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15:07 Uhr - 31.01.2022

Jean-Paul Clozel: «Idorsia steht nicht zum Verkauf»

Der CEO von Idorsia erwartet, dass das Biotech-Unternehmen grösser wird als die 2017 von ihm für 30 Mrd. $ verkaufte Actelion.

Das Biotech-Unternehmen Idorsia (IDIA 21.52 +0.28%) sorgt für Schlagzeilen. Sein potenzieller Blockbuster Daridorexant wurde im Januar in den USA zugelassen. Keine zwei Wochen später erhielt Clazosentan, ein Mittel zur Behandlung zerebraler Gefässspasmen nach Hirnblutungen, grünes Licht in Japan. CEO Jean-Paul Clozel sieht vor allem für den Hoffnungsträger Daridorexant langfristig grosses Potenzial und erklärt, warum Idorsia so schnell wie möglich profitabel werden soll und der Erfolg mit dem milliardenschweren Pharmaunternehmen Actelion für ihn nur das Aufwärmen war.

Herr Clozel, dieses Jahr geht es bei Idorsia Schlag auf Schlag. Sind Sie zufrieden?
Ich bin sehr zufrieden und stolz auf die Leistung unseres Teams. Die Zulassung unserer ersten beiden Produkte ist das ­Resultat einer 25-jährigen Forschungsarbeit. Wir mussten bei der Errichtung von Idorsia nicht bei null anfangen, sondern konnten von der Entwicklungstätigkeit ­innerhalb von Actelion profitieren.

Bei Actelion entwickelten Sie zwei Medikamente gegen Lungenhochdruck. Einige Leute trauten Ihnen nicht zu, auch in anderen Indikationen zu reüssieren.
Für die Behandlung von Lungenhochdruck haben wir damals mit Actelion einen neuen therapeutischen Bereich erschaffen. Wenn man an einer Stelle erfolgreich ist, dann glauben die Leute, man könne nichts anderes tun als das. Bei Idorsia arbeiten jedoch Spezialisten diverser Bereiche. Der Leiter der klinischen Entwicklung etwa ist ein Lungenspezialist, meine Frau ist Kinderärztin, und ich bin Kardiologe. Wir beschäftigen auch viele Neurologen. Unsere Strategie ist einfach: Wir folgen der Wissenschaft, wohin sie uns auch führt. Das erfordert eine gehörige Portion Flexibilität.

Eines von Idorsias Zielen ist es, mittelfristig mindestens drei Produkte auf den Markt zu bringen. Welches könnte Ihrer Meinung nach das dritte Medikament sein?
Das dürfte in meinen Augen Aprocitentan sein. Die Patienten für die letzte klinische Untersuchungsphase sind allesamt rekrutiert, und wir sind zuversichtlich, Mitte Jahr die Resultate dieser Studie zu erhalten. Der Wirkstoff könnte Millionen von Patienten mit resistentem Bluthochdruck helfen. Das Mittel haben wir zwar an Johnson & Johnson (JNJ 172.29 +0.29%) auslizenziert, wir werden aber Lizenzeinnahmen bekommen.

Angesichts der Tatsache, dass 90% der Produktkandidaten die klinische Phase nicht überstehen, sind drei Lancierungen bei elf Kandidaten ganz schön optimistisch.
Sie müssen nicht an die 90% denken, die scheitern, sondern an die 10%, die das Ziel erreichen. Als Chef eines Biotech-Unternehmens muss ich eine zutiefst optimis­tische Einstellung haben. Viele Misserfolge sind nämlich darauf zurückzu­führen, dass die Leute die Probleme nicht lösen wollen und beim ersten Hindernis gleich ans Aufgeben denken.

Sie waren bereits mit Actelion erfolgreich. Bei Idorsia wiederholt sich das nun. Das ist nicht selbstverständlich. Was ist Ihr Erfolgsrezept?
Das ist ganz einfach. Die Liebe zur Wissenschaft sowie ein hervorragendes Team.

Im Vergleich zu Europa sind die Bewertungen in den USA sehr hoch. Bereuen Sie es, dass Idorsia nicht in New York kotiert ist?
Es mag sein, dass die Bewertungen in den USA vergleichsweise hoch sind. Tauchen hingegen Problemen auf, dann fallen die Kurse dort für gewöhnlich auch stärker als hierzulande. Und gerade bei Unternehmensgründungen kommt es oft vor, dass man sich in einer schwierigen Lage wiederfindet. In der Schweiz sind Aktionäre tendenziell loyaler und haben eine langfristige Orientierung, was besonders in unserer Branche wichtig ist. Deshalb ­erachte ich die Schweizer Börse als idealen Standort für Biotech-Unternehmen.

