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16:44 Uhr - 23.07.2014

Wincor Nixdorf: «Wir glauben an Russland und die Türkei»

Eckard Heidloff, CEO des Bancomatherstellers Wincor Nixdorf, will mit Software die Marge steigern und glaubt weiter an die Schwellenländermärkte, wie er im Interview mit der FuW erläutert.

Der Gegenwind, der Wincor Nixdorf im Augenblick entgegenbläst, ist stark. Dies lässt sich am Aktienkurs ablesen. CEO Eckard Heidloff, der den Konzern mit rund 2,5 Mrd. € Umsatz  (2013) seit 2007 leitet, baut den Anbieter von Bancomaten und Kassensystemen trotzdem beharrlich und in kleinen Schritten weiter um.

Zur Person
Eckard Heidloff (58) blickt auf eine aussergewöhnlich lange Karriere im selben Haus zurück.1983 startete er beim Computerhersteller Nixdorf und übernahm 1989 die Leitung des Controlling. Er begleitete das Unternehmen in verschiedenen Funktionen, auch bei der Übernahme durch Siemens sowie durch Private Equity. Als CFO brachte er Wincor Nixdorf im Mai 2004 an die Börse, seit 2007 ist er Vorstandschef.
Das auf den deutschen Computerpionier Heinz Nixdorf zurückgehende Unternehmen, das in Westeuropa im Bancomatgeschäft die Nummer zwei ist, soll etwa den Umsatz mit Softwareprodukten deutlich verstärken. Nur das hilft, den Trend rückläufiger Margen zu brechen, sagt Heidloff im Gespräch.

Herr Heidloff, wie präsentiert sich die Lage in Russland und der Türkei derzeit?
Wir glauben an beide Märkte. Momentan wird unser Geschäft aber allein aufgrund der Währungsschwäche nicht gerade begünstigt. Unsere Produkte – wie die unserer Wettbewerber – werden in US-Dollar fakturiert. Zunächst kostet dies Zeit. Weil wir preislich nicht entgegenkommen wollten,  belastet dies unseren Umsatz. Ich sehe das aber als vorübergehenden Effekt, und nicht nur in Russland und der Türkei. Solange das Bruttoinlandprodukt in den Schwellenländern wächst und sich mittelständische Unternehmen ausbreiten, wird auch die Nachfrage nach Retail- und Bankdienstleistungen steigen.Punkto Expansion in weitere Märkte ist die Masse unserer Kundschaft mit globalen Ambitionen aber derzeit eher vorsichtig. Im Falle Russlands ist die Lage aktuell allerdings zusätzlich angespannt durch die jüngsten Entwicklungen rund um die Ukraine.

Was nun, wenn eine Bank, die Sie beliefern, auf die US-Sanktionsliste geriete?
Bis vor einigen Tagen hätte ich noch gesagt: Wir gehen nicht davon aus, dass dies in Russland eintreten wird. Aber wir würden Embargoregeln natürlich einhalten. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Dinge weiter entwickeln.

Wincor Nixdorf ist mit Hardware – Bancomaten und Kassen – gross geworden. Nun wollen Sie das Softwaregeschäft in vier Jahren auf 600 Mio. € verdoppeln. Wie denn?
Aus dem Verständnis des Marktes heraus sehen wir, dass sich vonseiten der Zulieferer eine Konsolidierung anbahnt, die mehr auf Standards aufbaut. Banken werden von ihren Kunden gedrängt, auf unterschiedlichen Ansprechkanälen schneller zu reagieren; zudem herrscht Kostendruck.

Da sehen wir einen wachsenden Bedarf nach Standardsoftware, um verschiedenste Endgeräte anzubinden. So entstehen stärkere Wettbewerber. Wir gehen aber davon aus, dass wir als Nummer zwei im Hardwaregeschäft auch eine sehr gute Chance haben, im Softwaregeschäft unter die Top drei weltweit zu kommen.

Was kann diese Software?
Sie ist ein Nischenprodukt. Endgeräte und Bedienungskanäle müssen zusammengeschlossen werden. Wir betreiben keine Kernbankenlösung oder das Backoffice eines Detailhändlers. Aber viele zigtausend installierte Kassen oder Geldautomaten müssen gemanagt werden. Was unsere Kunden in der Filiale anbieten, müssen sie auch im Internet vertreiben, die Preisgestaltung muss identisch sein, das Datenmanagement einheitlich. Wir glauben, genau die Software zu haben, die Komplexität meistert und multichannel- und multivendorfähig ist, also auf verschiedensten Endgeräten läuft. Wir glauben an das Standardisierungspotenzial.

Der Trend geht zu bargeldlosen Zahlungen – sind Sie da mit Bargeldautomaten nicht in einem schrumpfenden Markt unterwegs?
Wir müssen alle Formen der Bezahlmöglichkeiten integrieren. Die Realität zeigt, dass ein Detailhändler nicht nur Cash und Debit-Karten akzeptieren kann. Hybrid hat sich durchgesetzt. Auch Wertgutscheine oder kontaktloses Bezahlen sind gefragt. Wir sind in der Lage, durch Standardisierung Kosten zu senken und die Geschwindigkeit hinzubringen. Für kleinere Händler ist eine Hybridstrategie aus Kostengründen schwieriger umzusetzen. Da sehe ich grosses Potenzial für uns.

