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19:30 Uhr - 10.03.2015

«Unsere nächste Phase heisst Wachstum»

Urs Rohner, Verwaltungsratspräsident der Credit Suisse Group, über die Ernennung von Tidjane Thiam zum CEO und die künftige Strategie der Grossbank.

Tidjane Thiam wird im Sommer neuer CEO der Credit Suisse (CSGN 25 7.76%) Group. Brady Dougan, der das Amt acht Jahre lang besetzte, tritt zurück. Die Ernennung von Thiam erstaunt auf den ersten Blick; der bisherige CEO der Versicherungsgruppe Prudential besitzt keine operative Führungserfahrung im Banking. Dennoch: Seine Ernennung wurde am Dienstag an der Börse mit einem Kursfeuerwerk belohnt. Die Aktien Credit Suisse gewannen 8%. Verwaltungsratspräsident Urs Rohner erklärt im Interview, weshalb Thiam die richtige Wahl ist und wo die CS ihre künftigen Wachstumschancen sieht.

Zur PersonUrs Rohner (*1959) ist seit 2011 Verwaltungsratspräsident der Credit Suisse Group. Zuvor war er zwei Jahre Vizepräsident des Gremiums. Von 2004 bis 2009 war Rohner als Chief Operating Officer respektive als Chefanwalt Mitglied der Konzernleitung der Bank. Bevor er zur CS Gruppe stiess, war der Jurist vier Jahre CEO der Mediengruppe ProSiebenSat.1. In den Achtzigern und Neunzigern arbeitete Rohner als Anwalt für Lenz & Staehelin in Zürich und Sullivan & Cromwell in New York. Er ist Mitglied der 18-köpfigen Expertengruppe, die unter der Leitung des Wirtschaftsprofessors Aymo Brunetti dem Bundesrat Empfehlungen zur Finanzplatz­strategie abgibt.Herr Rohner, hatten Sie keinen internen Kandidaten für das Amt des CEO?
Wir haben einen sorgfältigen Prozess der ­Nachfolgeplanung durchgeführt, dessen Schlussphase im letzten Herbst gestartet wurde. Selbstverständlich haben wir interne und externe Kandidaten angeschaut. Nach eingehenden Überlegungen kamen wir zum Schluss, dass wir jemanden ernennen wollen, der Erfahrung als amtierender CEO vorweisen kann und der gezeigt hat, dass er ­erfolgreich neue Märkte aufbauen kann. Tidjane Thiam war die Persönlichkeit, die wir suchten als Nachfolger für eine derart starke Führerfigur wie Brady Dougan.

Es sieht nach einem Armutszeugnis aus, wenn die Credit Suisse keinen internen Nachfolger präsentieren kann.
Das sehe ich nicht so. Wir haben ein starkes Management-Team, sehr kompetente Leute. Aber ich habe Ihnen unsere Überlegungen dargelegt. Das war kein negativer Entscheid gegenüber jemandem aus dem eigenen Haus. Auf der Basis, wie wir die CS heute sehen und wie wir sie weiterentwickeln wollen, kamen wir zum Schluss, dass Tidjane Thiam der Richtige ist.

Wieso ist er der Richtige?
Er bringt einen eindrucksvollen Leistungsausweis in der Finanzindustrie mit. Er hat Prudential 2009 in einem schwierigen Zustand übernommen und hat die Versicherungsgruppe über fünf Jahre überaus erfolgreich geführt. Er hat neue Märkte aufgebaut und besitzt vertiefte Kenntnisse des Wealth- und Investment-Management-Geschäfts. Das wird für uns in Zukunft der grosse Wachstumstreiber sein. Und Tidjane Thiam versteht den Umgang mit Risiken. Er führt eines der komplexesten Portfolios mit variablen Renten in den USA, er versteht von seiner Ausbildung her Risiken gut. Diese Fähigkeit war mir wichtig. Wir wollten jemanden, der das ganze Spektrum des Geschäfts versteht.

