Zurück zur Übersicht
16:24 Uhr - 17.09.2015

Bankiers fordern Hilfe gegen Deutschland

Die Bankiers fordern die Politik zum Handeln auf. Die Empfehlungen der Expertengruppe Brunetti sollen rasch umgesetzt werden. «Entscheidend ist, auf Worte Taten folgen zu lassen», sagte Patrick Odier am Bankiertag.

«Wir müssen unsere Wettbewerbsfähigkeit, die wir niemals als selbstverständlich betrachten dürfen, unermüdlich verteidigen. Unsere Wettbewerbsfähigkeit ist kein Recht. Sie ist vielmehr eine konstante Aufgabe an uns selbst.» Das sind die Schlussworte von Bankierpräsident Patrick Odier anlässlich des Bankiertages in Zürich an die Adresse der Mitglieder.

Die Vergangenheit habe die Aufmerksamkeit der Banken viel zu lange beansprucht, zu viel Energie und Aufwand gekostet, sagte Odier im gleichlautenden Referat vor den Medien.

Europa im Zentrum

Der Grossteil der Rede richtet sich allerdings an Bern. Odier formulierte Prioritäten: «Wir müssen Stabilität und Rechtssicherheit gewährleisten, zügig die strategischen Empfehlungen der Arbeitsgruppe um Aymo Brunetti umsetzen und insbesondere eine Lösung für den Marktzugang in Europa finden.»

Die Expertengruppe mit Exponenten aus dem Finanzbereich, der Wirtschaft, Behörden und der Wissenschaft unter der Leitung von Professor Aymo Brunetti hatte in ihrem Schlussbericht im vergangenen Dezember eine Vielzahl von Empfehlungen zu vier Themenbereichen formuliert, die für die Entwicklung des Finanzplatzes zentral seien. Diese Themen sind der Regulierungsprozess, der Zugang zum europäischen Markt, das steuerliche Umfeld in der Schweiz sowie das Too-big-to-fail-Problem der Grossbanken.

Risiko Abwanderung

Nun fordert Bankierpräsident Patrick Odier: «Damit der Schweizer Finanzplatz wettbewerbsfähig bleiben kann, müssen Banken, Politik und Behörden gemeinsam an den optimalen Rahmenbedingungen arbeiten.» Angesichts der immer protektionistischeren Rechtsvorschriften könnte «ein nicht unwesentlicher Teil der Schweizer Substanz der Banken abwandern». Es liegt auf der Hand, dass international aufgestellte Institute wie UBS (UBSG 19.25 -0.88%), Credit Suisse (CSGN 26.07 0.42%) und Julius Bär (BAER 45.65 0.51%) sich aufgrund der bestehenden Unsicherheiten zu Verlagerungen veranlasst sehen könnten und das Thema Marktzutritt auf ihre Weise lösten.

In einer ersten Phase, sagte Odier, müssten bilaterale Verhandlungen mit wichtigen Ländern den Zugang zum europäischen Markt sichern, weil ein (Finanz-)Dienstleistungsabkommen mit der EU unmittelbar nicht in Reichweite ist. Mit Deutschland konnte ein solches Abkommen im vergangenen Juli abgeschlossen werden. Das Staatssekretariat für internationale Finanzfragen hat zum Thema zudem Gespräche mit Frankreich und Italien geführt.

Weiterhin Äquivalenz

Obwohl aus der europäischen Finanzmarktregulierung (Mifid II) das Äquivalenzkriterium herausgefallen ist, eine «Gleichschaltung» der Schweizer Gesetze also nicht die erhoffte Wirkung haben wird, bezeichnete Odier es als «angemessen», weiterhin die Äquivalenz zwischen den schweizerischen und den europäischen Bestimmungen anzustreben. Zu einem Swiss Finish sagen die Banken weiterhin dezidiert Nein. Sie wollen keine Regulierung, die über internationale Standards hinausgeht.

Kein dominierendes Thema mehr war der automatische Informationsaustausch (AIA), obwohl gegenwärtig der parlamentarische Gesetzgebungsprozess läuft. Odier wiederholte die bekannten Kriterien (Reziprozität, Lösung der Vergangenheit, Level Playing Field), die für den AIA mit einem anderen Land gelten müssten, wobei man sich durchaus im Klaren ist, dass bei etlichen Ländern ein Auge zugedrückt werden wird. Odier wollte jedenfalls keine Prognose abgeben, ob auch die USA den AIA in fünf Jahren einführen werden.

Nur ein Standard für den AIA

Neue Sorgfaltspflichten für Nicht-AIA-Länder, wie der Bundesrat sie plant (sogenannte Weissgeldstrategie), lehnen die Bankiers strikt ab. Dies entspreche keiner internationalen Norm. Wichtig ist den Banken, dass es nur einen Standard für den AIA geben soll und kein Nebeneinander verschiedener Systeme. Nicht aus prinzipiellen oder ideologischen, sondern aus Haftungs- und Kostengründen lehnen die Bankiers die Matter-Initiative zum Schutz des Bankgeheimnisses im Inland ab.

Bern soll intervenieren

Dezidiert forderte Odier erneut Schützenhilfe aus Bern in der steuerlichen Auseinandersetzung mit Deutschland. Eine Vielzahl Schweizer Banken und Bankmitarbeiter ist in den letzten Monaten von deutschen Ermittlern kontaktiert worden.

Diese verlangen Auskünfte im Zusammenhang mit mutmasslicher Beihilfe zu Steuerhinterziehung. «Unsere Regierung und unsere Politiker müssen Deutschland darauf hinweisen, dass (…) Gesuche über die internationale Amtshilfe (…) einzureichen sind.» Das sei eine Frage der Achtung der Rechtsstaatlichkeit, der Banken und der schweizerischen Souveränität.

Im Widerspruch zum Regulator

Mit Bezug auf die Grossbanken sagte Odier, die Schweiz müsse «die Anpassung der Eigenkapitalvorschriften parallel zu den internationalen Normen fortsetzen und gleichzeitig jegliche Übertreibung vermeiden, die die Banken ihrer Fähigkeit berauben würde, die Wirtschaft zu finanzieren». Claude-Alain Margelisch, der CEO der Bankiervereinigung, widersprach dabei der Sicht der Schweizer Regulatoren. Diese empfehlen, sich bei der umstrittenen Leverage Ratio an den strengeren US-Vorschriften zu orientieren. Das US-System sei nicht vergleichbar, insistierte Margelisch.

Ein grosses Anliegen ist die vom Brunetti-Bericht ebenfalls geforderte Reform des Regulierungsprozesses, inklusive einer besseren Koordination mit anderen wichtigen Finanzplätzen. Zum Teil sei die Regulierung zu langsam und methodisch nicht sauber. Odier sprach davon, die «Regulierungswut einzudämmen». Konkret stellen sich die Banken eine unabhängige Prüfstelle für Finanzmarktregulierung vor, die «den Regulierern besser auf die Finger schaut», sagte Margelisch.

Hat Ihnen der Artikel gefallen? Lösen Sie für 4 Wochen ein FuW-Testabo und lesen Sie auf www.fuw.ch Artikel, die nur unseren Abonnenten zugänglich sind.

Seite empfehlen



Kopieren Sie den Link [ctrl + c] und fügen Sie ihn in ein E-Mail ein [ctrl + v]. Aus Sicherheitsgründen ist kein Versand von E-Mails direkt vom VZ Finanzportal möglich.