Auch im laufenden Jahr dürften die Ausschüttungen weltweit kräftig steigen. Der für Europa vorherrschende Pessimismus scheint kaum gerechtfertigt zu sein.
Dividenden werden oft unterschätzt. Für den langfristigen Anlageerfolg spielen sie jedoch eine zentrale Rolle. Denn sofern die Ausschüttungen reinvestiert werden, tragen sie einen bedeutenden Teil zur Gesamtrendite bei. Die Frage stellt sich deshalb: Wie dürften sich die Dividenden in den verschiedenen Aktienmärkten entwickeln? Und wie lassen sich diese Trends am besten nutzen?
Aus Dividendensicht war 2014 ein erfreuliches Jahr. Laut Henderson Global Investors (HGI) wurde weltweit der Rekordbetrag von 1167 Mrd. $ ausgeschüttet, was gegenüber dem Vorjahr einer Steigerung von 10,5% entspricht. Um Sonderfaktoren bereinigt – also ohne Währungseinflüsse und Sonderdividenden –, betrug das Plus solide 8,8%. Dabei wurde das Wachstum primär von Europa und Nordamerika angetrieben. Ein Minus verzeichneten einzig die Emerging Markets. Dazu dürften Währungseffekte und die hohe Abhängigkeit vom Energie- und Rohstoffsektor beigetragen haben.
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Für 2015 rechnen HGI nun zwar mit einer leichten Wachstumsverlangsamung. Auf Basis der grössten 1200 Konzerne der Welt, die für 90% aller Dividenden verantwortlich sind, wird die Expansion aber dennoch auf solide 6,9% geschätzt (bereinigt um Sonderfaktoren). Dass sich die Aussichten jüngst eingetrübt hätten, sei primär auf den starken Greenback, die tiefen Ölpreise und das schwächere Wirtschaftswachstum zurückzuführen.
Eine Alternative, die Dividendenentwicklung zu prognostizieren, eröffnen derivative Finanzinstrumente: Aus Dividendenswaps und -futures sowie Optionen können die Markterwartungen hergeleitet werden (mehr dazu hier). Diese impliziten Dividenden deuten auf regional divergierende Trends hin. So signalisieren Futures für den europäischen Aktienmarkt (Euro Stoxx 50 (Euro Stoxx 50 3532.95 -0.4%)), dass die Dividenden über die nächsten Jahre stetig sinken. Auch hat sich das Momentum in den letzten Monaten tendenziell verschlechtert. Wesentlich besser präsentieren sich die Aussichten hingegen in den USA (S&P 500 (SP500 2112.61 -0.14%)) und Japan (Nikkei 225 (Nikkei 225 18585.2 -0.1%)).
Der europaspezifische Pessimismus dürfte massgeblich auf die Sektoren Finanz, Energie und Rohstoffe zurückzuführen sein. Mit über 30% tragen sie deutlich mehr zum gesamten Dividendenvolumen bei als in den USA (22%) und Japan (17%). In diesen Branchen ist – angesichts verschärfter Kapitalvorschriften und gefallener Rohstoffpreise – die Angst besonders gross, dass die Dividenden gesenkt werden müssen. So erklärte etwa Stuart Rhodes, Manager des M&G Global Dividend Fund, gegenüber FuW: «Signifikante Kürzungen sind zwar noch ein paar Jahre entfernt. Praktisch alle Ölmultis müssen jedoch Fremdkapital aufnehmen, um ihre Dividenden bestreiten zu können.»
Für den Bankensektor halten diverse Marktbeobachter die Befürchtungen jedoch für übertrieben. Laut Credit Suisse (CSGN 23.86 1.14%) habe – bis auf Banco Santander (SAN 6.46 0.15%) – kein grosses Institut im bisherigen Jahresverlauf die Dividende verringert. Auch die Analysten von Goldman Sachs (GS 190.975 -0.65%) sind zuversichtlich: Viele Finanzhäuser hätten eine solide Bilanzqualität erreicht, die Dividendenerhöhungen zulassen würde.