Aber sein Hintergrund ist das Versicherungsgeschäft. Er hat nie in leitender operativer Funktion für eine Bank gearbeitet.
Herr Thiam war zehn Jahre Direktor bei McKinsey und arbeitete dort für Banken und Versicherungen. Er hat ein Jahr für die Weltbank gearbeitet, er ist ausgebildeter Mathematiker, er hat sich immer mit Financial Services befasst. Ich kenne kaum jemanden, der derart profunde Kenntnisse über makroökonomische Themen, die Finanzmärkte und Investments hat. All das, gekoppelt mit einer starken, gewinnenden Führungspersönlichkeit, hat ihn für uns zum idealen CEO gemacht.

Kennen Sie Herrn Thiam schon länger?
Ja, wir sind uns im European Financial Services Roundtable begegnet.

Sie sagten, Herr Thiam habe Prudential in einem schwierigen Zustand übernommen und die Aufgabe gemeistert. Steckt die ­Credit Suisse in einer Krise?
Nein. Ich wollte nur darauf hinweisen, dass Tidjane Thiam in der Lage war, das Unternehmen schnell weiterzuentwickeln. Wir sind nicht im Krisenmodus, im Gegenteil, wir sind sehr stabil. Das ist auch der Grund, weshalb wir diese Stabsübergabe jetzt durchführen. Fünf Jahre lang mussten wir schwierige Themen verarbeiten, den Nachgang der Krise, regulatorische Neuerungen. Jetzt kommt die nächste Stufe in der Entwicklung der Bank. Das heisst Wachstum, auch in neuen Märkten und in Geschäftsfeldern, wo wir Chancen sehen.

Gehen wir angesichts des Werdegangs von Herrn Thiam richtig in der Annahme, dass die Rolle des Investment Banking künftig weniger wichtig sein wird?
Wir haben schon seit einiger Zeit gesagt, dass wir unser Kapital, das bislang zum grösseren Teil in der Investmentbank gebunden war, ausgeglichener allozieren wollen. Das heisst, zumindest je in etwa zur Hälfte in der Vermögensverwaltung und im Investment Banking. Wir bewegen uns mehr in Richtung Vermögensverwaltung, aber wir sind noch nicht dort, wo wir sein wollen. Im Investment Banking haben wir strategische Geschäftsfelder, die sich erfreulich entwickeln und die sich in den letzten zwei Jahren konsistent gut entwickelt haben. Aber wir werden darauf achten, dass sie profitabel bleiben und möglichst wenig volatil sind. Gleichzeitig beobachten wir die Entwicklung des regulatorischen Umfelds.

Bleibt das Ziel bestehen, das Kapital in etwa hälftig zwischen Investmentbank und Privatbank zu allozieren?
Das haben wir kommuniziert, dabei bleiben wir. Es ist verfrüht, über die künftige Strategie zu sprechen. Wir organisieren jetzt die Stabsübergabe zum neuen CEO. Seine Aufgabe wird es sein, sich ein Bild zu machen und Vorschläge zu unterbreiten. Fundamental bin ich der Meinung, dass wir eine solide Strategie aufgestellt haben. Wir haben uns ambitiöse Ziele gesetzt, wie unsere Bilanz weiter verkürzt werden soll, was notwendig ist, dies auch mit Blick auf künftige Kapitalanforderungen.

Eine Kritik im Markt ist, dass die Credit Suisse keine oder eine zu diffuse Strategie hat. Wann erhalten wir klarere Aussagen?
Ich kann diese Kritik nicht nachvollziehen. Ich weiss nicht, was Sie klarer haben wollen. Wir glauben fundamental daran, dass unser künftiges Wachstum aus der Vermögensverwaltung stammen wird und der Heimmarkt Schweiz eine wichtige Rolle spielt. Die wichtigsten Wachstumsquellen werden die Vermögensverwaltung und generell die Emerging Markets liefern.  Ich bin aber auch überzeugt, dass es wichtig ist, in einer derart grossen Bank ein starkes und profitables Bein im Investment Banking zu haben.

Hat der neue CEO freie Hand, um eine neue Strategie zu definieren?
Er wird sich nach seiner Amtsübernahme selbstverständlich ein Bild machen und zusammen mit dem Management und dem Verwaltungsrat diskutieren, welche konkreten Schritte er unternehmen will.

