatzpunkte auf, wie Finanzinstitute ihr Verhalten verbessern können. Dazu zählen im Speziellen die Lohnvergütungen und die Mitarbeiterführung. Empfohlen wird dabei ein Vorgehen, das auf einem ausbalancierten Katalog von Kriterien basiert, anhand dessen die Leistung der zweihundert bis vierhundert wichtigsten Manager einer Bank regelmässig bewertet wird.

Alternative ist noch mehr Regulierung

Die meisten Institute hätten sich in der Vergangenheit vor allem darauf konzentriert, wie sie Einnahmen und Gewinn maximieren können, heisst es im Bericht. Ebenso wichtig sei aber die Frage, auf welche Weise diese Ziele erreicht werden. Für die Finanzindustrie sei nun entscheidend, das Kapitel des fehlerhaften Verhaltens abzuschliessen. Die Alternative dazu seien sonst noch mehr Regulierungen, die unbeabsichtigte Konsequenzen hätten und damit die Rolle des Bankensystems zur Finanzierung der Wirtschaft beeinträchtigen könnten.

«Banking Conduct and Culture» ist der dritte Empfehlungsbericht der Group of Thirty. Einzelne Banken werden darin (leider) nicht erwähnt. Dem Report vorangegangen sind 2012 «Toward Effective Governance of Financial Institutions» und 2013 «A New Paradigm: Financial Institution Boards and Supervisors».

Hat Ihnen der Artikel gefallen? Lösen Sie für 4 Wochen ein FuW-Testabo und lesen Sie auf www.fuw.ch Artikel, die nur unseren Abonnenten zugänglich sind.

Seite empfehlen



Kopieren Sie den Link [ctrl + c] und fügen Sie ihn in ein E-Mail ein [ctrl + v]. Aus Sicherheitsgründen ist kein Versand von E-Mails direkt vom VZ Finanzportal möglich.