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16:15 Uhr - 04.09.2014

Die EZB holt zum nächsten Schlag aus

An ihrer monatlichen Sitzung hat sie überraschend beschlossen, die Zinsen zu senken und ABS-Wertschriften sowie Covered Bonds aufzukaufen.

Die Europäische Zentralbank (EZB) überraschte am Donnerstag die Märkte. Ihr Vorsitzender, Mario Draghi, gab eine breit angelegte geldpolitische Lockerung bekannt.

Ab Oktober wird sie Asset Backed Securities (ABS) aufkaufen. Einzelheiten dazu sollen an der nächsten Sitzung Anfang Oktober definiert werden. Aber so viel steht schon heute fest: Unter das Kaufprogramm fallen ausstehende und neu zu emittierende Papiere. Es umfasst ABS, die mit Immobilien unterlegt sind. Draghi erwähnte Residential Mortgage Backed Securities (RMBS), also mit Wohnhypotheken besicherte ABS. Ausserdem will die EZB auch ABS ankaufen, die durch Kredite von Banken an Unternehmen der Realwirtschaft unterlegt sind. Die schon vor Monaten in Aussicht gestellte Förderung von Kreditverbriefungen wird nun also tatsächlich in Kraft treten.

Im Oktober kehrt die EZB darüber hinaus zu einer früheren Massnahme zurück: Sie wird Covered Bonds (Pfandbriefe etc.) erwerben. Draghi sprach vor den Medien von einem breit angelegten Kaufprogramm. Aber wie im Fall der ABS scheute er sich, ein Volumen zu schätzen. Die Aufkäufe scheinen also unbegrenzt angelegt zu sein.

Zinsen am untersten Ende angelangt

Als dritte Massnahme entschied die EZB, alle drei von ihr gesteuerten Leitzinsen um 0,1 Prozentpunkte zu senken. Sogar der Einlagensatz, zu dem Banken überschüssige Gelder über Nacht bei der EZB parken können und den sie im Juni erstmals unter null gesetzt hatte, wurde tiefer ins Minus reduziert: Er beträgt fortan –0,2%. Den zentralen geldpolitischen Satz (Hauptrefinanzierungssatz) senkt sie auf 0,05%. Der Spitzensatz für Notfinanzierungen durch die EZB liegt neu auf 0,3%.

Draghi erklärte, dass die Zinsen damit ihr tiefstmögliches Niveau erreicht hätten. Banken sollten sich darüber im Klaren sein: Noch niedrigere Sätze seien nicht zu erwarten. Damit will die EZB verhindern, dass Banken günstigere Konditionen abwarten und sich nicht an den Langfristtendern TLTRO beteiligen, die die EZB in zwei Wochen starten wird. Banken können sich von der EZB Geld ausleihen, falls sie es als Kredite an kleine und mittlere Unternehmen weiterverkaufen.

Der Euro schwächte sich umgehend ab. Er verlor rund 1% zum Dollar und notierte kurz unter 1.30 $/€. Das entsprach wohl auch der Absicht der Zentralbanker. Sie wünschen eine konkurrenzfähigere Währung, um der lahmenden Konjunktur der Eurozone neuen Schub zu verleihen. Wie hoch der Wechselkurs derzeit auf der Prioritätenliste der EZB steht, lässt sich aus der Inflationsprognose des Instituts ablesen. Draghi zitierte ihn explizit als Bestimmungsfaktor für die Preisentwicklung. Die EZB werde ihn genau beobachten.

Ein Kompromiss im Rat

Die mutigen Massnahmen, die selbst der Markt so nicht erwartet hatte, beschloss der EZB-Rat aber nicht einstimmig. Man habe mit einer komfortablen Mehrheit entschieden, sagte Draghi. Einige Zentralbankchefs hätten den Kaufprogrammen nicht zugestimmt, andere hätten sogar noch weiter reichende Akquisitionen vorgeschlagen. Zu denken ist an QE: einen Aufkauf von Staatsanleihen beispielsweise. Am Ende spiegelt der Beschluss den Mittelweg.

Draghi verwendete viel Zeit darauf, die nun beschlossenen Massnahmen nicht als quantitative Lockerung zu bezeichnen. Im Vordergrund stehe die Erleichterung der Kreditbedingungen in der Eurozone. Es gehe nicht darum, nur Geld zu schöpfen.

Prognosen nach unten korrigiert

Die Wachstumsprognosen für die Eurozone revidierte die EZB nach unten: 2014 und 2015 wird das Bruttoinlandprodukt nur noch 0,9 resp. 1.6% zulegen. Die Prognose für 2016 – ein Wirtschaftswachstum von 1,9% – behielt sie dagegen bei.

Die durchschnittliche Inflation für 2014 setzte die EZB mit 0,6% ebenfalls tiefer als an der letzten Quartalsveröffentlichung. Für 2015 und 2016 geht sie indes weiterhin von 1,1 resp. 1,4% Teuerung aus.

 

14.40 Euro nach EZB-Überraschung unter 1,30 Dollar

(Reuters) Nach der überraschenden Senkung der Leitzinsen für die Euro-Zone und weiteren Konjunkturhilfen ist der Euro am Donnerstag unter die Marke von 1,30 $ gerutscht. Mit 1,2997 $ notierte die Gemeinschaftswährung so niedrig wie zuletzt im Juli vorigen Jahres. Die EZB senkte im Kampf gegen eine drohende Deflation ihren Leitzins auf das neue Rekordtief von 0,05 %. Die meisten Experten hatten nicht mit dieser Entscheidung gerechnet. Zudem kündigte EZB-Chef Mario Draghi den Kauf von Kreditverbriefungen (ABS) und Pfandbriefen an.

