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15:15 Uhr - 12.08.2015

«Ins diversifizierte Portfolio gehört auch Gold»

Gerade jetzt, wo der Goldmarkt stark ausverkauft ist und einige Akteure kapituliert haben, sollte man seine Anlageprinzipien nicht über den Haufen werfen, sagt Fabian Dori, Anlagechef bei Notenstein, im Interview.

Zur PersonFabian Dori, Leiter Investment House der Notenstein Privatbank. Bild: ZVGHerr Dori, nach flottem Verlauf stocken verschiedene Börsen. Einzig der Schweizer Blue-Chip-Index SMI (SMI 9243.44 -1.92%) schloss letzte Woche fast auf Allzeithöchst. Ist nach mehr als sechs Jahren Hausse der Zenit erreicht?
Die Phase der grössten Kursgewinne liegt wohl hinter uns. Dennoch bleibt das Umfeld für Aktien mittelfristig vorteilhaft. Selbst wenn in den USA die Zinswende näher rückt, wird die von den Notenbanken bereitgestellte Liquidität sehr hoch bleiben. Das Sentiment für Aktien ist positiv, aber nicht überhitzt. Ebenso wenig sind es die Bewertungen, die absolut betrachtet zwar nicht mehr günstig, im Vergleich zum Festverzinslichen aber weiterhin attraktiv sind. Allerdings wird die Selektion der Märkte zunehmend wichtiger, nicht zuletzt weil die Geldpolitik der grossen Wirtschaftsräume mehr und mehr auseinanderlaufen wird.

Wie viel Luft nach oben besteht noch?
Nachdem das Thema Griechenland abgeklungen ist, richten sich die Blicke wieder mehr auf die fundamentalen Triebkräfte: Konjunktur, Unternehmensgewinne und Geldpolitik. Gerade in Europa sieht es vielversprechend aus. Die Wachstumsdynamik zieht an und die Unternehmensgewinne überraschen positiv. Die europäischen Märkte könnten bis Jahresende im positiven Szenario noch einmal 5 bis 10% hinzugewinnen. In den USA wird die Luft punkto Bewertung und Unternehmensgewinne dünner und die Geldpolitik tendenziell restriktiver. Da sehen wir kaum noch Aufwärtspotential, erwarten zurzeit aber auch keinen grösseren Einbruch.

Was liegt für die Schweizer Börse drin, die seit Jahresbeginn vor den USA, aber hinter Euroland rangiert?
Es ist nicht unwahrscheinlich, dass sie auch Ende Jahr an dieser Stelle steht. Der starke Franken schlägt auf viele Erfolgsrechnungen durch. Doch die Börse antizipiert die Zukunft, und in diese blicken nicht wenige Unternehmen recht positiv. Die Schweizer Konjunktur dürfte sich stabilisieren und vom Aufschwung im Euroraum profitieren. Nicht zuletzt bleibt auch der defensive Charakter des Schweizer Marktes mit einer hohen Zahl qualitativ hochwertiger Dividendentitel ein Argument für Schweizer Aktien.

Breitgeschlagen und in den Diskussionen trotzdem stets präsent: die noch für dieses Jahr zu erwartende erste Leitzinserhöhung in den USA. Wird sie Kursfolgen haben?
Die Märkte preisen die Abkehr von der ultralockeren US-Geldpolitik schon seit Monaten ein. Der Dollar notiert handelsgewichtet auf einem Zehnjahreshoch, der Goldpreis hat im Juli ein Vierjahrestief erreicht, und der schon länger gedrückte Rohstoffkomplex spiegelt sich in schwachen Märkten und Währungen der Schwellenländer. Wenn die Zinserhöhung dann tatsächlich kommt, könnte es zu einem «Sell the Facts» kommen. Danach könnte sich eine Vielzahl dieser Trends aber fortsetzen. Weniger der Zeitpunkt der ersten Zinserhöhung sondern der Pfad der nachfolgenden Schritte ist entscheidend. Eine expansive Geldpolitik einzuleiten ist einfacher, als sie zu kehren. Entsprechend erwarten wir, dass das Fed eher zu langsam als zu forsch vorgehen wird.

Sollen hiesige Anleger trotz Chancenplus  von Europa im (starken) Franken bleiben?
Ein gewisser Home Bias ist für den in Franken denkenden Privatanleger sinnvoll, gerade, wenn man von anhaltender Stärke unserer Währung ausgeht. Die jüngste Aufwärtsbewegung des Euros dürfte nicht deutlich über 1.10 Fr. hinaus gehen – eine Bandbreite von 1.05 bis 1.10 Fr. ist in den kommenden Monaten sehr wahrscheinlich. Etwas geografische Diversifikation gehört aber in jedes Anlegerportfolio. Unsere Favoriten dafür sind europäische und japanische Aktien.

Notenstein ist bekannt dafür, in Szenarien zu denken. Was ist das wahrscheinlichste?
Wir arbeiten mit fünf makroökonomischen Szenarien. Für die entwickelten Märkte sehen wir aktuell weiterhin am meisten Anzeichen für  «Aussitzen und Wursteln». Dieses Szenario beschreibt eine Welt schwachen Wachstums, tiefer Inflation und niedriger Zinsen sowie immer neuer Feuerlöschaktionen. So bleibt der untragbar hohe Schuldenberg Griechenlands auch mit einem dritten Hilfsprogramm erhalten und dürfte uns schon in absehbarer Zeit erneut beschäftigen.

