Die Schweizer Börse zeigt exemplarisch die möglichen Folgen des Scheiterns der Verhandlungen mit der EU zum Rahmenabkommen.
Das Rahmenabkommen mit der EU ist gescheitert. Über die Folgen für die Schweizer Wirtschaft und die Bevölkerung wird viel spekuliert. Doch in einem Bereich sind die Konsequenzen gut messbar: in der Welt der Aktienmärkte.
Seit dem 3. Januar 2018 geniesst die Schweizer Börse SIX gemäss der EU-Richtlinie Mifid II/Mifir den Status eines äquivalenten Drittlandhandelsplatzes. Nur damit können Marktteilnehmer aus der EU weiterhin Liquidität am Schweizer Markt bereitstellen, ohne EU-Richtlinien zur Erhöhung der Markttransparenz, der Marktstabilität und des Anlegerschutzes zu verletzen. Ohne Börsenäquivalenz kann SIX nur noch Schweizer Aktien handeln und auch nur den Teil, der nicht an einer EU-Börse gehandelt wird.
Just so ein fataler Quasi-Ausschluss für SIX wurde Tatsache, als die EU die Anerkennung der Schweizer Börse ab Mitte 2019 nicht mehr verlängern wollte, um so Fortschritte bei den Verhandlungen über das Rahmenabkommen zu erzwingen.
Vor diesem Hintergrund führte der Schweizer Bundesrat am 1. Januar 2019 als Schutzmassnahme eine Anerkennungspflicht für ausländische Handelsplätze ein, die mit Schweizer Aktien handeln. Sie erhalten keine Anerkennung der Finma, wenn sie den Aktienhandel an der SIX einschränken. Der EU-Handel mit Schweizer Aktien wird damit zum Faustpfand. Das Ultimatum der EU ist am 30. Juni 2019 ausgelaufen.
Dank der cleveren Schutzmassnahmen des Bundesrats ist das befürchtete Chaos am Schweizer Aktienmarkt jedoch ausgeblieben. Die Aufhebung der Börsenäquivalenz hat SIX auf den ersten Blick nicht geschadet. Im Gegenteil, der Handelsumsatz ist deutlich gestiegen. Die Folgen des Schwexit lassen sich allerdings nicht allein am Umsatz messen.
Um Aktien zu handeln, braucht es Liquidität. Im umgekehrten Verhältnis dazu stehen die Transaktionskosten. Hierbei handelt es sich keineswegs um vernachlässigbare Beträge. Grundsätzlich gilt, dass jeder Handel Transaktionskosten verursacht. Am Finanzmarkt werden damit Kosten für die Infrastruktur der Börse sowie anderer Dienstleister kompensiert. Zudem bestehen weitere, indirekte Transaktionskosten. Sie sind zwar weniger transparent und schwieriger messbar, aber deutlich relevanter. Indirekte Transaktionskosten entstehen durch die Bereitstellung von Liquidität im Handel.
Zum einen muss ein professioneller Händler Kapital bereitstellen, um eine Transaktion zu vermitteln. Zum anderen enthalten Transaktionen wertvolle Informationen über das der Aktie zugrundeliegende Unternehmen. Will ein Marktteilnehmer eine bestimmte Aktie kaufen oder verkaufen, liegen der Transaktion in der Regel gute oder schlechte Nachrichten über den Wert des Unternehmens zugrunde. Der ursprüngliche Preis ist also per Definition falsch. Entsprechend verschiebt bereits ein Kauf- oder Verkaufsangebot den Kurs zuungunsten des Akteurs.
Die Aufhebung der Börsenäquivalenz hat die indirekten Transaktionskosten stark verändert. Die indirekten Transaktionskosten hängen von der Liquidität der Aktie und der Märkte ab. Je illiquider, desto grösser sind die indirekten Effekte. Werden Schweizer Titel nur in der Schweiz gehandelt, sinkt die Liquidität.
Genau dieser Fall ist eingetreten. Eine unveröffentlichte Studie des SFI (Swiss Finance Institute) in Zusammenarbeit mit Forschern der EZB zeigt, dass der Börsen-Schwexit weitreichende Folgen für die Liquidität Schweizer Aktien hat. Zwar ist das Handelsvolumen stabil geblieben, Indikatoren für Liquidität haben sich aber signifikant verschlechtert: Die Gesamtzahl der Transaktionen ist gesunken, die Transaktionsgrösse gestiegen und die Tiefe der besten Bid und Ask Quotes gefallen. Der effektive Bid-Ask Spread ist für die Marktteilnehmer ist also gestiegen (vgl. Grafik).Gleiches gilt für den Preis-Impact einer Transaktion. Auch die adverse Selektion ist gestiegen und hierdurch die indirekten Transaktionskosten. Letztlich ist die Liquidität der Schweizer Aktien gesunken.
Die geringere Liquidität erhöht die Kosten für die Anleger und hat langfristig negative Auswirkungen auf die Kapitalkosten der Unternehmen. Dies wiederum verändert deren Investitionsverhalten, was auch die Allgemeinheit betrifft. So werden die Kosten des Börsen-Schwexit letztlich von uns allen getragen.
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