13.45 Der Zinsentscheid

(Reuters) Die EZB senkt im Kampf gegen eine drohende Deflation ihren Leitzins auf das neue Rekordtief von 0,05%. Das teilte die Notenbank am Donnerstag in Frankfurt mit. Der Schlüsselsatz für die Versorgung des Bankensystems mit Zentralbankgeld lag seit Juni bei 0,15%. Die Gründe für den Beschluss wird EZB-Präsident Mario Draghi am Nachmittag (14.30 Uhr MESZ) vor der Presse erläutern. Den Einlagesatz, zu dem Banken bei der EZB kurzfristig Geld parken können, senkte die EZB auf minus 0,2 von minus 0,1%.

Hintergrund:

(THA) An der Pressekonferenz nach der Zinssitzung der Europäischen Zentralbank (EZB) am Donnerstag wird Mario Draghi einmal mehr sein rhetorisches Talent unter Beweis stellen können.

Die Erwartungen der Finanzmärkte an den EZB-Präsidenten sind hoch und es gäbe genügend Gründe, in die geldpolitische Trickkiste zu greifen: Die Wirtschaftsflaute in der Eurozone schürt bereits Ängste vor einer erneuten Rezession und die Entwicklung der Teuerung verschärft die Deflationssorgen. Dennoch dürfte die EZB im September höchstens kosmetische Massnahmen beschliessen und etwa die Leitzinsen leicht senken.

Draghi stellt die Weichen neu

Positive Wirtschaftsdaten aus der Eurozone sind derzeit Mangelware. Die zaghafte Erholung, die sich Anfang des Jahres noch abzeichnete, hat sich in Luft aufgelöst. Die Wirtschaft wuchs im ersten Quartal 0,2% verglichen zum Schlussquartal 2013, von April bis Juni stagnierte sie. Dem Euroraum droht erneut ein Abrutschen in die Rezession. Es wäre die dritte innerhalb von sechs Jahren – ein sogenannter Triple Dip. Das trübe Bild unterstreichen die finalen Einkaufsmanagerindizes zoomDie Weltkonjunktur hängt am Tropf der USADie Konjunkturaussichten in Europa und China verdüstern sich. Derweil klettert der Einkaufsmanagerindex der US-Industrie auf den höchsten Stand seit März 2011. Lesen Sie hier die Analyse von FuW-Redaktor Peter Rohner.(Purchase Manager Index, PMI): Sie wurden im August nach unten korrigiert. Die Analysten von Société Générale erwarten denn auch, dass die EZB ihre Wachstumsprognose für 2014 (+1%) und 2015 (+1,7%) deutlich drosseln wird.

Kopfzerbrechen dürfte den Währungshütern zudem die Preisentwicklung im Euroraum bereiten. Die August-Daten sind zum wiederholten Mal schwächer ausgefallen als erwartet: Noch 0,3% sind die Konsumentenpreise gegenüber dem Vorjahresmonat gestiegen. Der Zielwert von knapp unter 2%, bei dem die EZB die Preisstabilität als gewährleistet erachtet, liegt in weiter Ferne. Bislang sah sie dennoch keine Veranlassung, auf die disinflationären Tendenzen zu reagieren. «Die Inflationserwartungen sind fest verankert», betonte Draghi stets.

In seiner Rede in Jackson Hole hat der EZB-Präsident die Weichen allerdings neu gestellt, als er erklärte, die Inflationserwartungen seien im August leicht gefallen. Mit seinen Aussagen befeuerte er Spekulationen um die Lancierung eines Anleihenkaufprogramms (Quantitative Easing, QE). Die Renditen von Peripherieanleihen sind seither auf rekordtiefe Werte gesunken, während die globalen Aktienmärkte Kursgewinne verzeichnen. Der Euro ist am Dienstag bis auf 1.3113 $ gefallen und notierte damit so niedrig wie zuletzt im Juli 2013.

Doch die Finanzmärkte müssen sich auf eine Enttäuschung einstellen. Laut den Ökonomen von Société Générale und UniCredit wird die EZB im September keine neuen Massnahmen ergreifen. Die Analysten von Nomura halten ein QE seit der Rede in Jackson Hole zwar für wahrscheinlicher, doch setzten sie eher auf  2015. Eine Senkung des Refinanzierungssatzes erwartet eine Minderheit der von Bloomberg befragten Analysten.

Startschuss für TLTRO

Abwarten, dürfte Draghis Devise vorerst heissen. Mit Blick auf die Inflation könnte er auf die volatilen Energiepreise verweisen, die die Teuerung im August massgeblich beeinflusst haben.

Gegen weitere Massnahmen spricht zudem, dass Mitte September der Startschuss zum neu aufgelegten Langfristtender (TLTRO) fällt. Mit dem Programm soll  die Kreditvergabe der Banken angekurbelt werden und die EZB dürfte zuerst den Effekt dieser Massnahme abschätzen wollen. Inzwischen laufen die Vorbereitungen zum Aufkauf mit Unternehmenskrediten besicherter Wertschriften (Asset Backed Securities, ABS). Die Analysten von Société Générale erwarten, dass die EZB erst im Herbst ein ABS-Programm im Umfang von 100 Mrd. € lancieren wird.

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