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11:16 Uhr - 18.11.2014

«Gelddrucken hat noch nie funktioniert»

Fred Hickey, Verfasser des Investmentbulletins «The High-Tech Strategist», warnt im Interview mit «Finanz und Wirtschaft» vor den Gefahren der ultralockeren Geldpolitik und rät zu Engagements in Gold.

Es ist unbekanntes Terrain: Erstmals seit mehr als einem halben Jahrzehnt sollen die Finanzmärkte ohne die ständigen Liquiditätsspritzen der amerikanischen Notenbank auskommen. Fred Hickey rechnet deshalb damit, dass an der Börse bald erneut Nervosität ausbrechen wird. «Die ultralockere Geldpolitik hat unbeabsichtigte Konsequenzen und führt zu immer grösseren Verzerrungen, wozu beispielsweise die wachsende Vermögensungleichheit zählt», sagt der scharfe Denker, der kein Blatt vor den Mund nimmt und seine Wurzeln im Technologiesektor hat. Vor allem für Halbleiterhersteller wie Intel (INTC 34.24 0.85%) sieht er trübe Perspektiven. Um sich gegen einen Crash zu wappnen, empfiehlt er Engagements in Gold (Gold 1202.05 1.32%) und Minenaktien.Zur Person Fred HickeyDer einflussreiche Newsletter von Fred Hickey ist für viele US-Investoren Pflichtlektüre. Er ist ein reichhaltiger Fundus an Detailwissen, das weit über den IT-Sektor hinausgeht. In der Bostoner Technologieregion um die Route 128 aufgewachsen, lernte Hickey sein Rüstzeug durch ein Finance-Studium an der University of Notre Dame und als Buchprüfer beim Telecomriesen GTE. 1987 begann er für Freunde über seine Investmentideen zu schreiben. Das lief so gut, dass er sich bald selbständig machte. Heute lebt der 58-Jährige in New Hampshire und Costa Rica. Bild: ZVG

Herr Hickey, nach dem kurzen Rückschlag vom Oktober geht die Rekordjagd am US-Aktienmarkt bereits weiter. Wie stufen Sie diese Situation ein?
Wir leben in einer Welt geistiger Umnachtung. Rund um den Globus lassen die Zentralbanken die Geldpresse auf Hochtouren laufen. Wie die Geschichte zeigt, hat Gelddrucken aber noch nie funktioniert. Schon als das Römische Reich unterging, wurden die Silbermünzen gestreckt, um mehr Geld zu schaffen. Ebenso liess Reichsbankpräsident Rudolf Havenstein während der Hyperinflation in der Weimarer Republik die Druckmaschinen Tag und Nacht laufen. Nun begehen wir den gleichen Fehler erneut.

Die Märkte aber lieben das billige Geld.
Ich halte mich an die Österreichische Schule. In meinem Büro hängt ein Zitat des Ökonomen Ludwig von Mises, gemäss dem jede Kreditausdehnung letztlich in allgemeiner Verarmung endet. Von Mises hat auch gesagt, dass ein Boom nur so lange anhält, wie das Kreditvolumen in immer höherem Tempo wächst. Genau in diesem Teufelskreis stecken die Zentralbanken: Sobald die US-Notenbank das Stimulusprogramm QE1 beendete, geriet die Konjunktur ins Taumeln, und die Börse brach 13% ein. Als QE2 auslief, gaben die Kurse 16% nach. Dieses Mal brach bereits Panik aus, bevor das Fed QE3 stoppte. Erst als James Bullard, Präsident der Fed-Distriktnotenbank von St. Louis, davon sprach, das Programm allenfalls zu verlängern, beruhigte sich die Lage.

Fed-Chefin Janet Yellen hat nun trotzdem den Stecker gezogen und QE3 beendet.
Deshalb rechne ich damit, dass der Markt bald erneut einbrechen wird. Weil sich Aktien im November und Dezember saisonal meist gut entwickeln, könnte es zwar zu einem Schlussspurt kommen, in dem die Kurse vorerst auf ein noch extremeres Niveau steigen. Ohne ein neues QE-Programm wird die Börse aber spätestens Anfang 2015 tauchen. Wie lange das globale Experiment der Zentralbanken noch weitergehen kann, weiss ich nicht. Es fühlt sich aber mehr und mehr so an, als ob wir uns dem Tag nähern, an dem alles ausser Kontrolle gerät und im Chaos endet.

