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10:21 Uhr - 15.09.2015

«Janet Yellen fehlt es an Mut»

Chris Wood, Anlagestratege des Brokerhauses CLSA, geht davon aus, dass das Fed am Donnerstag eine Zinsnullrunde bekannt geben wird. Chinas Zentralbank jedoch werde den Geldhahn weiter öffnen.

Die ganze Welt redet über den Zinsentscheid der US-Notenbank Federal Reserve diesen Donnerstag. Doch die grösste Bewegung in der Geldpolitik findet derzeit in China statt. Chris Wood, Anlagestratege des Brokerhauses CLSA, geht davon aus, dass das Fed nicht nur diese Woche, sondern bis Ende Jahr den Leitzins nicht anheben wird.

«Der Fed-Vorsitzenden Janet Yellen fehlt es angesichts der schwer zu lesenden Arbeitsmarktdaten an Mut, den längst fälligen Schritt zu machen», sagte Wood Anfang Woche an einer Investorenkonferenz der CLSA in Hongkong.

Chinas Zentralbank unterschätzt Investorenwahrnehmung

Als weit tatenlustiger schätzt er Zhou Xiaochuan ein, den Gouverneur der People’s Bank of China (PBoC). Nachdem die PBoC zwischen November und August den Leitzins bereits fünf Mal hintereinander gesenkt hat, geht Wood davon aus, dass sie in den kommenden Monaten nicht nur weitere geldpolitische Lockerungsmassnahmen ankündigt, sondern dass auch die Landeswährung Yuan weiter abgewertet wird. Der chinesische Leitzins liegt derzeit bei 4,6%. Die PBoC hat damit auch in der Zinspolitik noch viel Handlungsspielraum.

Allerdings erteilt Wood der PBoC in Sachen Kommunikation schlechte Noten. Investoren ausserhalb Chinas hätten die Abwertung des Yuans vom 11. August als Zeichen gewertet, dass die weltweit zweitgrösste Volkswirtschaft in grösseren Schwierigkeiten stecke, als es tatsächlich der Fall sei. Gerade das habe massgeblich zum beschleunigten Abfluss von Kapital beigetragen. Für Wood ist der Kapitalabfluss die Achillesferse der chinesischen Konjunkturpolitik.

Gefährlicher Kapitalabfluss

«Sollte es der Regierung nicht gelingen, diesen Trend zu stoppen, könnte das trotz der hohen Devisenreserven zu einem ernsthaften Problem für die Wirtschaft werden», sagt Wood. Es gelten in China zwar nach wie vor strenge Kapitalverkehrskontrollen, auf deren strikte Einhaltung die Regierung allerdings lange nicht geachtet hat. Das hat sich mittlerweile jedoch geändert, wie unter anderem das Vorgehen gegen einzelne Banken, Exportfirmen oder auch Pfandläden in der chinesischen Zockerenklave Macao gezeigt hat.

Sollten diese Polizeieinsätze keine nachhaltige Wirkung zeigen, könnte das nach Meinung Woods zu einer ernsthaften Bedrohung für die Stabilität der Wirtschaft werden. Denn der rasche Kapitalabfluss würde weitere Zinssenkungen wohl verunmöglichen.

Für den CLSA-Strategen wird sich am kommenden Donnerstag vor allem zeigen, wer im Fed den Ton angibt: «Sollte es wider Erwarten zu einer Zinserhöhung kommen, so wäre das ein klares Zeichen dafür, dass der stellvertretende Vorsitzende Stanley Fischer der starke Mann der amerikanischen Notenbank ist.» Zwar könne sich auch Fischer nicht auf aussagekräftigere Konjunkturdaten stützen, doch gehe es ihm wahrscheinlich vor allem darum, mit einer Zinserhöhung die Glaubwürdigkeit des Fed wiederherzustellen.

Nutzlose Stützungsbemühungen

Einen längst fälligen geldpolitischen Entscheid weiter vor sich herzuschieben, wäre ihm unterdessen «einfach peinlich», meint Wood. Nicht nur mit der US-Notenbank, auch mit der Europäischen Zentralbank geht er hart ins Gericht. «Die Anleihenkäufe haben der Realwirtschaft nicht geholfen, sondern nur zur Bildung von Spekulationsblasen an den Finanz-, den Immobilien- und den Kunstmärkten geführt.»

Es sei kein Zufall, dass in den vergangenen Jahren gerade die Luxusgüterindustrie eine Boomphase erlebt habe, während die Löhne breiter Schichten stagnierten. Damit konnte auch der Privatkonsum nicht zu einem Wachstumsmotor werden. Die Hausse an den Börsen sei vor allem von den Aktienrückkäufen der Unternehmen angetrieben worden.

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