Thierry Kneissler, Chef des fusionierten Schweizer Mobile-Payment-Dienstes Twint, über den verspäteten Start, die Konkurrenz und seine Pläne für das kommende Jahr.
Die Wettbewerbskommission (Weko) hat grünes Licht gegeben: Twint und Paymit dürfen zu einer gemeinsamen mobilen Schweizer Bezahllösung fusionieren. Der CEO der alten ist auch der CEO der neuen Twint: Thierry Kneissler sagt im Interview mit «Finanz und Wirtschaft», wie er die Konsumenten von seinem Dienst überzeugen will.
Herr Kneissler, die Weko hat dem Zusammenschluss von Twint und Paymit ohne zusätzliche Auflagen zugestimmt. Was heisst das für die neue Twint?
Wir können nun endlich mit allen Kräften loslegen. Bislang war es uns untersagt gewesen, gegen aussen zu kommunizieren und mit unseren Partnern zu sprechen. Das wird sich nun ändern. Auch haben wir inzwischen die Zustimmung der EU-Wettbewerbsbehörde, was für zukünftiges Wachstum im Ausland nicht unbedeutend ist.
Zur PersonThierry Kneissler (45) ist seit diesem Jahr CEO der neuen Twint. Die mobile Schweizer Bezahllösung ist aus der Fusion der gleichnamigen PostFinance-Tochter und der Konkurrentin Paymit, einer Erfindung von UBS, ZKB und SIX, hervorgegangen. Kneissler war bereits seit 2015 Chef der alten Twint. Zuvor führte der Schweizer seit 2008 die Abteilung Unternehmensentwicklung und war Mitglied der Geschäftsleitung von PostFinance. Er war nach seinem Volkswirtschaftsstudium an der Universität Bern sowie am University College Cork, Irland, bei der Berner Kantonalbank als Projektleiter tätig. An der Universität St. Gallen (HSG) absolvierte er 2001 einen Executive MBA. 2003 trat er bei PostFinance als Projektleiter ein. Kneissler lebt in Bern, ist verheiratet und Vater zweier Kinder.Gibt es dafür bereits Pläne?
Es gibt die grundsätzliche Überlegung. Wir stellen ein Produkt her, von dem wir überzeugt sind, also könnten wir es dereinst auch im Ausland vertreiben. Konkrete Pläne existieren aber noch nicht.
Ein Nachteil, dass Sie erst jetzt über die neue Twint sprechen dürfen?
Nein, es passt so. Wären von der Weko intensivere Untersuchungen angekündigt worden, wäre es ein Nachteil gewesen. Jetzt aber ist der Zeitpunkt ideal.
Twint wollte nach der Fusion mit Paymit den Neustart im Herbst machen, jetzt wurde er auf Januar verschoben. Bleibt es dabei?
Das System wird Ende November fertig sein. Nicht zuletzt auf Wunsch von Händlern wollen wir den Roll-out nicht mitten im Weihnachtsgeschäft machen. Der Plan, Mitte Januar zu beginnen, ist realistisch.
Wo wird nun der Sitz der neuen Twint sein, und werden wegen der Fusion Stellen abgebaut?
Der juristische Sitz geht nach Zürich, die Arbeitsorte Bern und Zürich bleiben aber erhalten. Stellen werden keine abgebaut. Im Gegenteil, wir sind in einer Wachstumsphase und froh, dass wir jetzt doppelt so viel Kompetenz in einem Unternehmen haben.
Apple (AAPL 115.57 3.4%) Pay ist gestartet, Samsung (SMSD 493.2 -0.38%) soll auch bald eine Bezahllösung in der Schweiz lancieren. Sind Sie bereits heute im Hintertreffen?
Das muss ich entschieden verneinen. Sowohl Twint wie Paymit sind bereits heute am Markt. Beide Apps gewinnen Kunden. Ob wir zwei Monate früher oder später kommen, spielt keine Rolle. Wir sind nicht für Dezember oder Januar da, sondern für die nächsten paar Jahre.
