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07:09 Uhr - 08.12.2015

Kaum Aussicht auf Besserung für Versorger

Weil die klassische Stromproduktion nicht mehr rentiert, forcieren die Unternehmen das Dienstleistungsgeschäft. Anleger sollten vorsichtig bleiben.

Schweizer Stromversorger unter der LupeAlpiq, die BKW, Energiedienst sowie Repower und Romande Energie sehen sich in der aktuellen Lage mit unterschiedlichen Herausforderungen konfrontiert. Lesen Sie in den Beiträgen von FuW-Redaktorin Monica Hegglin und FuW-Redaktor Eflamm Mordrelle, wie sie diese meistern. Niedrige Grosshandelspreise für Strom in Europa, starker Franken, hohe regulatorische Unsicherheit: So beschreibt ein Sprecher von Alpiq das Marktumfeld, in dem Schweizer Stromversorger gegenwärtig arbeiten. Aussicht auf baldige Besserung gibt es nicht. Kein Wunder, passen die Unternehmen ihre Geschäftsmodelle an. Das Zauberwort heisst dabei Energiedienstleistungen. Trotzdem: Die Lage wird noch länger schwierig bleiben.

Der Befund ist unerfreulich: «Die klassische Stromproduktion ist defizitär», sagt BKW-Chefin Suzanne Thoma. BKW gewinnt Strom schwergewichtig auszoom Atom- und Wasserkraft. «Die herkömmlichen Kraftwerke rentieren nicht mehr», konstatiert auch Carsten Schlufter, auf Versorgungsunternehmen spezialisierten Analyst und Stratege bei der Grossbank UBS (UBSG 19.37 -0.46%). Atom- und Wasserkraft, die in der Schweiz für 37,9 resp. 56,4% des Stroms verantwortlich sind, sind also in der Produktion zu teuer.

Überangebot an Strom

zoomGründe für diese Lage gibt es mehrere. Der Wichtigste: Die politisch gewollte, kräftige Förderung von erneuerbaren Energien hat zu einem massiven Ausbau insbesondere der Sonnen- und Windkraft geführt. Strom aus diesen Quellen flutet jetzt den europäischen Markt und hat zum freien Fall der Grosshandelspreise geführt.

Dem grossen Stromangebot steht zudem eine wegen schwacher Konjunktur und verstärkter Anstrengungen zu mehr Energieeffizienz sinkende Nachfrage gegenüber. Betrug der Pro-Kopf-Stromverbrauch in der Schweiz zur Jahrtausendwende noch etwas mehr als 7500 Kilowattstunden, liegt er nun leicht darunter.

Zum Problem der niedrigen Grosshandelspreise für Strom ist Anfang Jahr noch die Aufhebung der Anbindung des Frankens an den Euro gekommen, die zu einer starken Aufwertung der Schweizer Währung geführt hat. Das erschwert das Auslandgeschäft der hiesigen Versorger.

Auch ein Grund ist, dass die Preise für den Ausstoss des Treibhausgases CO2 nach wie vor zu tief sind. Das führt dazu, dass mit Gas und – am problematischsten, weil am CO2-intensivsten – Kohle (Kohle 51.1 -1.16%) weiter günstig Strom produziert werden kann.

Schliesslich hat die Schweiz den Atomausstieg beschlossen und baut das Energiesystem um. Das Parlament hat zwar mit der Beratung der Energiestrategie 2050 schon begonnen und erste Entscheide gefällt; substanzielle Teile des Massnahmenpakets sind aber noch unklar. Die resultierende Unsicherheit erschwert Investitionsentscheide.

Eine baldige Besserung dieses wirtschaftlichen und politischen Umfelds ist nicht in Sicht. «Ich gehe nicht davon aus, dass sich die europäischen Grosshandelspreise demnächst erholen werden. Im Gegenteil: Es besteht noch weiteres Potenzial nach unten», sagt UBS-Mann Schlufter. Auch die Frankenstärke wird so bald nicht verschwinden. Und die politischen Mühlen mahlen bekanntlich langsam.

Angesichts dieser Situation lassen die Schweizer Stromversorger bei Investitionen Vorsicht walten. Repower (RE 80 -5.88%) etwa hat weit fortgeschrittene Kraftwerkprojekte auf Eis gelegt oder verkauft. Andere Vorhaben werden an die gängigen Subventionsmechanismen angepasst mit dem Ziel, an den staatlich bereitgestellten Fördermitteln teilhaben zu können. Auch Romande Energie (HREN 941.5 1.78%) nimmt nur noch Projekte in Angriff, bei denen subventionierte Einspeisetarife die Profitabilität garantieren.

Neue Ertragsquellen gesucht  

Weiter suchen die Versorger verzweifelt nach neuen Ertragsquellen, die sie unabhängiger machen von der Entwicklung des Strompreises. Alle haben deshalb begonnen, Dienstleistungen rund ums Energiegeschäft anzubieten. Beispiele sind Gebäudetechnik und Elektroinstallationen (etwa Alpiq und BKW), Energieeffizienz (BKW, Repower und Romande Energie), E-Mobilität (Energiedienst (EDHN 25.7 0%) und Repower), Wärmelösungen und Wärmepumpen (Energiedienst und Romande Energie), Verkehrstechnik (Alpiq). Doch der Aufbau eines neuen Geschäftsfelds braucht Zeit. Am weitesten fortgeschritten ist er bei Alpiq, die schon vor über zwanzig Jahren mit der Erbringung von Energiedienstleistungen begann. Trotzdem trägt der Geschäftsbereich Energy Services heute erst 20% zum Umsatz bei.

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Trotz des Aufbruchs in neue Geschäftsfelder: «Die Stromsektor wird in den nächsten Jahren unter Druck bleiben», sagt Schlufter, der keinen einzigen der Schweizer Versorger auf seiner Empfehlungsliste hat. Zwar notieren mit Ausnahme von Energiedienst alle Versorgeraktien unter Buchwert (vgl. Tabelle), was sie als potenzielle Value-Anlage erscheinen lässt. Doch ob sich dieser Wert mittelfristig realisieren lässt, ist angesichts des anhaltend schwierigen Umfelds mehr als fraglich. Am besten positioniert sind noch Unternehmen wie BKW und Romande Energie, die ein bedeutendes Endkundengeschäft im regulierten Bereich haben, das ihnen einen kostendeckenden, stabilen Ertrag liefert.

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