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16:25 Uhr - 03.11.2015

Twint bietet mehr, Paymit hat schon die Nutzer

Der Zweikampf ist eröffnet. Am Dienstag hat die PostFinance-Tochter Twint ihren gleichnamigen Dienst für das Zahlen via Smartphone lanciert.

Twint hat bisher sieben Partnerbanken, die auf die Lösung setzen. Die Kantonalbanken in Bern, Genf, Graubünden, Schaffhausen und Thurgau sowie die Valiant (VATN 112.7 -1.4%) und natürlich die PostFinance. Zusammen sind das 4,5 Mio. potenzielle Kunden. Hier liegt aber auch schon der erste Unterschied zu Paymit.

Letzterer Dienst, an den sich mittlerweile neben UBS (UBSG 19.17 -4.25%), SIX und ZKB auch Raiffeisen sowie die Kantonalbanken aus Genf, Waadt und Luzern angeschlossen haben (Credit Suisse (CSGN 24.4 -1.93%) soll ebenfalls in den Startlöchern stehen), ist als offene Lösung konzipiert. Banken könne die App übernehmen und in ihre Infrastruktur einbauen. Bei Twint schliesst der Bankkunde einen Vertrag mit der PostFinance-Tochter ab, auch wenn er den Dienst via seine Hausbank nutzt. Die Kunden «gehören» damit also zu Twint.

Das muss in erster Linie nur den entsprechenden Banken zu denken geben. Dass bei Twint extra ein virtuelles Konto zum Bezahlen aufgeladen werden muss, stellt hingegen die erste Hürde für Nutzer dar. Paymit greift dagegen direkt auf das angegebene Bankkonto zu. Auch muss man überhaupt nicht Kunde einer Paymit-Bank sein, um den Dienst zu nutzen. Die UBS-Paymit-App bietet die Möglichkeit, eine Kreditkarte anzukoppeln und so Zahlungen abzuwickeln.

Damit haben sich die Vorteile von Paymit gegenüber Twint aber schon. Denn mit Paymit kann man sich im Moment nur von Privat zu Privat Geld hin und her schicken. Die Nutzungsintensität dieser reinen P-to-P-Lösung ist gering.

Mit dem Smartphone zahlen

Twint wartet ab dem Start sofort mit der Möglichkeit auf, an der Kasse zu zahlen (Point of Sale). Das Smartphone stellt dabei via Bluetooth-Übertragungstechnik, über die jedes Handy heute verfügt, eine Verbindung zu einer speziell an der Kasse eingerichteten Schnittstelle her. Hier könnte tatsächlich in kurzer Zeit ein kritischer Umsatz erreicht werden. «Twint soll der Standard für das mobile Bezahlen in der Schweiz werden», gibt sich Twint-CEO Thierry Kneissler selbstbewusst. Beim Handel scheint Twint punkten zu können. Twint-Transaktionen sind günstiger als beispielsweise Kreditkartenzahlungen.

Bisher kann man bereits in 250 Geschäften, Restaurants, Bars und Online-Shops in der Schweiz mit Twint bezahlen. An über 100 Coop-Kassen, im Stade de Suisse, in Einrichtungen der SV Group, an SBB-Billettautomaten im Bahnhof Bern und an den Schaltern der Post. Ende Jahr sollen es mindesten 5000 Kassen (300 davon bei Coop) sein. Im Frühling 2016 will Twint an allen Coop-Kassen präsent sein, teilten am Mittwoch unter anderem Twint-CEO Kneissler und Coop-IT-Chef August Harder vor den Medien mit.

Bis jetzt habe man bereits einige zehntausend Nutzer, nächstes Frühjahr sollen es 200’000 bis 300’000 sein. Man werde weitere zwei bis vier Jahre kräftig investieren. Ab 50’000 bis 100’000 Transaktionen pro Jahr werde man dann profitabel sein.

Gegen die Karte

Dennoch bleibt abzuwarten, ob der Dienst entsprechend vom Konsumenten angenommen wird. Grundsätzlich werden die meisten Transaktionen an Schweizer Kassen noch in Bargeld abgewickelt. Und schon heute gibt es die Möglichkeit des kontaktlosen Zahlens mit Kredit- oder Girokarte. Twint muss sich dagegen als praktikabler erweisen. Das sei es, ist Kneissler natürlich überzeugt. Bei Zahlungen über 40 Fr., wo auch bei kontaktlosen Kartenzahlungen eine Pin-Eingabe erforderlich ist, sei Twint schneller, weil hier nur ein Fingerdruck auf das Smartphone notwendig sei.

Paymit wartet zumindest heute noch nicht mit der Möglichkeit der Zahlung am Point of Sale auf. Aus dem Umfeld der Entwickler ist aber zu hören, dass man kommendes Jahr mit entsprechenden Lösungen nachziehen wolle. Und zwar dort, wo das Zahlen via Smartphone eine wirkliche Verbesserung darstelle und nicht bisherige bargeldlose Zahlungsmethoden konkurrenziere.

Der Laden um die Ecke, der noch keine Kartenzahlung zulässt, oder der Marktstand wird also ins Visier genommen. Genau das macht Twint aber heute schon. Indem der Dienst auch eine Händler-App anbietet, mit der Zahlungen auf einem Händler-Smartphone oder -Tablet angefordert und verwaltet werden können.

Twint hat vom Start weg mehr Möglichkeiten im Angebot, Paymit dagegen bereits rund 130’000 Nutzer. Der Konkurrent muss nun erst einmal die Werbetrommel rühren und eine kritische Masse erreichen.

Jetzt kommt MasterCard

Ob sich Twint an der Kasse durchsetzt, ist also fraglich, sehr aussichtsreich sieht dagegen die E-Commerce-Lösung aus. Viele Zahlungen bei Online-Shops werden in der Schweiz heute mit Kreditkarte erledigt. Die Eingabe von Kartennummer, Name und Adresse, Sicherheitsnummer und Passwort kann dabei zur nervtötenden Prozedur werden. Twint bietet nun die Möglichkeit, einfach und schnell durch das Abfotografieren eines QR-Codes oder die Eingabe eines einfachen Zahlencodes zu bezahlen. «Das Einfachste, was ich bisher gesehen habe», sagt Roger Wäfler, Geschäftsführer des Online-Beauty-Shops Haar-shop.ch, der die neue Zahlmethode anbietet.

Ob Twint oder Paymit, allein bleiben die beiden Dienste, die für sich in Anspruch nehmen, eine nationale Lösung zu sein, nur bis Mittwoch. Dann lancieren die Aduno-Gruppe, Netcetera und Swisscard mit ihrem Gemeinschaftsunternehmen Swiss One Wallet eine weitere mobile Bezahllösung. Sie basiert auf dem internationalen Standard Masterpass des Kreditkartenkonzerns MasterCard und kann mit Kreditkarten verschränkt werden. Dann kann anders als bei Paymit und Twint der Schweizer Kreditkartennutzer auch im Ausland mit dem Smartphone zahlen.

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