Sie dürfen auf eine Phalanx an Banken zählen, die den Zugriff auf Apple Pay unterbinden. Wie lange noch?
Die Banken glauben an eine Schweizer Bezahllösung und setzen darauf. Sie bündeln die Kräfte und wollen gemeinsam an den Markt gehen.
Der Protektionismus kommt aber Ihnen zugute.
Es ist überzeichnet, von Protektionismus zu reden. Wenn man etwas schützen muss, dann ist es meist etwas Schwächeres. Ich glaube aber nicht, dass wir der schwache Partner wären.
Können es sich die Banken auf Dauer überhaupt leisten, Apple Pay aussen vor zu lassen?
Das wird sich zeigen. Am Schluss entscheidet der Markt und jede einzelne Bank. Uns geht es nicht darum, Konkurrenten zu verhindern.
Haben Sie nicht Angst vor dem Konkurrenten Apple?
Nein, wir haben Respekt, aber keine Angst. Wir haben einige Trümpfe in der Hand, die für uns sprechen.
Zum Beispiel?
Wir bieten Mehrwert wie das Hinterlegen von Kundenkarten und Treueprogrammen. Und weitere Zusatzfunktionen sind geplant.
Kann Apple das nicht auch, wenn sie will? Schliesslich verfügt der Konzern über viel mehr Mittel als Sie.
Wir haben vielleicht nicht die Ressourcen eines internationalen Players, aber wir haben andere Vorteile. Der Zahlungsverkehr in der Schweiz ist nicht so trivial, wie es scheint. Es gibt heute hierzulande zum Beispiel zwischen 50’000 und 100’000 Automaten, die man mit Geld füttern kann. Das sind viele verschiedene technische Zahlungssysteme, und wir arbeiten daran, in sie hineinzukommen. Diesen Aufwand macht sich ein internationaler Player nicht.
Ihre grösste Aufgabe wird es jedoch sein, die Bevölkerung davon zu überzeugen, dass sie mit dem Handy zahlen sollte. Wie wollen Sie die Leute zum Mobile Payment motivieren?
Das ist tatsächlich eine grosse Herausforderung. Unser grösster Konkurrent ist nicht Apple, sondern Cash. Mit Mobile Payment wollen wir das Verhalten der Leute ändern. Das passiert nur, wenn sie dank Mobile Payment Zeit oder Geld sparen.
Derzeit ist das Zahlen mit Twint ziemlich mühsam. Statt wie bei Apple Pay die Kreditkarte zu virtualisieren, müssen Twint-Kunden das Geld vom eigenen Konto oder via Einzahlungsschein überweisen. Ist das Ihre Vorstellung von Mobile Payment?
Das war der erste Schritt. Das wird sich auf Januar ändern. Dann können unsere Kunden die Belastungen direkt über ihr Konto ausgleichen. Bei Paymit funktioniert das bereits heute.
Bei allen Partnerbanken?
Im Prinzip ja, aber nicht alle Banken werden von Anfang an Bord sein – aus technischen Gründen.
Welche?
Dazu kann ich mich nicht äussern.
Wird es dann auch möglich sein, via NFC-Chip im Smartphone einfach an den bestehenden Kassenterminals zu bezahlen?
Wir haben die NFC-Lösung so weit vorbereitet. Wir werden sie aber nicht gleich per Januar anbieten. Für iPhone-Nutzer besteht leider weiterhin die Limitierung, dass Apple die NFC-Schnittstelle ihrer Geräte für andere Anbieter nicht freigibt.
Wie entscheidend ist dieser Nachteil?
Es ist ein Nachteil, aber wir haben mit unseren Bluetooth-Schnittstellen an den Coop-Kassen eine gute Lösung gefunden. Sie bedürfen aber natürlich eines zusätzlichen Installationsaufwands. Inskünftig wird man aber auch an den Terminals mit QR-Code bezahlen können.
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