Wo sehen Sie denn die grösste Gefahr für eine Korrektur, wenn ein weiteres Stimulusprogramm ausbleibt?
Ich war bereits während des Internetbooms zur Jahrtausendwende skeptisch und zählte zu den wenigen IT-Investoren, die «es» nicht begriffen, weil wir ja angeblich in einer ganz neuen Ära waren. Damals waren Aktien gemessen am Kurs-Gewinn-Verhältnis zwar viel teurer. Der Markt ist aber auch heute zu annähernd 25% überbewertet. Hinzu kommt, dass viele Unternehmen den Gewinn pro Aktie durch Rückkäufe künstlich aufblähen und für solche Tricks ein Rekordvolumen an Schulden anhäufen. Die Einnahmen hingegen halten nicht mit. So ist das Kurs-Umsatz-Verhältnis heute höher als in den Jahren 2000 und 2007. Anders als während der IT-Blase finden die Übertreibungen zudem auf viel breiterer Front statt.

Wie sollen sich Investoren demnach am besten verhalten?
Die Notenbanken haben einen riesigen See voll Liquidität geschaffen. Die Herde schwimmt schon lange darin und hält das für wunderschön. Man hört immer wieder einladende Worte wie: «Spring rein! Das Wasser ist warm.» Ich hingegen sehe eine Jauchegrube, und wer nicht rechtzeitig rausgeht, wird untergehen und sterben.

Solche Kritik wird nicht immer geschätzt. Das Anlegermagazin «Barron’s» zum Beispiel hat Sie vor kurzem aus seiner halbjährlichen Expertenrunde ausgeladen. Wie kommen Sie persönlich als Contrarian in diesem Bullenmarkt zurecht?
Man muss eigenständig denken und sich von all dem Irrsinn der Welt distanzieren. Mein Rat ist, den Hype von Börsensendern wie CNBC auszublenden. Auch muss man sich dem Druck der Herde widersetzen, denn sie wettet ohnehin immer auf steigende Kurse. Dieselben «Experten», die 2000 und 2007 kurz vor dem Crash zu Engagements in Aktien rieten, spornen heute erneut zum Kauf an. Umso wichtiger ist, sich emotional nicht hinreissen zu lassen und geduldig zu bleiben. Das ist jedoch nicht einfach, denn all die anderen schwimmen in der Liquidität und haben eine grossartige Zeit.

Besonders gut haben sich Aktien aus dem Technologiesektor entwickelt. Wie sehen hier die Perspektiven aus?
Die Weltwirtschaft schwächt sich ab. Das spürt die IT-Branche, denn sie ist heute so gross, dass auch sie der globalen Konjunktur ausgeliefert ist. Das Fed und Investmentbanken wie Goldman Sachs (GS 189.93 -0.03%) kündigen zwar jedes Jahr an, dass die Unternehmen nun investieren werden. Bisher ist das aber nie passiert, und grosse IT-Konzerne wie Hewlett-Packard (HPQ 37.41 1.33%), IBM (IBM 164.16 0%), Oracle (ORCL 41.16 0.78%) oder Cisco liefern einen enttäuschenden Quartalsbericht nach dem anderen. Dennoch halten sich ihre Aktien bisher gut – mit Ausnahme von IBM, wo es inzwischen richtig schlimm aussieht.

Wo gibt es die grössten Probleme?
Der PC-Markt ist seit Jahren rückläufig, wobei sich der Abschwung zuletzt etwas verlangsamt hat. Das aber nur, weil Microsoft (MSFT 49.46 -0.24%) das Betriebssystem Windows XP seit April nicht mehr unterstützt und Unternehmen so gezwungen hat, ihre IT-Infrastruktur nachzurüsten. Dadurch hat sich der PC-Markt Ende 2013 und dieses Jahr etwas belebt. Der Upgrade-Zyklus ist jetzt aber abgeschlossen. Das bestätigen Grossisten wie CDW, Insight oder PC Connection. Der Umsatzschwund wird sich damit wieder verschärfen. Hinzu kommt, dass sich der negative Effekt des festen Dollars mit voller Wucht niederschlägt und die nächsten Quartalszahlen an den relativ guten Vorjahreswerten gemessen werden.

Und wie geht es Branchenleader Apple?
Apple (AAPL 113.99 -0.17%) wird ein Bombenquartal haben. Das ist der einzige Bereich im IT-Sektor, wo es gut läuft. Nachdem Apple-Kunden über Jahre auf ein Handy mit grösserem Bildschirm warten mussten, wollen nun alle das neue iPhone. Ein neuer Produktzyklus von Apple führt aber immer zur Kannibalisierung anderer IT-Ausgaben, was wiederum schlecht für Hersteller von PC und anderen Elektronikgeräten ist. Interessant ist zudem, dass grosse Internetkonzerne wie Amazon (AMZN 323.05 -1.46%), Google (GOOGL 546.64 -1.54%), eBay, Priceline oder Yelp (YELP 58 -3.04%) alle mit dem Quartalsabschluss enttäuscht haben. Das sagt viel über die schwache Verfassung der Konjunktur aus, sind das doch eigentlich die Gewinner, die nicht wie IBM oder HP ständig Marktanteile verlieren.