Wie wird sich der Anteil des Hardwareumsatzes in den nächsten Jahren entwickeln?
Hardware ist ein schnell wachsendes Geschäft. Bis 2018 steigt in den Schwellenländern die Zahl der Geldautomaten von 2,6 auf 3,7 Mio. Stück, auch danach weiter 5% pro Jahr. In den Industrieländern entwickelt sich die Nachfrage hin zu High-End-Lösungen. Wir erwarten weiter wachsenden Hardwareumsatz, der mehr Servicegeschäft nach sich zieht, weil die Banken weniger selbst machen wollen. Das Softwaregeschäft hat aber mehr Potenzial. Hier geht es für uns als Industrie vielleicht nicht schnell genug. Wir sähen es lieber, wenn die Banken schneller in diese Themen reingingen. Der Detailhandel ist hier weiter, auch läuft dort schon die Konsolidierung: NCR hat Retalix gekauft, nun will Oracle (ORCL 40.57 0.65%) Micros Systems (MCRS 67.7201 0%) – das zeigt, wie interessant dieser Markt ist.

Wie entwickeln sich die Gerätepreise?
In Schwellenländern sinken sie, es gibt im Bereich Hardware immer neue Wettbewerber, aber auch verbesserte Produkte mit mehr Funktionalität. Pro Stück auf vergleichbarer Basis gehen die Preise pro Jahr um bis zu 8% zurück. Das ist der Grund, warum wir mehr Stück verkaufen müssen und mehr Funktionalität, nur dann kommt Wachstum heraus.

Sie weisen im Banking- wie im Detailhandelssegment sinkende Margen aus. Können Sie den Trend stoppen, und wie?
Die Margenerosion ist kaum zu stoppen. In der Spitze betrug die Ebit-Marge fast 9%, heute ist sie deutlich tiefer. Wir kommen im Hardwaregeschäft in den Bereich eines austauschbaren Produkts. In den Schwellenländern sind niedrigere Margen zu erwarten als in etablierten Märkten, aber höhere Stückzahlen. Stoppen lässt sich der Margenschwund nur durch grössere Wertschöpfung in komplexeren Systemen wie Cash-Recycling oder durch mehr Software- und Serviceverkauf. In selbst entwickelter Software sind die Margen sehr hoch. Entscheidend ist hier der richtige Mix.

Wie sieht es in fünf Jahren aus?
Wir möchten den Margenrückgang verhindern. Mittelfristig wäre das Ziel, das alte Margenniveau zu erreichen, aber mit einem anderen Umsatzmix – einem wesentlich grösseren Anteil eigener Software. Nur dann gibt es dafür eine Chance.

Sehen Sie neue Restrukturierungskosten?
Das Unternehmen ist pausenlos im Umbau. Wenn wir uns in fünf Jahren wieder treffen, würden Sie Wincor Nixdorf wohl kaum wiedererkennen, so schnell wandeln sich die Märkte.

Sind für Sie weitere Partnerschaften mit IT-Systemanbietern nötig?

Wir haben keine Berührungsängste und arbeiten etwa in Kanada im Bancomatgeschäft mit IBM (IBM 195.02 0.72%) zusammen, und im Detailhandel sind wir Integrator für SAP-Software. Mit Giesecke und Devrient kooperieren wir im Bereich Gelderkennung. Wir wollen, dass unsere Software problemlos von grossen Beratungsunternehmen implementiert werden kann. Lizenzen können auch über Partner verkauft werden, wir sehen da eine Koexistenz.

Inwiefern sind Zukäufe ein Thema?
Wir haben kleinere Akquisitionen gemacht, halten es aber für sinnvoll, organisch zu wachsen und uns nicht wie unsere Wettbewerber extern zu verstärken und so Ressourcen zu binden. Zugegebenermassen ist organisches Wachstum langsamer. Wir müssen aufpassen, keine Marktanteile zu verlieren. Insofern gibt es die Überlegung, ob wir nicht auch mehr zukaufen. Aber wir fühlen uns derzeit mit organischem Wachstum recht wohl. Wenn wir erkennen würden, dass wir im Softwaregeschäft nicht unter die Top drei kommen, müssten wir aber handeln.

Mit wem messen Sie sich?
Im Retail sind das eine NCR sowie viele kleine Anbieter, im Banking NCR, Diebold und zahllose kleine Wettbewerber. Die Kleineren werden konsolidiert, sei es durch die Hauptwettbewerber oder die Banken selbst. Wenn wir zukaufen, würden wir eher in Technologie investieren, um die Breite unseres Portfolios abzurunden, oder Systemintegratoren hinzukaufen, um die Skalen zu erzielen. Aber für die Verdoppelung des Softwareumsatzes wollen wir eher den schweren Weg gehen.

Bleibt es bei einem Umsatzanteil von 30% für Schwellenländer, oder steigt der Anteil?
Wir sehen Nachholbedarf in Europa, bleiben da aber noch auf niedrigem Niveau – das Geschäft springt noch nicht richtig an, ausgenommen in Grossbritannien. Wenn eine der grossen Banken in den Umbau des Filialgeschäfts investiert, ziehen dann auch die anderen nach. Dessen ungeachtet bleibt der Trend, dass die Schwellenländer weiter wachsen, für uns bestehen.

Wie sieht Ihre Dividendenpolitik aus?
Es bleibt dabei, wir möchten rund 50% des Nettogewinns ausschütten. Ich sehe keinen Grund, dies zu ändern, aber der Aufsichtsrat muss darüber final entscheiden.

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