Sind bereits weitere Wechsel im ­Top-­Management geplant?
Nein.

Kann man sagen, dass die künftige Strategie primär auf der Vermögensverwaltung beruht und das Investment Banking eine Zudienerfunktion einnehmen wird, ähnlich wie es bei der UBS der Fall ist?
Es gibt wichtige Synergien zwischen den beiden Bereichen. Beide Bereiche bieten erfolgreiche, wichtige Geschäftsfelder, die wir als global agierender Finanzdienstleister bearbeiten wollen. Die Fähigkeit, auch komplizierte Investment-Banking-Dienstleistungen anzubieten, ist sehr wichtig für einen global agierenden Vermögensverwalter, der sich nicht zuletzt auch an Unternehmer in Wachstumsmärkten richtet. Aber es ist auch klar, dass das globale Vermögensverwaltungsgeschäft das grosse Wachstumsfeld in den nächsten Jahren sein wird.

Die Stabsübergabe findet im Sommer statt. Dann wird sich Herr Thiam zusammen mit dem Management und dem VR ein Bild ­machen. Wann kann realistischerweise mit einer klar formulierten Strategie für die ­Zukunft gerechnet werden?
Unsere strategischen Ziele bis Ende 2015 sind bereits kommuniziert. Alles, was danach kommt, wird in einem kontinuierlichen Dialog kommuniziert.

Die neuen strategischen Ziele…
…es gibt keine neuen strategischen Ziele…

…wir meinen die kommunizierte Verkürzung der Bilanz um weitere 200 Mrd.Fr. Kann die Credit Suisse diese Ziele ohne ­Kapitalerhöhung umsetzen?
Ja, davon gehe ich aus.

Es ist aber ambitiös, die Bilanz in einem derart kurzen Zeitraum um 200 Mrd. Fr. zu verringern. Das dürfte einiges kosten.
Es kommt darauf an, wie man es macht. Es ist richtig, es ist ein ambitiöses Ziel, aber ich bin überzeugt, dass das Management es schaffen wird. Wir haben unsere Ziele, was Kapitalausstattung und Liquidität betrifft, immer erfüllt.

Eine Versicherungs- und eine Bankbilanz sind sehr unterschiedlich. Ist es nicht gefährlich, einem Versicherer – auch einem sehr guten – die Aufgabe zu übertragen, die Bilanz einer Grossbank abzubauen?
Wie gesagt, wir haben ein extrem starkes Management-Team, und Tidjane Thiam versteht sehr viel von Investment-Banking-Risiken. Wir fangen auch nicht erst jetzt mit der Verkürzung unserer Bilanz an, wir haben bereits mehrere Hundert Milliarden abgebaut. Dieser Prozess wird geordnet weitergeführt.

Sie können also bestätigen, dass Credit Suisse dieses Jahr keine Kapitalerhöhung durchführen wird?
Ich kann Ihnen bestätigen, was ich bereits gesagt habe und was das Management im Rahmen der Präsentation der Viertquartalszahlen gesagt hat: nämlich dass der Abbau der Bilanz im geplanten Umfang durchgeführt wird und dass dieser Plan keine Kapitalerhöhung umfasst.

Wird der Abbau auch das Schweizer ­Geschäft betreffen?
Die Details zum Abbau werden später bekannt. Es ist aber sicher nicht so, wie zum Teil spekuliert wurde, dass wir in der Kreditvergabe an kleine und mittelgrosse Unternehmen abbauen werden.

Letzte Woche verliess Barend Fruithof, Leiter des Schweizer Firmenkundengeschäfts, überraschend die Bank. Besteht ein direkter Zusammenhang mit dem neuen CEO?
Nein, ich glaube nicht, dass Herr Fruithof etwas von dieser Personalie gewusst hat. Brady Dougan und mir war wichtig, dass wir einen harmonischen Übergang gestalten können, ohne unnötige Unruhe im Konzern. Das ist uns gelungen.

Was hat Dougan gut gemacht, was nicht?
Brady Dougan hat enorme Verdienste für Credit Suisse geleistet. Viel mehr, als ihm hierzulande zugestanden wird.

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