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15:47 Uhr - 10.08.2015

Roboter als Vermögensverwalter

Onlineplattformen werben mit Transparenz und niedrigen Kosten. Doch die Angebote eignen sich nicht für alle.

Fintech bezeichnet die Verbindung von modernen technischen Möglichkeiten mit Finanzdienstleistungen. Im heutigen digitalen Zeitalter verändert sich auch deren Wertschöpfungskette. Kunden erwarten eine ortsunabhängige Besorgung von Finanzgeschäften. Das bedeutet die unbeschränkte Möglichkeit, jederzeit auf die eigenen Finanzdaten zurückgreifen wie auch diverse Finanzgeschäfte eigenständig durchführen zu können. Der Markt reagiert auf diesen Wandel mit vielfältige Angeboten.

Teil dieses digitalen Angebots ist die Möglichkeit, das eigene Vermögen online zu verwalten. Hierzu wurden bereits diverse Modelle entwickelt. Innerhalb der Vermögensverwaltung bzw. der Anlageplattformen zeichnet sich folgende Einteilung ab: Es gibt zum einen Onlinevermögensverwalter wie Wealthfront, True Wealth, Quirion oder Fintego. Die zweite Gruppe bilden Anbieter von Social Trading wie Wikifolio, eToro oder Ayondo. Und schliesslich gibt es Angebote für Onlinefinanzplanung, zu denen Learnvest und Personal Capital zählen.

Die AutorenProf. Dr. oec. publ. Gabriela Nagel ist stellvertretende Leiterin der Abteilung Banking, Finance, Insurance sowie Leiterin des Zentrums für Accounting und Controlling der ZHAW School of Management and Law.

Johannes Höllerich, MSc Banking & Finance, ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der ZHAW School of Management and Law.
Onlinevermögensverwalter bieten grundsätzlich eine automatisierte Plattform, um die Vermögensverwaltung eigenständig und unkompliziert zu erledigen. Die Umsetzung dieser standardisierten Vermögensverwaltung basiert meist auf Exchange Traded Funds. Social Trading integriert von Teilnehmern veröffentlichte Handelsstrategien und lässt andere an den Erkenntnissen teilhaben. Anleger können Experten folgen, und beispielsweise im Fall von Wikifolio deren Depot per handelbarem Zertifikat direkt abbilden.

Individuelle Vorschläge

Was die Onlinefinanzplanung betrifft, so ist diese in unseren Breitengraden noch nicht positioniert. Es handelt sich hierbei um eine Kombination von Offline- und Onlineberatung, da ein Kundenberater die Vorschläge nach einem bestimmten Prozess ausarbeitet. Dadurch können auch individuelle Vorschläge beispielsweise mit Blick auf die Vorsorge usw. gemacht werden.

Je nach Ausprägung der Modelle wird bei der Onlinevermögensverwaltung ganz auf persönliche Beratung verzichtet, sodass die Abwicklung der Geschäfte einen roboterähnlichen Charakter aufweist. Wer sein Geld auf einfache Weise anlegen möchte und einen passiven Anlageansatz bevorzugt, für den stellt diese Art von Onlineangeboten eine willkommene Innovation dar. Für den Anbieter erlauben die technischen Entwicklungen eine Industrialisierung der Prozesse, die zu einer kostengünstigen Struktur führt.

Spielen komplexere, umfassendere Fragestellungen eine Rolle, eignen sich diese rein technischen Angebote nicht. Hier würde es eine klassische Anlageberatung brauchen. Die Anlageberatung muss zudem sicherstellen (etwa aufgrund gesetzlicher Vorgaben), dass der Investor seine sogenannte Anlegerpersönlichkeit kennt und seine Anlagen in dem Rahmen tätigt, der seinem Risikoprofil entspricht.

Während in einer physischen Beratungssituation der Kundenberater als Korrektiv eingreifen kann, wenn Kunden ihre Risikobereitschaft und -fähigkeit falsch einschätzen, so ist der Kunde bei einer Onlinevermögensverwaltung auf sich selbst gestellt. Reine Onlinevermögensverwaltungsangebote werben mit einer einfachen Nutzung. Gleichzeitig muss der Anleger aber fachlich versiert sein, um die für ihn richtige Strategie auswählen zu können. So muss er auch verstehen, was das damit verbundene Risiko für ihn bedeutet. Die Onlineanbieter täten daher gut daran, auch bei der Ermittlung des passenden Risikoprofils mehr Hilfestellungen zu bieten.

Eine Untersuchung der  Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) zur Risikoprofilierung von Bankkunden zeigt, dass ein schlichter Fragebogen nicht ausreicht. Kunden müssen erleben, was das mit der Strategie verbundene Risiko konkret bedeutet. Hierfür sollten auch greifbare Situationen visuell dargestellt werden: Was wäre mit ihrem Portfolio in der Finanzkrise passiert? Wären ihre Ziele (z. B. Hauskauf) dennoch erreicht worden? Wie lange hätte es gedauert?

Ohne Beratung ist riskant

In diesem Sinne müssen sich Anlegerinnen und Anleger überlegen, inwieweit eine leicht zu bedienende Website und ein simples Anlagekonzept ausreichen, um ihre mittel- und langfristigen Bedürfnisse abzudecken beziehungsweise ihre Ziele zu erreichen. In der Kosten-Nutzen-Überlegung vermag kundenseitig allenfalls die nutzerfreundliche technische Plattform zu bestechen: Ein Roboter erledigt die Geschäfte ohne teure Vermögensverwaltungsgebühren. Für Kunden empfiehlt es sich, die Vollkosten unter Berücksichtigung der Konsequenzen allfälliger falscher, nicht risikogerechter Anlageentscheide zu betrachten. Banken reagieren auf die erhöhte Kostensensitivität etwa mit neuen Gebührenmodellen. So können Kunden etwa Beratung gezielt einkaufen und bezahlen dadurch verursachergerecht die tatsächlich bezogene Leistung und nicht mehr nur einen relativ hohen pauschalen Prozentsatz auf den Depotwert.

Ein ganz grundsätzlicher Unterschied bei Onlineprodukten besteht darin, ob sie nur entwickelt wurden, um eine schnellere, modernere und eigenständige Abwicklung der Geschäfte zu erlauben oder ob mit dem Onlineprodukt der Anlageberatungsprozess gezielt begleitet werden soll. Erwarten Kunden also eine Betreuung, die ihr Risikoprofil zuverlässig ermittelt und auch die Anlagen dementsprechend umsetzt, eignet sich erstere Ausrichtung nicht.

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