Zurück zur Übersicht
12:50 Uhr - 20.11.2019

Die riskante Verlockung höherer Zinsen

Nach dem Trauerspiel der vergangenen Jahre wagen sich Investoren wieder in die Lokalwährungsanleihen der Schwellenländer. Die Risiken sind bekannt.

Eine Frage plagt Anleger besonders: Was tun mit den auslaufenden Obligationen? Wer die Mittel in Staatsanleihen europäischer Länder reinvestiert, muss mit negativen Renditen rechnen. Wer stattdessen Aktien kauft, läuft Gefahr, dass das Portfolio stark von der Börsenentwicklung abhängig wird.

Einen Ausweg könnten Schwellenländeranleihen bieten (Emerging Markets Bonds, EmMa-Bonds). Die Schuldtitel liefern weiterhin Rendite und werden mit grosser Wahrscheinlichkeit auch zurückbezahlt, vorausgesetzt, man fällt nicht auf notorisch säumige Schuldner wie Argentinien oder heruntergewirtschaftete Erdölstaaten wie Venezuela herein.

Doch risikolos sind auch die Renditen der EmMa-Bonds nicht. Mit den steigenden Kursen sind die Marktzinsen dieses Jahr weiter gesunken. Die Dollaranleihen weisen im Durchschnitt eine Rendite von 5% aus, rund 300 Basispunkte (Bp) bzw. 3 Prozentpunkte mehr als US-Staatsanleihen mit vergleichbarer Laufzeit. In den letzten zehn Jahren haben die Renditeaufschläge der EmMa-Bonds mehrmals dieses tiefe Niveau erreicht. Für längere Zeit unter 300 Bp lagen sie nur in der Phase vor der Finanzkrise, einer von Kreditexzessen und kräftigem Wirtschaftswachstum geprägten Zeit. Heute sind die Konjunktur- und Bonitätsaussichten weniger optimistisch als damals. Jüngst hat die Ratingagentur Moody’s den Ausblick für die Bonitätsnote verschiedener Schwellenländer auf «Negativ» gesetzt. Angesichts der tendenziell sinkenden Kreditqualität ist ein Renditeaufschlag von 300 Bp ein bescheidener Risikopuffer.

Geringer Zinsvorteil

Anleihenprofis setzen daher wieder verstärkt auf Anleihen, die auf Peso, Rupiah oder Rubel lauten (vgl. Interview mit Sergei Strigo). Die Lokalwährungsanleihen locken mit höheren Zinsen, auch wenn das auf Ebene des Index GBI-EM Global nicht erkennbar ist – der rentiert auch etwa 5%.

Gemäss Peter Becker, Schwellenländerbondexperte bei Capital Group, liegt das am grösseren Gewicht von Emittenten mit hoher Bonität im Lokalwährungsindex: «Würde man den Hartwährungsindex EMBI gemäss den Ländergewichten des GBI-EM zusammenstellen, läge der Zins des Lokalwährungsbonds etwa 2 Prozentpunkte darüber», sagt Becker. Der Renditevorteil wird auch beim direkten Vergleich der Zinsen von zehnjährigen Dollarbonds mit den lokalen Papieren ersichtlich. Gut drei Prozentpunkte beträgt der Vorteil bei grossen Schuldnern wie Mexiko oder Indonesien.

Tief gefallene Währungen

«Die Zinsen nähern sich dem Niveau der Industrieländer an,» sagt Costas Vayenas, Berater bei Wellershoff & Partners. Zwischen den einzelnen Ländern gebe es aber erhebliche Unterschiede. Doch der Haupteinflussfaktor bei Lokalwährungsbonds ist ohnehin die Währung. Sie macht den Zinsvorteil im Nu zunichte. «Lokalwährungsanleihen sind für Anleger aus dem Dollar- oder Frankenraum eine Währungswette», sagt Vayenas. Das verdeutlicht die historische  Performance im Vergleich zu Hartwährungsbonds. Wegen der Abwertung hat der Lokalwährungsindex trotz hoher Coupons seit 2012 in Dollar gerechnet eingebüsst. Die Phase war von einer Umkehr der US-Geldpolitik und einem Erstarken des Dollars geprägt.

«Die Währungen sind auf dem tiefsten Niveau seit Lancierung des GBI-EM-Index 2005», sagt Becker. Das birgt Chancen, wenn man annimmt, dass sich Wechselkurse langfristig um ein Niveau bewegen, das die Preisentwicklung in den beiden Währungsräumen spiegelt. Diese Meinung vertritt Vayenas: «Das Konzept der Kaufkraftparität hat sich bei der Beurteilung von Schwellenländerwährungen bewährt.» Gemäss Kaufkraftparität seien derzeit viele Schwellenländerwährungen unterbewertet. Als Beispiel nennt er den brasilianischen Real. Da sich Phasen der Unter- oder Überwertung aber lange halten können, brauchen Anleger in lokalen brasilianischen Anleihen einen sehr langen Atem.


Die Währung macht’s aus

Schwellenländer-Bonds lassen sich grob in zwei Kategorien einteilen: Hartwährungs- und Lokalwährungsanleihen. Hartwährungsbonds werden grossteils in Dollar herausgegeben und sind ans internationale Publikum gerichtet. Wer darin investiert, muss einschätzen, ob der Emittent die Papiere bedienen kann. Wie bei Unternehmensanleihen geht der Anleger ein Kreditrisiko ein, wofür er eine Prämie erhält. Sie entspricht dem Renditeaufschlag (Spread) zu einer sicheren Anleihe in gleicher Währung mit gleicher Laufzeit. Für den Gesamtertrag ist neben dem Ausfallrisiko die Entwicklung der US-Zinsen entscheidend. Die Benchmark dieser Anlageklasse ist der EMBI Global Index. Er umfasst Bonds im Wert von 1100 Mrd. $ von insgesamt 70 Ländern.

Das grosse Wachstum fand in den vergangenen Jahren aber bei Anleihen in lokaler  Währung statt. Länder können auf diese Weise internationale Kredite aufnehmen, wenn man das Vertrauen der Investoren in die Stabilität der Valuta des Landes gewonnen hat. Die Bonität der Emittenten in der Regel etwas höher als am Markt für Fremdwährungsbonds. Lokalwährungsanleihen der Schwellenländer sind eine komplexe Anlageklasse: Zum Ausfallrisiko kommt das lokale Durations- und das Währungsrisiko hinzu. Die Benchmark ist der GBI-EM Global Index von JPMorgan. Dieser umfasst rund 1,3 Bio. $ an Anleihen aus rund 15 Staaten. China und Indien sind wegen der Investitionshürden nur in den breiter gefassten Indizes vertreten.

Hat Ihnen der Artikel gefallen? Lösen Sie für 4 Wochen ein FuW-Testabo und lesen Sie auf www.fuw.ch Artikel, die nur unseren Abonnenten zugänglich sind.

Seite empfehlen



Kopieren Sie den Link [ctrl + c] und fügen Sie ihn in ein E-Mail ein [ctrl + v]. Aus Sicherheitsgründen ist kein Versand von E-Mails direkt vom VZ Finanzportal möglich.