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07:19 Uhr - 03.03.2016

Ein Industriemanager mit vielen Talenten

Erst musste er sich bei ABB als Sanierer beweisen. Jetzt hat er sich als Integrator und Stratege durchzusetzen: Claudio Facchin liebt die Herausforderungen. 

Claudio Facchin ist bei ABB (ABBN 18.15 0.39%) der Mann für schwierige Fälle. Erst hatte CEO Ulrich Spiesshofer den 1965 geborenen Italiener geholt, um die problembeladene Division Energietechniksysteme zu sanieren. Jetzt – nach einem erfolgreichen Turnaround – setzt er auf ihn, um sie mit der Sparte Energietechnikprodukte in der neu geschaffenen Division Stromnetze zusammenführen. Und für die neue Division muss Facchin gleichzeitig auch noch eine strategische Überprüfung durchführen.

2013, als Facchin zum Leiter der Division Energietechniksysteme berufen wurde, steckte diese in der Krise. Eine Reihe von Grossprojekten im Offshore-Windsegment und im Solarbereich war aus dem Ruder gelaufen, der Auftragseingang und der Umsatz waren stark rückläufig. Die Betriebsmarge fiel ins Negative, und es resultierte ein operativer Verlust.

Um den Turnaround zu bewerkstelligen, leitete Facchin weitreichende Veränderungen in der Division ein. Damit sollten die Risiken im Projektportfolio gemindert und die Kapazitäten angepasst werden. Er stieg beispielsweise in der Solarindustrie aus dem sogenannten EPC-Geschäft aus, in dem ABB als Generalunternehmer fungiert. Dafür wurden Partnerschaften zur Risikominderung eingegangen. ABB sollte sich in diesen Bereichen fortan auf ihre Kernkompetenz, das Liefern von Energie- und Automationstechnik, Systemintegration und die damit verbundenen Dienstleistungen, beschränken.

Der Erfolg stellte sich schnell ein. Schon 2015 kehrte die Division Energietechniksysteme in die schwarzen Zahlen zurück, Ende des Jahres befand sich die Betriebsmarge wieder im Zielkorridor von 7 bis 11%. Was war ausschlaggebend für den erfolgreichen Turnaround? «Ich kannte die Division und viele Kollegen schon von meiner früheren Tätigkeit in der Division her und hatte auch Erfahrung in den Märkten. Das war sehr hilfreich», sagt Facchin im Gespräch mit der «Finanz und Wirtschaft». «Auch gelang es uns, rasch ein kompetentes Führungsteam zusammenzustellen und ihm eine klare Richtung vorzugeben.»

Seit Anfang Jahr steht Facchin nun der im Zuge einer Reorganisation neu geschaffenen Division Stromnetze vor. Sie ist aus den alten Divisionen Energietechnikprodukte und Energietechniksysteme hervorgegangen, hat einen Umsatz von über 12 Mrd. $ und beschäftigt rund 39 000 Mitarbeiter. Sie bietet Energie- und Automationstechnik für Versorgungsunternehmen, Industriebetriebe sowie Infrastruktur- und Transportfirmen im Bereich Stromnetze an.

Und wieder hat Facchin eine anspruchsvolle Aufgabe: Er muss zwei zuvor getrennt arbeitende Einheiten zu einer zusammenschweissen und das neue Gebilde auch noch einer strategischen Überprüfung unterziehen. Dabei wird alles in Frage gestellt: das Angebotsportfolio, die Organisationsstrukturen, die Geschäftsprozesse, die Eigentümersituation.

Dass im Rahmen der strategischen Überprüfung für die Division Stromnetze alle Optionen auf dem Tisch sind, also neben dem Verbleib bei ABB auch ein Verkauf oder ein Börsengang möglich wären, verunsichert Facchin nicht. «Die neue Division ist eine Chance, Neues zu gestalten und unsere führende Position im Weltmarkt zu bekräftigen», sagt er. Der studierte Maschineningenieur ist seit 1995 bei ABB. Die Schweiz bezeichnet er als «sehr schönes Land mit hoher Lebensqualität».

In seiner spärlichen Freizeit fährt der verheiratete Vater zweier Töchter mit seiner Familie Ski oder geht Tauchen. «Ich kann meine Work Life Balance noch verbessern», sagt Facchin dazu. «In den vergangenen zwei Jahren hatte die Arbeit sicherlich Vorrang, aber mit Blick auf das Ergebnis hat sich das für das Team und mich gelohnt.»

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