Was allerdings in Europa zur Vorsicht mahnt, ist die Pay-out Ratio. Diese Quote zeigt an, wie viel Prozent des Gewinns als Dividende ausgeschüttet wird. Im europäischen Aktienmarkt ist sie zwar noch weit von früheren Spitzen entfernt, hat aber das langfristige Mittel von 51% überschritten. Mit einer Quote von jeweils rund 30% verfügen amerikanische und japanische Unternehmen hier grundsätzlich über mehr Spielraum.
Gerade japanische Konzerne dürften diese Möglichkeiten nun verstärkt nutzen – wenn auch unter leichtem Zwang. So zielen die von Regierungschef Shinzo Abe eingeführten Reformen darauf ab, die Corporate Governance zu verbessern und die Unternehmen zu mehr Investorennähe zu erziehen. Tatsächlich haben in der bisherigen Berichtssaison bereits über zwanzig Konzerne im Nikkei 225 die Dividende erhöht. Die Analysten von Goldman Sachs schätzen, dass 2015 zwei Drittel der Indexvertreter diesem Beispiel folgen dürften. Das wäre der höchste Prozentsatz seit mindestens sieben Jahren.
Europa verspricht Potenzial
Auch wenn Dividenden für den Anlageerfolg eine zentrale Rolle spielen, darf das Kurspotenzial nicht vernachlässigt werden. Ein wichtiger Faktor ist dabei das Zinsniveau. Gerade institutionelle Investoren sind im Tiefzinsumfeld womöglich gezwungen, verstärkt von Bonds in Aktien umzuschichten – sofern sie denn Qualitätsmerkmale wie eine hohe Bonität und Dividendensolidität erfüllen. Das zeigt sich exemplarisch im US-Aktienmarkt: Die relative Kursentwicklung von Hochdividendentiteln zeichnet in etwa den inversen Renditeverlauf zehnjähriger US-Staatsanleihen nach.
Dass die Zinswende in den USA früher erfolgen dürfte als in Europa, spricht deshalb für europäische Valoren. Zudem orten die Analysten von Credit Suisse Aufholpotenzial. So hätten europäische Dividendenaktien auf den jüngsten Renditezerfall der Staatsanleihen noch gar nicht reagiert. Um dieses Missverhältnis auszugleichen, müssten Dividendentitel 12 Prozentpunkte besser abschneiden als der Gesamtmarkt – oder die Anleihenrenditen um 100 Basispunkte steigen. Letzteres scheint wegen der fortgesetzten monetären Lockerung durch die Europäische Zentralbank kaum plausibel.
Für den Alten Kontinent spricht letztlich auch, dass sich die Schere zwischen Aktien- und Bondrenditen weit geöffnet hat. Laut Bank of America (BAC 16.4 0.12%) Merrill Lynch lag die Dividendenrendite europäischer Aktien Ende Jahr 277 Basispunkte über dem Yield zehnjähriger deutscher Staatsanleihen, was nicht weit vom Höchst aus dem Mai 2012 entfernt ist.
Trotz Pessimismus scheinen daher gerade europäische Dividendentitel eine attraktive Kombination aus Kurspotenzial und Rendite zu bieten. Wie man das nutzen will, ist von persönlichen Präferenzen abhängig. So lässt sich die Strategie etwa mit aktiven Aktienfonds verfolgen. Doch gibt es auch immer mehr passive Exchange Traded Funds, die die Entwicklung von Dividendenindizes abbilden.
Wer sich nicht davor scheut, Einzeltitel zu kaufen, kann sich an der Dog-Strategie orientieren (lesen Sie hier mehr): Dabei werden in einem Index die Valoren mit der höchsten Dividendenrendite erworben. Letzteres kann darauf hindeuten, dass
die Titel zurzeit nicht in der Anlegergunst stehen und zu attraktiven Bewertungen gehandelt werden – zur hohen Rendite also grosses Kurspotenzial dazukommt.
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