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11:03 Uhr - 07.02.2020

Gottstein braucht seine ruhige Hand für Credit Suisse

Der neue CEO hat einen guten Leistungsausweis in der Schweiz und ist bei Kunden und Mitarbeitern geachtet.

Im Vergleich zu Tidjane Thiam ist Thomas Gottstein ein Provinzler: aufgewachsen an der Zürcher Goldküste, wohnhaft an der Zürcher Goldküste. Fast wäre er professioneller Golfspieler geworden.

Seine ruhige Hand wird Gottstein jedoch brauchen können, denn nach dem Abgang Thiams sind Konsistenz und Glaubwürdigkeit gefragt – gegen innen und gegen aussen. Gottstein wird die Aktionärsgruppe, die sich unter Missachtung der üblichen Kommunikationskanäle und Anstandsregeln für Thiam starkgemacht hat, wieder ins Boot holen müssen. VR-Präsident Urs Rohner konnte es offenbar nicht. Es ist ungewiss, was Harris Associates (5,2% der Aktien gemäss CS-Geschäftsbericht), Silchester (3%) und Eminence Capital (ca. 1%) zur neuen Konstellation meinen.

Für Gottstein spricht sein Leistungsausweis. Zwischen 2015 und 2018 konnte er als CEO der SUB – der Schweizer Geschäftseinheit der Credit Suisse (CSGN 12.685 -0.74%) – den Vorsteuergewinn von 1,6 auf 2,1 Mrd. Fr. steigern. Dank Kosteneinsparungen, dem Verkauf etlicher Liegenschaften und einem Wachstum der Hypotheken war die Schweizer Einheit die einzige, die die ursprünglichen Ziele von Thiam ohne Abstriche erfüllen konnte.

Gottstein verfügt über mehr als dreissig Jahre Erfahrung im Bankwesen. Er hält einen Doktortitel in Ökonomie der Universität Zürich und arbeitete fast zehn Jahre im Investment Banking der UBS (UBSG 12.6 0.24%), davon die meiste Zeit in London. 1999 wechselte er zur Investmentbank der Credit Suisse in London und kam wenige Jahre später in die Schweiz, wo er im Geschäft mit Fusionsberatungen und Aktienemissionen aufstieg. Im Schatten von Marco Illy, dem umtriebigen Schweizer Investmentbank-Chef der Credit Suisse, blieb er jedenfalls nicht. In dieser Zeit arbeitete er auch an einigen bedeutenden Transaktionen mit, darunter an der Übernahme von Synthes durch Johnson & Johnson (JNJ 153.53 -0.3%) sowie dem Börsengang von Glencore (GLEN 232.9 -2.43%) und dem von Cembra (CMBN 115.7 1.14%) Money Bank.

Gottsteins Spezialität scheint der Aufstieg über Nacht. 2014, als Rolf Bögli, ein Schwergewicht im Private Banking der CS, wegen Problemen mit den US-Behörden Knall auf Fall zurücktrat, wechselte Gottstein ins Private Banking. Er übernahm das prestigeträchtige Geschäft mit den Ultra High Net Worth Individuals, den sehr reichen Schweizer Kunden und den externen Vermögensverwaltern.

Einem Thriller glich Gottsteins Aufstieg unter Thiam 2015. Hans-Ulrich Meister, Gottsteins Vorgesetzter, sollte die Schweizer Einheit leiten. Seine Präsentation als Thiams Teammitglied war vorbereitet und eingeübt, als Thiam sich umentschied und buchstäblich über Nacht Gottstein zum Chef Schweiz machte.

Ohne Ehrgeiz und Kaltblütigkeit ist eine solche Karriere undenkbar. Doch trotzdem gilt Gottstein als nahbar. Verwaltungsratspräsident Urs Rohner sprach in der Mitteilung der CS von Gottsteins «beeindruckendem Leistungsausweis als Leiter der Schweizer Einheit und seiner Beliebtheit bei Kundinnen und Kunden sowie den Mitarbeitenden».

Gottstein galt als loyal gegenüber Thiam und dankte ihm gemäss Mitteilung «für seine Unterstützung und Partnerschaft». Bekannt ist, dass Gottstein mit seinem Geschäftsleitungskollegen Iqbal Khan öfters aneinandergeraten war. Kompetenzstreitigkeiten waren programmiert, da ein Grossteil der Maschinerie, die das internationale Vermögensverwaltungsgeschäft am Laufen hält, in der Schweiz liegt.

Nicht in allen Punkten stimmte Gottstein jedoch mit Thiam überein. Gottstein war seinerzeit ein starker Befürworter des Plans, Credit Suisse Schweiz separat an die Börse zu bringen. Finanziell wäre das für ihn viel lukrativer gewesen, als die lahmen Aktien der CS Group zu erhalten.

Interessanterweise findet sich in Gottsteins Mitteilung kein Hinweis darauf, dass er die Strategie von Thiam weiterführen werde. Allerdings hat der scheidende CEO seinem Nachfolger eine Reihe strategischer Fragezeichen überlassen, darunter ein enttäuschendes Asiengeschäft.

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