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13:50 Uhr - 15.06.2020

Wenn der Covid-Kredit unerträglich wird

Experten warnen vor einer Unternehmenspleitewelle. Das staatlich gestützte Liquiditätsprogramm könnte dabei eine unrühmlich Rolle spielen.

Mehr als 15 Mrd. Fr. haben Schweizer Gesellschaften mittlerweile an sogenannten Covid-Krediten bezogen. Vor allem für die kleinsten Unternehmen der Schweiz waren sie ein ­Rettungsanker, der ihnen ermöglichte, im Lockdown nicht unterzugehen. Doch während jetzt die Wirtschaft zaghaft wieder anfährt, stellt sich die Frage der langfristigen Tragbarkeit dieser neuen Schulden. Bereits wird vor einer Pleitewelle gewarnt. Der Bund muss sich wappnen.

Bis zu 0,5 Mio. Fr. zum Nullzins. Bis zu 20 Mio. Fr. zu 0,5%. Nie war Geld für Schweizer Unternehmen billiger zu haben als in der Coronakrise. Doch auch diese Mittel müssen abgestottert werden. Wenn nach dem Ende der Laufzeit von maximal sieben Jahren ein Unternehmen den Covid-Kredit nicht zurückzahlen kann, geht das Problem von der Bank an den Bund über, der für die Ausleihungen bürgt. Eine staatliche Bürgschaftsorganisation zahlt die Bank aus «und nimmt ihren Platz gegenüber dem Schuldner ein», sagt Ruben Masar, Anwalt für Ge­sellschaftsrecht bei der Kanzlei Vischer. «Sie kann dann eine Betreibung bzw. ein Konkursverfahren anstossen.» Für einige Unternehmen könnte diese Stunde aber schon viel früher schlagen.

Plötzlich überschuldet

Noch sind Covid-Kredite bis zu 0,5 Mio., die mit über 13 Mrd. Fr. das Gros am ­Gesamtvolumen bilden, buchhalterisch keine Belastung für die Unternehmen. Das ändert sich am 1. April 2022. Dann müssen sie als Fremdkapital bilanziert werden. «So kann es einem Unternehmen passieren, dass es plötzlich überschuldet ist», sagt Masar. «Wenn ein Unternehmen ein negatives Eigenkapital, sprich mehr Passiven als Aktiven hat, muss es Konkurs anmelden», sagt Oliver Blum, Legal Leader Industries Switzerland bei der Beratungsgesellschaft EY. Aber bereits davor muss der Verwaltungsrat (VR) eines Unternehmens in Schieflage Sanierungsmassnahmen ergreifen. «Wenn sie nicht funktionieren, ist der Verwaltungsrat allerdings persönlich haftbar.»

Wie viele Unternehmen hier tatsächlich auf eine Klippe zusteuern, ist zurzeit schwer abzuschätzen. Gemäss einer Auswertung der NZZ (NZZ 5250 -0.47%) haben die Konkurse im Vergleich zum Vorjahr noch nicht zugenommen. Auch auf Nachfrage bei Banken und KMU-Kreditplattformen heisst es, die Schweizer Unternehmen zeigten sich robust. Das mag auch an den staatlichen Massnahmen liegen. Der Bund allein wirft gewaltige Summen auf: Zum einen bürgt er für 40 Mrd. Fr. an ­Covid-Krediten, zum andern wurden allein rund 31 Mrd. Fr. für das Instrument der Kurzarbeit gesprochen.

Doch auch die ist auf maximal zwölf Monate ausgelegt. So ruht die Hoffnung nun vor allem auf dem wirtschaftlichen Aufschwung. Er werde laut Zürcher Kantonalbank (ZKB) aber abhängig sein von den Massnahmen zur Eindämmung des Virus, der Entdeckung eines Impfstoffs, der Schwere einer allfälligen zweiten Infektionswelle und der Konjunktur im Ausland. Für 2020 sieht die Lage jedenfalls düster aus.

«Das Risiko deutlich steigender Firmenkonkurse und dauerhaft erhöhter Arbeitslosigkeit ist nicht von der Hand zu weisen», schreibt die ZKB. Drastischer hat es unlängst der Präsident des Wirtschaftdachverbands Economiesuisse, Heinz Karrer, gegenüber den Tamedia-Medien ausgedrückt: «Auf die Schweiz kommt eine gewaltige Konkurswelle und eine Arbeitslosigkeit zu, wie wir sie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr gesehen haben.»

Kleine besonders betroffen   

Ein erhöhtes Risiko dürften dabei die Covid-Kreditnehmer haben. Total sind es über 128 000. Fast 50% von ihnen haben weniger als zehn Mitarbeiter, über ein Drittel weniger als fünfzig. Sie haben im Schnitt 105 000 Fr. aufgenommen. Diese kleinen Gesellschaften sind in der Unternehmenslandschaft gemeinhin mit den geringsten Reserven und den dünnsten Margen unterwegs. Eine Tragbarkeits­prüfung fand für sie aus Zeitgründen bewusst nicht statt. Zwar haben die Kreditanträge stark nachgelassen, die Befürchtung des Bundes, die Anträge könnten über die zuvor gesetzte 20-Mrd.-Marke hinausschiessen, ist nicht eingetroffen. Auch weil die Schweizer KMU laut EY-Mann Blum grundsätzlich vorsichtig mit der Aufnahme von Fremdkapital sind.

Wie Credit Suisse (CSGN 9.33 -1.29%) in einer Studie vom Donnerstag schreibt, sei aber absehbar, dass nicht alle KMU ihre Covid-Kredite vollumfänglich bedienen könnten. Bereits existieren Vorschläge, was in diesem Fall getan werden könnte. Der Vizepräsident der Schweizerischen Nationalbank, Jean-Pierre Danthine, forderte unlängst gegenüber «Finanz und Wirtschaft», den betroffenen Unternehmen die Möglichkeit einzuräumen, die Covid-Kredite durch Vorzugsaktien abzulösen, sprich, das Fremd- in Eigenkapital zu wandeln. Von der ­politischen Linken erklingt bereits die ­Forderung nach einem Schuldenerlass.

Das Parlament hat dem Bundesrat diese Woche den Auftrag erteilt, darauf zu achten, dass die Rückzahlung der Covid-Kredite nicht zu einer Konkurswelle führt. Was das konkret bedeutet und ob es tatsächlich zu Massenpleiten kommt, wird sich zeigen. «Sollte es dazu kommen, wird der Bund sich etwas überlegen ­müssen», sagt EY-Mann Blum. «Wenn am Ende aber nur ein paar Dutzend kleine und mittlere Unternehmen in Schieflage geraten, werden Bund und Banken sie wohl nicht auffangen.»

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