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16:08 Uhr - 11.03.2022

Aufgefallen in…Paris

Macron und sein EDF-Gambit als Werkzeug gegen hohe Energiepreise. Und die Gilets Jaunes.

An einem Samstag in Paris ist die bewaffnete Polizei mit Schutzschildern und voller Montur nicht zu übersehen. Sie sind da auch wegen den «Gilets Jaunes». Die Gelbwesten, die ab November 2018 das ganze Land erfasst hatten, protestieren zwar weiter jeden Samstag, haben aber stark an Momentum verloren. Damals legten die wegen hoher Dieselpreise ausgelösten Proteste an Samstagen die Pariser Innenstadt lahm und schwappten sogar bis auf das Überseedepartement Réunion über. Drei Jahre später ist selbst der Enthusiasmus der traditionell protestfreudigen Pariser gedämpfter, und die wenigen «Gilets Jaunes» müssen sich die Strassen mit Coronamassnahmengegnern teilen.

Grund zum Protestieren gäbe es jedoch genug. Die Preissteigerungen bei Energie, vor allem bei Gas und Strom, haben wie anderswo in Europa auch in Frankreich schwindelerregende Höhen erreicht. Innerhalb eines Jahres haben sich die Grosshandelspreise für Strom in Frankreich mehr als verfünffacht und sind damit auch zum Thema der anstehenden Präsidentschaftswahl geworden. Emmanuel Macron, der sich am 10. April bzw. dem 24. April der Wiederwahl stellen wird, hat seine eigene Strategie gewählt, das Problem zu lösen.

Der französische Präsident hat dem teilstaatlichen Energieversorger Électricité de France (EDF) angeordnet, die Energiepreise für Endverbraucher um nicht mehr als 4% zu erhöhen. Macrons Entscheid, ein teilstaatliches Unternehmen als Politikinstrument zu nutzen, ist nicht unumstritten. EDF-Aktien verloren aufgrund der Massnahme 20%, und den Gewerkschaften sowie den Anteilseignern von EDF ist der Eingriff ein Dorn im Auge. Der genaue Preis von Macrons Massnahme wird von EDF mit über 8 Mrd. € ­beziffert. Da Frankreich am gemeinsamen europäischen Strommarkt teilnimmt, muss EDF den Strom derzeit auch billig an Mitbewerber verkaufen.

Der Energiepreisanstieg hat die Franzosen bis dato dennoch weniger hart getroffen als Bürger von manch anderen Ländern in Europa. Im Dezember wurde beschlossen, Franzosen mit einem geringen Einkommen pro Person 100 € auszuzahlen, um die höheren Kosten für Energie und Treibstoffe abzufedern. Unterstützt wurde der Schritt mit einer Steuersenkung auf Energie, die den Staat noch einmal zusätzlich 8 Mrd. € kosten wird. Zudem ist Frankreich mit einem siebzigprozentigen Anteil von Atomstrom am Energiemix schlichtweg unabhängiger von Gaslieferungen als Deutschland oder Italien. Macron hat bei den strategischen Entscheidungen dahinter ebenfalls den Versorger EDF in die Pflicht genommen.

Das Unternehmen wurde dazu angeleitet, die zum Verkauf stehende Turbinensparte von General Electric zu übernehmen. Die Geschäftseinheit, die Turbinen für Nuklearkraftwerke entwickelt, war zuvor von der französischen Alstom an General Electric gewandert, und steht nun im Licht der neuen Energiestrategie des Landes als strategischer Pfeiler da, um EDF als nuklearen Energieriesen zu etablieren. Pikant insofern, als der Verkauf der Alstom-Power-Grids-Sparte noch unter Macron beschlossen wurde, der damals als Wirtschaftsminister fungierte. General Electric hatte die Sparte 2015 für einen Preis von 12,4 Mrd. € übernommen.

Präsidentschaftskandidat Yannick Jadot ortet im Eingriff bei EDF ein wahlstrategisches Kalkül bei Macron. Anne Hidalgo, die ebenfalls um das höchste Amt kandidiert, geht die Macron’sche Energiepolitik wiederum zu wenig weit — sie fordert sogar eine Mehrwertsteuerabsenkung. Bisher geht Macrons Gambit auf. Nicht nur hat er den «Gilets Jaunes» den Wind aus den Segeln genommen, sondern auch seine Teilnahme an der Stichwahl am 24. April ist nahezu garantiert. Dort wartet mit Marine Le Pen oder Éric Zemmour wohl ein Vertreter vom rechten Rand. Auf der Strecke bleibt jedoch der Umbau von EDF zu einem nachhaltigen und weniger von Staatsinteressen getriebenen Konzern.

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