Zurück zur Übersicht
12:09 Uhr - 18.07.2016

Bescheidene Erwartungen bei Novartis

Der Pharmamulti präsentiert am Dienstag Zahlen. Das zweite Quartal dürfte den Tiefpunkt im laufenden Geschäftsjahr bilden. Schuld sind anhaltende Probleme.

Bei kaum einem Konzern werden Kennzahlen derzeit mit so viel Spannung erwartet wie bei Novartis. Anleger wollen wissen, wie die Gesellschaft im zweiten Quartal dasteht – nachdem sie zum Jahresauftakt bei der Lancierung des Herzmittels Entresto enttäuschte und bereits seit Ende 2015 am Turnaround der Augenheilsparte Alcon arbeitet.

Investoren haben ihre Erwartungen entsprechend nach unten korrigiert. Sie rechnen mit dem schwächsten Quartal im laufenden Geschäftsjahr des Konzerns: Analysten erwarten fürs zweite Quartal gemäss AWP-Konsens einen Umsatz von 12,2 Mrd. $ (–4% gegenüber dem Vorjahreszeitraum), einen operativen Kerngewinn von 3,2 Mrd. $ (–10%) und einen Gewinn pro Aktie von 1.19 $ (–6%). Unklar ist, ob Novartis die Guidance fürs ganze Geschäftsjahr 2016 halten kann. Es gibt dennoch Hoffnung, da und dort sind Fortschritte auf den Hauptbaustellen zu sehen.

Entresto muss liefern

Die jüngsten Entwicklungen beim Herzmittel Entresto geben dafür Anlass. Die verstärkten Vertriebsanstrengungen scheinen nun bereits erste Früchte zu tragen. Ein wichtiger US-Kardiologenverband kam kürzlich zum Schluss, dass die frühzeitige Behandlung mit Entresto in den USA jährlich etwa 28’000 Todesfälle verhindern oder verzögern könne – das dringend benötigte Verkaufsargument für Novartis. Zudem müssen Ärzte seit Ende Mai dank der Empfehlung weiterer führender US-Kardiologenverbände kein Extraformular mehr ausfüllen, warum sie den neuen Wirkstoff dem rund sechzigmal günstigeren Generikaangebot vorziehen.

Zusätzliche klinische Studien, die bis Ende des Jahres laufen, sollen dieses Verkaufsargument weiter stärken und den Umsatz langsam, aber sicher in die anfänglich prognostizierten Sphären hieven. Investoren sind gespannt, ob Novartis ihren Umsatz für Entresto im zweiten Quartal 2016 steigern konnte und ob sie die Guidance fürs zweite Halbjahr 2016 nach oben revidieren wird – nachdem Entresto im ersten Quartal gerade mal 17 Mio. $ eingespielt und der Konzern sein Jahresziel entsprechend auf 200 Mio. $ Umsatz deutlich heruntergeschraubt hat.

Turnaround dürfte anhalten

Weit unklarer ist, wo die darbende Augenheilsparte nach gut fünf Monaten unter der Führung des neuen CEO Mike Ball mit ihrem Turnaround steht. Sanierer Ball versprach nach dem ersten Quartal 2016, den Umsatz zu steigern. Vorerst sind im texanischen Fort Worth aber beträchtliche Investitionen nötig, um die Innovationslücke zu schliessen und den ebenfalls vernachlässigten Kundenservice zu verbessern. Der Umsatz dürfte frühestens im zweiten Halbjahr wieder zulegen.

Bei Alcon steht nach wie vor die Frage im Raum, ob die Sparte nicht besser ganz oder zu Teilen veräussert werden sollte. Im niedrigmargigen Consumer-Geschäft mit Kontaktlinsen ist die Konkurrenz gross und die Differenzierungsmöglichkeit klein. Zudem hat sich der Konzern auf strategischer Ebenen in den übrigen Geschäftsfeldern bereits von solchen Aktivitäten verabschiedet – mit dem Verkauf von Consumer Health, Tiermedizin und Impfstoffen. Für viele Marktbeobachter wäre der Verkauf des Kontaktlinsengeschäfts die logische Konsequenz.