Was unternimmt der Anleger, der ausser Kapitalerhalt ein paar wenige Prozentpunkte Realertrag über die nächsten fünf bis zehn Jahre erzielen will?
Wir verfolgen einen sehr massgeschneiderten Ansatz bei der Konstruktion von Kundenportfolios. Dabei stehen Fragen wie das langfristige Renditeziel sowie die individuelle Risikobereitschaft und -fähigkeit im Vordergrund. Grundsätzlich kann aber gesagt werden, dass es in einer Welt tiefer Zinsen und niedriger Inflation im festverzinslichen Bereich nicht mehr viel zu gewinnen gibt. Der Anleger muss sich auf der Risikoleiter weiter nach oben bewegen und einen höheren Aktienanteil halten. Am Grundsatz der Diversifikation ist aber dennoch zwingend festzuhalten.

In welcher Form?
Mit einem ausgewogenen Portfolio aus Obligationen und Aktien fährt man langfristig auch in Zukunft am besten. Dabei gehört für uns auch weiterhin eine strategische Goldkomponente ins Portfolio. Gerade jetzt, wo der Goldmarkt stark überverkauft ist und einige Akteure bereits kapituliert haben, sollte man seine Anlageprinzipien nicht über den Haufen werfen.

Welche Wahrscheinlichkeit hat das schlechteste, das Worst-Case-Szenario?
Wir nennen es «Roten Abgrund». In diesem Szenario gerät die Liquiditätsflut der Notenbanken ausser Kontrolle. Es kommt zu hoher Inflation und das Vertrauen der Anleger in die Stabilität des Geldes geht verloren. Aktuell steht dieses Szenario für uns nicht im Vordergrund. Trotzdem sollte es mit Blick auf den Vermögenserhalt immer im Hinterkopf bewahrt werden. Ein gut diversifiziertes Portfolio ist und bleibt die beste Vorkehrung.

Institutionelle Anleger werden dabei beobachtet, wie sie von Obligationen in Mischfonds oder Hedge Funds wechseln und Aktien aussen vor lassen. Lohnt sich diese Strategie auch für Privatinvestoren?
Je nach Risikotoleranz gehören Aktien für Privatanleger auf jeden Fall ins Portfolio. Der Dividendenvorteil – die Differenz zwischen Dividendenrenditen und Renditen von sicheren Anleihen – ist so hoch wie selten zuvor. Zusätzlich zur Dividende hat der Anleger Aussicht auf Kursgewinne. Letztlich ist ein gut diversifiziertes Portfolio nichts anderes als ein Mischfonds.

Bleiben Dividendenaktien auch bei wieder steigenden Zinsen attraktiv?
Zumindest in Europa, und damit auch in der Schweiz, werden die Zinsen wohl noch lange sehr niedrig bleiben. Dividendenaktien dürften daher attraktiv bleiben. Sollte sich die Konjunktur weiter verbessern, dürften jedoch auch Wachstumstitel in der Gunst der Anleger weiter steigen.

Welche Aktienverlierer haben das Zeugs, die Gewinner von morgen zu sein?
Schwellenländeraktien sind die Verlierer der letzten Jahre. Es wird der Zeitpunkt kommen, an dem sie wieder interessant werden. Das Sentiment ist so schlecht wie selten zuvor, nicht zuletzt wegen des dramatischen Kurseinbruchs in China.

Ist ein Umschwung in Sicht?
Die Schwäche der Schwellenmärkte hat tiefgreifende Ursachen: Vielerorts gibt es makroökonomische Ungleichgewichte, die durch die niedrigen Rohstoffpreise noch verstärkt werden. Solange sich das makroökonomische Umfeld für die Schwellenländer nicht deutlich verbessert, ist ein nachhaltiger Turnaround nicht zu erwarten. Bis dahin gibt es trotzdem  vereinzelte Chancen. So konnte sich beispielsweise Indien vor dem Hintergrund zunehmenden Wachstums und der Reformagenda der Regierung positiv vom Emerging-Markets-Trend abkoppeln.

Welche Schweizer Aktien sind ein Muss im Portefeuille aktiver Investoren?
In der Schweiz gefallen uns Autoneum (AUTN 190.6 -3.54%) besonders gut. Der Autozulieferer hat eine führende Position in Europa und in Südamerika und zählt fast alle namhaften Automobilhersteller zu seinen Kunden. Da Autoneum seine Produktionsstätten stets in Kundennähe hat, kann das Unternehmen auch mit dem starken Franken verhältnismässig gut umgehen. Ein weiterer Favorit sind die Aktien von Adecco (ADEN 78 -0.83%), dem weltweit grössten Vermittler von Temporärstellen. Seine Geschäftsentwicklung ist stets ein Abbild der Konjunktur – vor diesem Hintergrund dürfte der derzeit stattfindende Aufschwung in Europa das Geschäft positiv beeinflussen und der günstig bewerteten Aktie Aufwärtspotential verleihen.

Und im Euroland?
Auch die südeuropäischen Aktienmärkte sind aus Bewertungssicht attraktiv. Titel wie zum Beispiel die italienischen Energietitel Eni (ENI 15.73 -1.66%) oder Telefonica aus Spanien sind für langfristig orientierte Anleger interessant.

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