Männliche, interne Kandidaten haben die besten Chancen für den Chefposten. Schweizer haben zu wenig internationale Erfahrung.
Um den Topjob in einem Schweizer Konzern zu landen, braucht es viel Sitzleder – und das richtige Geschlecht. Vierzehn Jahre sind die Manager durchschnittlich im Amt, bevor sie sich Chief Executive Officer (CEO) nennen dürfen. Waren sie in dieser Zeit für dieselbe Firma tätig, stehen die Chancen am besten, dass sie es zum Konzernchef schaffen: 64% der im Jahr 2019 in der Schweiz beförderten CEO waren interne Kandidaten, im Vorjahr waren es lediglich 58%. Fast alle Schweizer CEO von grösseren Konzernen sind Männer.
Zu diesem Schluss kommt eine Studie des Beratungsunternehmens Heidrick & Struggles, die die Laufbahn von 900 CEO global untersucht hat. In der Schweiz sind die Chefs durchschnittlich 54 Jahre alt und sind mit fünfzig in die CEO-Position gerückt. Das ist etwas jünger als ausländische Konzernchefs. Fast jeder zweite Chef eines Schweizer Konzerns ist Ausländer (46%). In grossen Volkswirtschaften wie den USA oder China ist der Ausländeranteil mit 7 respektive 1% viel geringer.
Diversity-Schlusslicht
Für Frauen bleibt es sehr schwierig, in den Topjob vorzurücken. International sind sie aber auf dem Vormarsch. Im letzten Jahr wurde fast ein Zehntel aller CEO-Vakanzen durch Frauen besetzt. Der Anteil weiblicher CEO liegt mit 5% weiter ausgesprochen tief.
In der Schweiz sieht es noch schlechter aus. Bei den fünfzig untersuchen Unternehmen aus dem SMI (SMI 10683.68 31.52) Expanded gibt es lediglich eine Chefin: Magdalena Martullo-Blocher ist seit 2004 CEO der Ems-Chemie (EMSN 626 -3), eines Konzerns mit 2,3 Mrd. Fr. Umsatz (2018) und knapp 3000 Mitarbeitern.
«Bei der Gender Diversity bewegt sich die Schweiz im globalen Vergleich am unteren Ende», sagt Oliver Schiltz, Rekrutierungsexperte bei Heidrick & Struggles. Das ist eine Untertreibung. Die Schweiz ist bei der Diversität ein globales Schlusslicht: Nur Deutschland (ebenfalls 2%) und China (1%) schneiden beim CEO-Frauenanteil schlechter ab.
Gemäss Schiltz sind international die meisten weiblichen CEO in der Konsumgüterbranche zu finden, die wenigsten im Technologiebereich. Am meisten weibliche CEO gibt es in Norwegen (16%), Belgien (10%) sowie Frankreich und den USA (beide 8%). Besonders in nordischen Ländern sei der Frauenanteil angesichts ausgebauter Familieninfrastrukturen wie Krippen oder flexibler Arbeitszeitmodelle verhältnismässig hoch, sagt Schiltz.
Obschon sich auch die Unternehmen mehr Diversität wünschen, bewegt sich in der Schweiz auf Stufe operativer Führung wenig. Für Schiltz ist deshalb klar: «Wir werden in der Schweiz nicht um eine Quote herumkommen, wenn der CEO-Anteil signifikant erhöht werden soll.»
Schweizer Stubenhocker
Für CEO-Anwärter kann es ein Vorteil sein, vor dem Sprung aufs Kommandodeck bereits im Unternehmen tätig gewesen zu sein. Lediglich ein Drittel der 2019 zum CEO ernannten Manager kam von ausserhalb. Dieser Trend hat sich akzentuiert. Gemäss Schiltz ist das auf eine gewisse Risikoaversion zurückzuführen. Interne Kandidaten werden als die «sichere Wette» angesehen.
Überhaupt seien Sicherheitsdenken und lokale Verwurzelung nicht nur bei den Konzernen, sondern auch bei lokalen CEO-Kandidaten besonders ausgeprägt. «Schweizer Chefs suchen einen Arbeitsplatz, der nicht weiter als zwanzig Minuten von zu Hause weg liegt», stellt Schiltz fest. Schweizer Spitzenkräfte hätten eine geringe Bereitschaft, für die Karriere wegzuziehen. Es sei bequemer, da zu bleiben. In der Schweiz könne man karrieremässig etwas erreichen, ohne an die «Schmerzgrenze» gehen zu müssen.
Diese Bequemlichkeit kann ein Problem sein: «Es ist schwierig, Schweizer CEO zu finden, die ihr Rüstzeug im Ausland geholt haben», sagt der Headhunter. Es gebe nicht genug Schweizer Spitzenmanager wie Straumann-CEO Marco Gadola, der international Karriere gemacht hat. Gadola war vor Straumann (STMN 997.8 5.8) Asienchef beim Logistikspezialisten Panalpina (PWTN 262.6 3.8).
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