Idorsia hat nach wie vor einen hohen ­Kapitalbedarf. Müssen Anleger mit weiteren Kapitalerhöhungen rechnen?
Wir versuchen, weitere Kapitalerhöhungen so gut es geht zu vermeiden und uns stattdessen Kapital ohne Verwässerungseffekte zu beschaffen. Kapitalerhöhungen wären angesichts des niedrigen Aktienkurses auch nicht sinnvoll. Da wir nun damit beginnen werden, Umsatz zu generieren, stehen uns diverse Möglichkeiten wie zum Beispiel Royalty Deals zur Verfügung.

Oder Sie gehen Partnerschaften ein.
Wir haben viele Interessenten für unsere Produkte. Jetzt, viereinhalb Jahre nach der Gründung von Idorsia, sind wir in einer viel besseren Situation, um einige unserer Medikamente zu verpartnern, da sie weiter fortgeschritten sind und sich der Ziellinie nähern. Beim Schlafmittel Daridorexant werden wir allerdings keine Partnerschaft eingehen.

Wann wird Idorsia profitabel?
Dieser Zeitpunkt rückt näher und näher. Im Februar werden wir einen neuen Ausblick für das Unternehmen geben. Mit dem Verkauf der ersten beiden Produkte starten wir im April beziehungsweise im Mai, bis zum Erreichen der Gewinnschwelle dauert es also noch eine gewisse Zeit. Grundsätzlich existieren zwei Stra­tegien für Biotech-Unternehmen. Profitabilität ist kein Muss. Viele Biotech-Gesellschaften schreiben auch nach 25 Jahren keine schwarzen Zahlen und werden deshalb nie nach den Verkäufen bewertet, sondern ausschliesslich nach dem Prinzip Hoffnung. Erstaunlicherweise geht diese Strategie in vielen Fällen auf, denn zahlreiche Fonds sind bereit, über einen langen Zeithorizont in umsatzlose Unternehmen zu investieren.

Dann haben Sie keine Eile?
Ich bin der Ansicht, dass ein Unternehmen so schnell wie möglich profitabel werden sollte, da mit der Profitabilität die Beschaffung von weiterem Kapital ­obsolet wird. Um profitabel zu werden, muss man allenfalls Projekte auslizen­zieren. Das ist der Preis, den man für die Freiheit bezahlen muss.

Einige Analysten gehen davon aus, dass Idorsia bis 2025 keinen Gewinn erzielen wird und folglich keine Dividende ausschütten kann. Hinzu kommt, dass die ­Aktien in der Vergangenheit immer wieder stärker korrigiert haben. Weshalb sollten Anleger an Idorsia festhalten?
Ich leite das Unternehmen nicht, um den Aktienkurs in die Höhe zu treiben. Ich habe ein Projekt und denke dabei auch an die Menschen. Und ich bin davon überzeugt, dass Idorsia letzten Endes grösser als Actelion wird. Für mich war ­Actelion nur das Aufwärmen. Idorsia ist das eigentliche Projekt.

Idorsia entwickelt elf Medikamente für unterschiedlichste Anwendungsgebiete. Ist die heterogene Pipeline ein Nachteil? Immerhin nutzen Sie so keine Synergien.

Synergien sind etwas für Forscher, die nichts Neues wagen. Ich sehe die Heterogenität sogar eher als Vorteil. Verlässt man sich auf ein einziges Projekt, dann sind die Erfolgschancen äusserst gering.

Dennoch ruht derzeit besonders viel Hoffnung auf dem Schlafmittel Daridorexant.
Daridorexant wird uns die nächsten vierzehn Jahre Wachstum bescheren, so lange hält der Patentschutz. Der Schlafmittelmarkt ist schier unendlich, und ich sehe keine ernstzunehmende Konkurrenz. Aber wir wollen das Wachstum mit anderen Projekten steigern. Und ich denke schon einen Schritt weiter, denn der Tag wird kommen, an dem Daridorexant generisch wird. So weit denken viele Investoren vermutlich nicht, aber wenn man die Verantwortung für ein Unternehmen hat, muss man die Zukunft vor Augen haben.

Kommt es wegen der Pandemie derzeit zu Verzögerungen bei Studien?
In den USA und Europa haben wir Schwierigkeiten bei den Studien zu Clazosentan, da sie auf Intensivstationen durchgeführt werden, die derzeit alle voll sind. Das erschwert die Durchführung.

Wohin geht die Reise für Idorsia? Ist ein ­Verkauf wie bei Actelion ein Thema?
Idorsia steht nicht zum Verkauf. Eigentlich hatte ich auch nie im Sinn, Actelion zu verkaufen. Der Deal mit dem US-Pharmakonzern Johnson & Johnson gab uns jedoch die Möglichkeit, die Arbeit mit ­Idorsia fortzusetzen. Nun möchte ich mit ­Idorsia ein Unternehmen für die Ewigkeit schaffen. Um eine Übernahme zu verhindern, sind meine Frau und ich als Ankeraktionäre beträchtlich investiert. Der Aktienkurs wird folglich nicht von Übernahmegerüchten getrieben, sondern basiert einzig auf unseren Entwicklungserfolgen.

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