Zurück zur Übersicht
14:10 Uhr - 14.11.2019

Koreas Sorgen um die Chips

Die Finanzierungslücke der Altersvorsorge wird weltweit grösser. Um sie zu schliessen, muss das Rentenalter massiv angehoben werden. Doch das allein reicht nicht.

Die Welt steuert auf eine massive Rentenkrise zu. Gemäss einer am Donnerstag publizierten Studie der Group of Thirty (G30) werden der weltweiten Altersvorsorge in knapp dreissig Jahren mehr als 15 Bio. $ fehlen. Das internationale Gremium, dem unter anderem Ex-Notenbanker Philipp Hildebrand und UBS-Präsident Axel Weber angehören (vgl. Box (BOX 16.18 3.78%)), sieht die Finanzierungslücke getrieben von steigender Lebenserwartung, sinkenden Geburtenraten, langsamerem Wirtschaftswachstum und rückläufigem Ertrag aus Altersvorsorgeanlagen. Die Länder würden weltweit vor der wachsenden Herausforderung stehen, Rentnern finanzielle Sicherheit zu ermöglichen, um die wesentlichen Lebenshaltungskosten zu decken.

Für ihre Erhebung hat die G30 21 Länder untersucht, die zusammen 90% des globalen Bruttoinlandprodukts erwirtschaften. Zwar sind in einzelnen Staaten progressive Ansätze auszumachen, in denen sich das Bewusstsein für die drohende Finanzierungslücke spiegelt. Viele Länder sind aber weit davon entfernt, nachhaltige Lösungen zu implementieren. Entsprechend werden die prognostizierten Einnahmen für das Rentensystem weit hinter den zugesagten Rentenleistungen zurückbleiben.

Höheres Rentenalter unausweichlich

«Wir haben uns zum Ziel gesetzt, mit unserer Studie wachzurütteln», sagt gegenüber «Finanz und Wirtschaft» der ehemalige Kapitalmarktchef des Internationalen Währungsfonds Gerd Häusler, selbst Mitglied der G30 und Mitautor der Studie. Nun hoffe man auf den Willen aller Beteiligten – nicht nur der Politik –, das Thema ernsthaft anzugehen.

Wohin die Reise gehen könnte, zeigt die G30 in verschiedenen Szenarien auf. Klar ist: Die substanzielle Erhöhung des Rentenalters ist unausweichlich. «Wir empfehlen, das Rentenalter mindestens in Proportion zur höheren Lebenserwartung zu erhöhen», heisst es in der Studie. «Für die betrachteten Länder bedeutet das einen Anstieg um mindestens vier bis sechs Jahre bis 2050.»

Damit der Effekt spürbar wird, müssten Staaten mit Rentenalter unter 65 oder teils sogar unter 60 allerdings stärker nachziehen. Würde weltweit bis 70 Jahre gearbeitet, liessen sich gemäss der Erhebung immerhin 50% der Finanzierungslücke schliessen. «Am effektivsten wäre es, das Renteneintrittsalter an die Lebenserwartung zu koppeln», sagt Häusler. Ziel müsse es sein, das Verhältnis der Lebenszeit von Erwachsenen, die sie in Arbeit und im Ruhestand verbringen, stabil zu halten.

Schweiz fehlen Arbeitskräfte

Dass das nicht ohne Stolpersteine möglich ist, ist offenkundig. Damit Arbeitnehmer künftig über das heutige Rentenalter hinaus tätig sein können, sind Arbeitgeber in der Pflicht, entsprechende Angebote zu schaffen. Die Nachfrage ist da. In der Schweiz sind 40% der arbeitenden Menschen zwischen 50 und 64 Jahren bereit, nach Erreichen des Pensionsalters weiterzuarbeiten, wie aus einer ebenfalls am Donnerstag publizierten Studie des Unternehmensberaters Deloitte hervorgeht.

«Das sind gute Nachrichten für die Schweiz», sagt Michael Grampp, Chefökonom von Deloitte Schweiz. «Die Mobilisierung der Altersgruppe könnte einen erheblichen Teil der für den Schweizer Arbeitsmarkt prognostizierten Lücke an Arbeitskräften schliessen.» Gemäss Berechnung von UBS (UBSG 12.005 -0.33%) fehlen der Schweiz bis 2030 zwischen 230’000 und 500’000 Arbeitskräfte.

Auch wenn die Erhöhung des Rentenalters gemäss Häusler zumindest für Kontinentaleuropa das wirkungsmächtigste Mittel darstellt – der Hebel allein kann das Finanzierungsproblem nicht lösen. Die G30 fordert deshalb, zusätzlich die privaten Ersparnisse zur Unterstützung der gesetzlichen Renten zu erhöhen. Im aktuellen Tiefzinsniveau ist das aber leichter gesagt als getan. Die global niedrigen Renditen wirken sich langfristig negativ auf das Sparpotenzial aus.

Um die private Sparquote zu erhöhen, sieht Häusler steuerliche Anreize als Möglichkeit. Beitragsorientierte Systeme, wie sie in angelsächsischen Ländern verbreitet sind, müssten zudem so reformiert werden, dass die Verwaltung der Altersvorsorgevermögen günstiger wird, um die tiefen Renditen auszugleichen. Nicht zuletzt fordert das Gremium einen Wechsel hin zu hybriden Rentensystemen, die die Vorteile von beitragsorientierten und leistungsorientierten Modellen vereinen. Als Beispiel wird das System von verdienstabhängigen Renten mit Garantierenten genannt, wie Schweden es kennt. Dabei orientieren sich die späteren Leistungen enger an den eingezahlten Beiträgen.

Hat Ihnen der Artikel gefallen? Lösen Sie für 4 Wochen ein FuW-Testabo und lesen Sie auf www.fuw.ch Artikel, die nur unseren Abonnenten zugänglich sind.

Seite empfehlen



Kopieren Sie den Link [ctrl + c] und fügen Sie ihn in ein E-Mail ein [ctrl + v]. Aus Sicherheitsgründen ist kein Versand von E-Mails direkt vom VZ Finanzportal möglich.