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07:01 Uhr - 13.10.2014

Liquiditätsillusion am Bondmarkt

Die zunehmende Beteiligung der Privatanleger an illiquideren Marktsegmenten weckt Besorgnis. Hochzinsanleihen gehen in eine entscheidende Phase.

Es klingt paradox: Der Markt für Unternehmensanleihen boomt, doch gleichzeitig warnen verschiedene Stimmen vor zunehmenden Liquiditäts­risiken. Wie passt das zusammen?

Anleihen von Unternehmen und auch von Schwellenändern werden zwar haufenweise begeben, danach werden sie aber kaum mehr gehandelt. Der grösste Vermögensverwalter BlackRock bezeichnet den Sekundärmarkt für Unternehmensanleihen deshalb als kaputt. Für Beat Wittmann, CEO von TCMG Asset Management, stellt die Illiquidität im Obligationenmarkt gar das mit Abstand grösste Extremrisiko dar. Auch mehrere Zentralbanken und die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich haben auf die Risiken der Marktilliquidität auf dem Kreditmarkt hingewiesen, und der Internationale Währungsfonds (IWF) widmet dem Thema
im neuen Finanzmarktstabilitätsbericht  mehrere Seiten.

Versteckte Risiken

Seit der Finanzkrise gehören Unternehmensanleihen zur Anlageklasse erster Wahl. Die Kurse sind kontinuierlich gestiegen, die Kreditrisikoprämien (Spread) geschrumpft. Besonders eindrücklich war die Verengung der Spreads bei qualitativ minderwertigen Hochzinsanleihen (High Yield, vgl. Grafik 1). Das Volumen an ausstehenden Unternehmensanleihen und -krediten hat sich in den USA in sieben Jahren auf fast 10 Bio. $ verdoppelt.

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«Der Anleihenmarkt hat die Rolle der Banken übernommen», schreiben die Analysten von RBS. Deshalb ist er von systemischer Bedeutung. Vor allem Anlagefonds und ETF haben bei der Bereitstellung von Fremdkapital für Unternehmen rasant an Bedeutung gewonnen. In den USA halten Fonds, ETF und Privathaushalte zusammen 30% der Unternehmens- und Schwellenländeranleihen. 2008 betrug der Anteil weniger als 20% (vgl. Grafik 2). Diese Anlegergruppe investierte zudem zunehmend in weniger liquide und riskantere Segmente. So ist das verwaltete Vermögen der Schwellenländer- und High-Yield-Fonds seit 2008 förmlich explodiert, von unter 200 Mrd. auf fast
1 Bio. $ (vgl. Grafik 3).

Wenn ETF nicht halten, was sie versprechenMangelnde Liquidität des Basiswerts schlägt auf Indexfonds durch. Weniger liquide Märkte wie High Yields bergen Gefahren. Lesen Sie hier den Artikel von FuW-Redaktor Hanspeter Frey.Dank der Zuflüsse haben sich die Geld-Brief-Spannen auf dem Sekundärmarkt teilweise gar verengt, weshalb Investoren laut IMF einer «Liquiditätsillusion» verfallen. Zu dieser Illusion tragen auch die Verfügbarkeit von ETF und Fonds mit täglichem Handel bei.

Doch andere Liquiditätsmasse (vgl. hier) haben sich verschlechtert: Das Handelsvolumen ist deutlich zurückgegangen. Vor der Finanzkrise wurden US-Unternehmensanleihen mit Anlagequalität im Schnitt 1,3-mal im Jahr gehandelt, heute nicht mal mehr jedes Jahr. Die Umsatzrate ist auf 70% gefallen (vgl. Grafik 4). Auch die Zahl der grossen Deals und die Deal-Grösse allgemein haben abgenommen. Es sei schwieriger geworden, grössere Brocken zu handeln, berichten Branchenfachleute. Der Grund ist ein regulatorischer: Wegen der neuen Eigenmittelanforderungen des Regelwerks Basel III sind die Banken weniger dazu bereit, Bonds auf ihre Bücher zu nehmen, bis sie einen  Käufer gefunden haben. Seit 2007 sind ihre Lagerbestände um 75% auf 22 Mrd. $ gefallen, was 0,3% des Marktvolumens entspricht (vgl. Grafik 5). Die Funktion der Banken als Intermediäre ist beim Bondhandel zentral. Anders als Aktien werden Anleihen nicht an der Börse, sondern dezentral vorwiegend per Telefon gehandelt.