Die Innovationsanstrengungen gelten der Augenchirurgie. Damit will CEO Ball den Umsatz der margenträchtigen Medizintechnikprodukte und der operativ einsetzbaren Linsen gegen den grauen Star ankurbeln. In diesem Bereich ist Alcon Marktführer. Zum Halbjahresabschluss wird ein Update zu den Fortschritten erwartet. Aber auch das Medtech-Geschäft passt für viele Spezialisten nicht mehr in den Pharmakonzern. Ein Verkauf, so heisst es immer wieder am Markt, sei eine Option – wenn die aktuelle Revitalisierungskur denn gelingt.

Sandoz baut Marktführung aus

Weitaus erfreulicher dürfte der Halbjahresbericht bei der Generikatochter Sandoz ausfallen. Im Schatten des Konzernumbaus hat sich Sandoz im Biosimilar-Geschäft an die Branchenspitze gekämpft. Vergangenen Monat hat die Novartis-Tochter ihre Marktoffensive angekündigt: Bis 2020 will sie fünf neue Wirkstoffnachahmungen (Biosimilars) auf den Markt bringen. Um die geplanten Lancierungen bis 2020 zu erreichen, will sie bis 2017 elf Zulassungsanträge für neue Biosimilars einreichen. Mit dem jüngsten Antrag bei der EU-Gesundheitsbehörde zum Roche-Medikament Rituxan gegen Autoimmun- und Krebserkrankungen befinden sich fünf Anträge bei den Behörden in Europa und den USA, ein Biosimilar ist schon zugelassen (Zarxio).

Margenziel rückt näher

Von 2010 bis 2020 investiert Sandoz 1 Mrd. $ in ihren österreichischen Produktionsstandort. Sie entwickelt dort Nachahmungen langjähriger Milliarden-Blockbuster verschiedener Originalhersteller, die den Patentschutz verloren haben. Mit zahlreichen Wirkstoffen in der Zulassung dürfte Sandoz schon bald in der Lage sein, die Margen zu steigern – und damit das Antrittsversprechen von Sparten-CEO Richard Francis einhalten. Anders als im herkömmlichen Generikageschäft sind Biosimilars komplexere Nachahmungen biologischer Wirkstoffe und sind weitaus aufwendiger in der Herstellung als chemische Produkte. Damit fällt der Preisabschlag im Vergleich zum Originalprodukt mit 15 bis 30% deutlich geringer aus – was Sandoz bei der Marge zugutekommt.

Soeben hat das Beratungsgremium der US-Gesundheitsbehörde empfohlen, das zweite Biosimilar des Blockbuster-Wirkstoffs Enbrel (Amgen) zuzulassen. Die Zulassung dürfte demnach in den nächsten Monaten gleich für mehrere Anwendungsbereiche folgen. Allerdings könnte sich der Markteintritt verzögern, denn Originalhersteller Amgen kämpft gerichtlich gegen Sandoz und versucht Patentverletzungen geltend zu machen.

Klärungsbedarf bei der Roche-Beteiligung

Zudem erwarten Investoren weitere Informationen zur geplanten Veräusserung des Roche-Pakets. Wie Konzernchef Joe Jimenez bereits im Mai sagte, sei Novartis bereit, die Papiere im Wert von rund 14 Mrd. Fr. auch ohne Prämie zu verkaufen, wenn sich eine gute Opportunität biete.

Aus der neu etablierten Krebseinheit Novartis Oncology, die seit Juli von Bruno Strigini aus Basel geleitet wird, ist hingegen erst für nächstes Jahr mit Neuigkeiten zu rechnen, wie Strigini kürzlich gegenüber «Finanz und Wirtschaft» sagte.

Die komplette Historie zu Novartis finden Sie hier. »

Hat Ihnen der Artikel gefallen? Lösen Sie für 4 Wochen ein FuW-Testabo und lesen Sie auf www.fuw.ch Artikel, die nur unseren Abonnenten zugänglich sind.

Seite empfehlen



Kopieren Sie den Link [ctrl + c] und fügen Sie ihn in ein E-Mail ein [ctrl + v]. Aus Sicherheitsgründen ist kein Versand von E-Mails direkt vom VZ Finanzportal möglich.