Rieter erstattet Strafanzeige gegen Verwaltungsräte. Auf der Klägerseite Grossinvestor und VR Peter Spuhler, auf der angeklagten Seite Luc Tack, der zweitgrösste Investor beim Spinnmaschinenunternehmen.
Eklat bei Rieter (RIEN 232.00 -1.07%). So etwas hat es in der Schweizer Wirtschaftsgeschichte noch nie gegeben. Darin sind sich alle einig. Der Verwaltungsrat des angesehenen Spinnmaschinenherstellers Rieter teilt in einem Communiqué mit, dass er gegen zwei Verwaltungsräte Strafanzeige erstattet. «Das ist ein extrem aussergewöhnlicher Fall, den es noch nie bei einer Publikumsgesellschaft gegeben hat, selbst nicht im Ausland», sagt Peter V. Kunz, Professor für Wirtschaftsrecht an der Universität Bern.
In der Mitteilung von Rieter heisst es: Zur Wahrung der Interessen von Rieter werde der Verwaltungsrat gegen die beiden Verwaltungsratsmitglieder Luc Tack und Stefaan Haspeslagh Strafanzeige erstatten. Zudem soll eine ausserordentliche Generalversammlung einberufen werden, an der die beiden abgewählt werden sollen.
Der grösste Streit herrscht zwischen Peter Spuhler, langjähriger Verwaltungsrat (seit 2009) und Grossaktionär von Rieter mit 22%, und Luc Tack, ebenfalls Verwaltungsrat (seit 2017) und mit schätzungsweise gegen 15% der zweitgrösste Investor bei Rieter. Ein grosser Teil des Aktienpakets hat Tack von Michael Pieper gekauft. Zu Tacks Unternehmen gehört der belgische Mischkonzern Picanol, der zudem ein bedeutender Webmaschinenhersteller ist.
Als im Juni bekannt wurde, dass Saurer in finanzielle Probleme geraten ist, haben offenbar sowohl Rieter als auch Picanol den fetten Braten gerochen und mussten sofort handeln, bevor ein anderer sich Saurer oder Teile davon schnappte.
Im Zuge des Veräusserungsprozesses der Saurer-Töchter Schlafhorst, Accotex und Temco, die jetzt von Rieter gekauft worden sind, kam es gemäss Rieter vonseiten Luc Tacks und Stefaan Haspeslagh zu schweren Verstössen gegen die gesetzliche Treuepflicht, die Pflicht zur Wahrung von Geschäftsgeheimnissen und den Rieter-Verhaltenskodex. Die beiden belgischen Verwaltungsräte, Chairman und CEO von Picanol, haben verwaltungsinterne Informationen von Rieter genutzt, um mit einem eigenen Angebot dasjenige von Rieter zu konkurrieren. Der Rieter-Verwaltungsrat wertet dies als starken Verstoss gegen die Interessen von Rieter zum Nachteil aller seiner Anspruchsgruppen und als nachhaltigen Vertrauensbruch innerhalb des Verwaltungsrats, der eine weitere Zusammenarbeit unmöglich mache.
Rieter habe indirekt erfahren, dass Tack ohne ihr Wissen bei Saurer eine Konkurrenzofferte eingereicht hat. Erst danach sei Tack in den Ausstand getreten, ist zu vernehmen.
In der Regel werden solche Streitereien im Verwaltungsrat intern gelöst, indem die angeschuldigten Verwaltungsräte sofort zurücktreten und das Unternehmen auf Strafanklagen verzichtet, erklärt Wirtschaftsrechtler Kunz. Eine Verletzung der Treuepflicht sei zwar «blöd, aber keine Verletzung des Strafrechts», erklärt er. Zentral sei aber, ob die betroffenen Verwaltungsräte Geschäftsgeheimnisse verraten hätten und nicht in den Ausstand getreten sind.
Für Tino Gaberthüel, der bei Lenz & Staehelin spezialisiert ist für Übernahmen, ist entscheidend, dass ein Verwaltungsrat seine Interessen gegenüber dem Unternehmen offenlegt und in den Ausstand tritt, sobald er eine Konkurrenzofferte für ein Unternehmen einreichen will.
Hart ins Gericht mit den Belgiern geht die Aktionärsvereinigung Actares: «Insiderwissen auszunutzen für die eigenen Vorteile und gegen das Interesse des Unternehmens, in dessen Verwaltungsrat man sitzt, ist ein schwerwiegender Vertrauensbruch», sagt Karin Landolt von Actares. «Wir unterstützen das Vorgehen des Verwaltungsrats, die Abwahl der beiden Verwaltungsräte zu ersuchen und sie strafrechtlich zu belangen.»
Tack und Picanol stellten eine Stellungnahme zu diesem Fall für den Montagnachmittag in Aussicht. Bis 18 Uhr ist eine solche nicht eingetroffen.
Hat Ihnen der Artikel gefallen? Lösen Sie für 4 Wochen ein FuW-Testabo und lesen Sie auf www.fuw.ch Artikel, die nur unseren Abonnenten zugänglich sind.