Gutes Jahr für Corporate Bonds Ein Anstieg der Emissionstätigkeit in der Schweiz ist nicht wahrscheinlich. Lesen Sie hier den Artikel von FuW-Redaktor Manfred Kröller.Es gibt Bestrebungen, elektronische Handelsplattformen zu etablieren. Sie stossen jedoch auf wenig Interesse. Laut Greenwich Associates läuft insgesamt nur 1% des Handels über Plattformen wie Bonds.com, Aladdin (BlackRock) oder PIN von UBS (UBSN 15.36 -1.6%). Das Hauptproblem ist die Heterogenität. Es gibt eine Art von Nestlé-Aktien, aber über 100 Nestlé-Anleihen mit unterschiedlichen Laufzeiten und Bedingungen. BlackRock fordert daher eine erhöhte Standardisierung bei Anleihen. Doch eine Lösung ist weit entfernt.

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Der Notausgang ist zu eng

Das Grundproblem dürfte also noch länger bestehen: Zu viel Geld ist in täglich handelbare Instrumente geflossen, deren zugrundeliegenden Wertpapiere nicht gleich liquid sind. «Weniger Liquidität heisst, dass der Ausgang aus dem Markt enger ist», schreibt RBS. Das kann in einem Abwärtsmarkt zum Problem werden. Ein Vorgeschmack lieferte die Verkaufswelle bei High Yield im Juli, als aus heiterem Himmel Anleger Geld aus High-Yield-Fonds abzogen (vgl. Grafik 6). Solche Verkäufe können andere Anleger mitreissen, die Fonds müssen verkaufen. Doch auf der Käuferseite ist niemand. «Zum Glück hat sich der Markt nach einem Verlust von 2% gefangen,» meint High-Yield-Experte Gregor Taraszow der Bantleon Bank. «Fällt der Markt 4% oder mehr, sieht es anders aus.» Derzeit läuft eine weitere Verkaufswelle. Seit Ende August hat High Yield 3% verloren, die Nervosität steigt.

Hochzinsanleihen weisen also nicht nur Kredit- und Zinsänderungsrisiken auf, sondern auch ein erhebliches Liquiditätsrisiko. Diese Risiken werden auch nach dem Anstieg der Renditeaufschläge auf 440 Basispunkte nicht genug entschädigt. Anleger sollten sich von dieser Anlageklasse weiterhin fernhalten.

Was heisst liquid?Der Begriff Liquidität (von lat. liquidus, flüssig) wird vielseitig angewandt. Die makroökonomische Liquidität bezieht sich auf die geldpolitischen Rahmenbedingungen einschliesslich Zinsniveau, Geldmengen- und Kreditwachstum. Wenn also von der Liquiditätsschwemme der Notenbanken die Rede ist, sind damit etwa tiefe Leitzinsen und die Ausweitung der Geldmenge gemeint. An den Finanzmärkten steht oft auch die Marktliquidität im Zentrum. Sie bezieht sich auf die Eigenschaften von Märkten und Vermögenswerten. Ein Vermögenswert ist dann liquide, wenn er zeitnah und mit geringen Kosten gehandelt werden kann, ohne dadurch einen signifikanten Effekt auf den Preis auszuüben.

Die Möglichkeit, ein Wertpapier kostengünstig zu handeln, wird auch Flow-Liquidität genannt und wird mit der Geld-Brief-Spanne gemessen. Typische Kosten, die die Liquidität verringern, sind Such- oder Vermittlungskosten wie etwa im Immobilienhandel. Die verschiedenen Liquiditätskonzepte haben gemeinsam, dass Liquidität als Möglichkeit betrachtet wird, schnell an Bargeld zu kommen, sei es durch den Verkauf einer Anlage oder den Zugang zu Kredit.

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