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14:26 Uhr - 15.08.2022

Prosegur tritt als Aschenputtel auf

Die spanische Sicherheitsgesellschaft wird an der Börse verschmäht und wartet darauf, entdeckt zu werden.

Aktien geben immer mal wieder Rätsel auf. Ein aktuelles Beispiel sind die des spanischen Sicherheitsdienstleisters Prosegur (PSG 1.80 -0.88%) Compañía de Seguridad, kurz Prosegur; FuW hatte sie im Frühling letzten Jahres vorgestellt. Das Finanzinformations- und Analyseunternehmen Morningstar (MORN 260.00 +0.93%) führt sie unter den zwölf am meisten unterbewerteten Titeln Europas, und die grosse Mehrheit der Finanzhäuser empfiehlt sie zum Kauf – mit einem durchschnittlichen Kursziel von 3.05 €, was dem Kurs rund 65% Potenzial eröffnet.

Doch dieser macht bislang wenig Anstalten, sich hochzustemmen und dem Kursziel anzunähern. Sein Verlauf enttäuscht. Nach wie vor notieren die Aktien deutlich unter dem Vor-Pandemie-Niveau, obwohl einiges für die in Madrid ansässige Gruppe spricht.

Prosegur ist in sechsundzwanzig Ländern, Tendenz steigend, auf allen Kontinenten mit mehr als 150’000 Angestellten vertreten. Die Gesellschaft agiert über fünf Geschäftsfelder. Zu den drei angestammten, Security, Cash und Alarms, haben sich in jüngerer Zeit noch Cipher (Cybersecurity) und Avos (Added-value outsourcing services) gesellt; beide befinden sich noch im Aufbau (vgl. Grafik 1).

Ertragsbringer LatAm

Geografisch dominiert Lateinamerika mit einem Umsatzanteil von 49% im vergangenen Jahr, gefolgt von Europa und dem Rest der Welt (vgl. Grafik 2). LatAm ist auch die mit Abstand profitabelste Region mit einem viermal so hohen Vorsteuergewinn wie Europa. Der Rest der Welt machte im vergangenen Jahr Verlust, wohl auch als Folge der Investitionen in den Aufbau des US-Marktes.

Die Aktivitäten von Prosegur sind an sich defensiv. Die Coronapandemie hatte allerdings erhebliche Auswirkungen, auch im vergangenen Jahr. Weniger Bargeldumlauf (Cash) und weniger Veranstaltungen (Security) sind nur zwei Stichworte dazu. Der Umsatz stagnierte 2021, die am Betriebsgewinn (Ebit) gemessene Marge – im Vorjahr durch einen Einmaleffekt weit überzeichnet – fiel gar auf ein Vieljahrestief (vgl. Grafik 3).

Besserung ist in Sicht. Schon das laufende Jahr verspricht eine spürbare Erholung; die Aktien haben jüngst etwas angezogen. Der Halbjahresumsatz lag 22% über Vorjahr, der entsprechende Ebit gar 45%. Gemäss Analystenschätzungen sind auch in den Folgejahren Wachstum und Profitabilitätssteigerungen zu erwarten. Marktforscher sagen gemäss Prosegur für alle abgedeckten Gebiete Wachstum voraus, für Security 5,9%, für Cash 7,6% im jährlichen Schnitt bis 2028. Letzteres wirkt allerdings hoch.

Etliche Bewertungsgrössen bewegen sich auf einem Vieljahrestief. Das auf das nächste Jahr gerichtete Kurs-Gewinn-Verhältnis von 8 bis 9 war in den letzten zehn Jahren nie geringer.

Interessant ist in dem Zusammenhang der Vergleich mit der eigenen Cash-Sparte. Sie ist unter dem Namen Prosegur Cash seit 2017 ebenfalls kotiert und wird zu knapp 80% von Prosegur kontrolliert. Dieser Anteil hat einen Börsenwert von rund 840 Mio. €. Da Prosegur selbst nur 1 Mrd. € auf die Waage bringt, werden alle anderen Aktivitäten der Gruppe, darunter Security, mit nur 160 Mio. € bewertet. Bezogen auf Umsatz und Ergebnis ergeben sich daraus Werte, die massiv niedriger sind als die der schwedischen Sicherheitsgruppe Securitas (SECUBs 100.40 +0.10%).

Und doch kommen die Aktien Prosegur kaum vom Fleck. Ein Hindernis: Prosegur ist eine Familiengesellschaft mit nur 32% Streubesitz. Das erschwert Engagements von institutionellen Investoren. Kontrolliert wird das Unternehmen von Helena Revoredo, Witwe des Unternehmensgründers Herberto Gut und Mutter von CEO Christian Gut. Die frühere Direktorin von Banco Popular präsidiert auch den Verwaltungsrat.

Unter Wert gehandelt

Unter anderen Verhältnissen wäre es womöglich nicht zu dem unnötig wirkenden Börsengang von Prosegur Cash gekommen. Womöglich wäre auch die Expansion in die Cybersecurity – ein Sicherheitsgeschäft ganz anderer Art – und in das branchenfremde Avos-Geschäft (unter anderem Back- und Front-Office-Aufgaben, primär für den Finanzsektor) unterblieben.

Möglich ist zudem, dass Anleger die Aussichten des Cash-Geschäfts (Geld- und Wertwarentransporte, Geldautomatenbewirtschaftung) kritischer beurteilen als das Unternehmen und die angeführten Marktforscher. Die Inflation sollte den Geldumlauf zwar beschleunigen. Doch die Pandemie hat die Bezahlgewohnheiten verändert – Bargeld hat an Bedeutung eingebüsst, mutmasslich dauerhaft. Dementsprechend verzeichnet auch das schwedische Geldtransportunternehmen Loomis eine Werteinbusse, allerdings in geringerem Masse als Prosegur.

Die Bilanz dagegen sollte kein Anlagehindernis sein. Sie verdient sich zwar keine Lorbeeren, doch das Rating BBB von Standard & Poor’s verortet Prosegur im Investment-Grade-Bereich. Die Cashflow-Generierung ist gut.

Alles in allem wirken die Aktien auch unter Berücksichtigung der Nachteile günstig. Selbst wenn nicht alles optimal ist: Prosegur Compañía de Seguridad sind eine Wette wert. Wer sie bereits im Depot hat, sollte ihnen noch etwas Zeit geben. Die Voraussetzungen für ein Erstarken des Kurses sind da. Eine andere Frage ist, inwiefern das durchschnittliche Kursziel dabei als Richtschnur dienen kann.

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