Was heisst das für Ihre Anlagestrategie?
Die Abkühlung im PC-Markt spüren vor allem Halbleiterhersteller wie Microchip Technology, Freescale Semiconductor, Intersil oder Altera. In Probleme geraten wird ebenso Branchenführer Intel, der wie immer überoptimistisch ist und sogar Lager aufgebaut hat. Dennoch bewegen sich Chipaktien nahe einem Rekordhoch. Im Prinzip müsste man also auf sinkende Kurse setzen. Wegen der saisonal vorteilhaften Börsenlage könnten die Titel aber vorerst noch weiter steigen, weshalb ich mich zurückhalte. Wenn im Januar jedoch die schwachen Quartalszahlen kommen, werde ich mir IT-Aktien vorknöpfen und «guerillamässig» kurz vor der Publikation einzelner Resultate auf Put-Optionen setzen.

Wie sieht es im Vergleich dazu mit längerfristigen Engagements aus?
Ich war lange kein Fan von Gold und besass bis Ende der Neunzigerjahre keine einzige Unze. Als Fed-Chef Alan Greenspan 2002 jedoch die Schleusen öffnete, suchte ich nach Schutz. Mit IT-Aktien geht das nicht, denn sie sind von schnelllebigen Trends abhängig und eignen sich nicht zur Wertaufbewahrung. Anders ist das mit Edelmetallen, wie die Geschichte bewiesen hat. Ich begann also in Gold zu investieren, hätte aber nie gedacht, dass die Zentralbanken dermassen viel Geld drucken würden. Mit dieser Strategie bin ich bis 2011 ausgezeichnet gefahren, zumal Gold weit besser abschnitt als Aktien.

Seither ist der Preis aber stark gesunken.
2011 floss viel schnelles Geld in den Goldmarkt, wodurch er überkauft war. Dass die Korrektur nun so lange dauert, hängt auch mit der grossen Abneigung gegen Gold zusammen. Dieselbe Meute, die für Blasentitel wie Tesla Motors (TSLA 253.98 -1.82%), GoPro (GPRO 81.5 2.97%) oder NetSuite jeden Preis zahlt, hasst Gold. Sie glaubt an das Märchen, dass das Fed zu einer normalen Geldpolitik zurückkehren kann, die Wirtschaft an Fahrt gewinnt und alles gut ausgeht. Warnrufe von Goldanlegern werden da nicht gern gehört. Auch glaube ich, dass das billige Geld der Zentralbanken genutzt wird, um Goldinvestoren zu bestrafen.

Behaupten Sie damit, der Goldpreis werde manipuliert?
Derzeit sind so gut wie alle Preise manipuliert: Zinsen werden künstlich tief gehalten, Aktien gepusht und Gold nach unten gedrückt. Am Terminmarkt wird mit riesigen Kredithebeln gezielt versucht, technisch wichtige Widerstandslinien des Goldpreises zu brechen. Diese Angriffe finden nachts oder frühmorgens statt, wenn der Handel dünn ist. Kurzfristig mag das funktionieren. Klar ist aber, dass die Nachfrage nach physischem Gold steigt. Auch ist die Leasing-Rate für Gold momentan negativ, was sehr selten ist und auf Engpässe hindeutet. Ich hoffe daher, dass der Druck sinkt und die Nachfrage robust genug ist, um neue Attacken abzuwehren.

Was raten Sie bei Engagements in Gold?
Am einfachsten ist es, dass Metall selbst zu kaufen, etwa über einen ETF. Wichtig ist aber, dass man einen Teil in physisches Gold investiert und davon als Versicherung etwas im Ausland deponiert. Schwieriger ist es mit Minenaktien, die stark schwanken. Dass sie nun am Boden sind, eröffnet Chancen. Entscheidend ist dabei, wo sich die Minen befinden. In Russland oder Venezuela muss man sich stets vor Enteignung fürchten. In anderen Ländern wie Bolivien drohen massive Steuererhöhungen. Mir gefällt deshalb eine Gesellschaft wie Agnico-Eagle  Mines, die Standorte in Kanada, Mexiko und Finnland hat. Wichtige Kriterien sind auch die Qualität der Minen, nachhaltige Förderkosten und der Leistungsausweis des Managements. Das spricht für Titel wie Goldcorp (GG 20.57 0.73%), New Gold, AuRico Gold und Detour Gold.

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