Zurück zur Übersicht
10:45 Uhr - 24.09.2014

«Vorsichtig positiv für Aktien»

Strukturierte Produkte haben für fast jede Marktmeinung eine Lösung. Die Auseinandersetzung mit den 
Märkten ist deshalb zwingend. Christine Schmid vom globalen Research der Credit Suisse bietet Orientierungshilfe.

Vor einem Investment in strukturierte Produkte ist es wichtig, sich eine Meinung über Lage und Aussichten an den Anlagemärkten zu bilden. Wohin steuern sie, und wie reagiert ein Produkt in den verschiedenen Szenarien? Christine Schmid vom globalen Research der Credit Suisse (CSGN 25.77 -0.12%) skizziert die Ausgangslage, äussert sich zur ­Volatilität und nennt favorisierte Sektoren und Titel.

Frau Schmid, wie stabil ist das ­Finanzsystem heute?
Generell kann man sagen, dass sich die Stabilität seit der Finanzkrise verbessert hat. So hat sich im Rahmen von Basel III das Eigenkapital der grössten Banken zwischen 2007 und 2013 um 51% erhöht. Zudem wurden Notfallpläne ausgearbeitet und organisatorische Massnahmen getroffen, die die Aufspaltung und die Abwicklung von systemrelevanten Banken ohne Steuergelder ermöglichen. Letztlich wird in der Eurozone zusätzlich zu den regelmässigen Stresstests auch eine Prüfung der Aktivaqualität durchgeführt, die die Kreditqualität analysiert. All das führt zu einem transparenteren und längerfristig stabileren Bankensystem.

Wie weit sind die geopolitischen Krisen und Konfliktherde überschaubar?
Wir haben dieses Jahr bereits einige Konflikte, allen voran in Syrien und im Irak wie auch in der Ukraine, die die Märkte beeinflussen. Für einen Einstieg gilt es eine ­Abschwächung der Krisen abzu­warten. Kurzfristig haben die Marktturbulenzen zugenommen. Betrachtet man jedoch einen Zeitraum von hundert Jahren, wird ersichtlich, dass solche Konflikte zu Schwankungen von lediglich 10% oder weniger an wichtigen Aktienmärkten führten, wobei die Verluste meist innerhalb eines ­Monats wettgemacht wurden. Nur eine Handvoll Krisen wich von dieser Regel ab, und selbst in diesen Fällen erholte sich der Markt bereits im Verlauf von zwei bis drei Jahren.

Hält der Börsenaufschwung an, oder ­kündigen sich weitere Kurskorrekturen an?
Der schwächelnde Aktienmarkt im Juli und Anfang August wurde vor allem von geopolitischen Konflikten ausgelöst. Wie bereits erwähnt sind diese Korrekturen – sofern sich die geopolitischen Spannungen nicht vertiefen – normalerweise von kürzerer Dauer. Viel wichtiger für die ­Bewertung der Aktien sind die gesamtwirtschaftliche Situation und die Unternehmensdaten. Die Fundamentaldaten erlauben eine optimistische Sicht, obwohl das Wirtschaftswachstum in den Kern­ländern der Eurozone zuletzt eher ent­täuschend war. Auch aus Unternehmenssicht sieht die Situation besser aus: Umsatz und Gewinn von europäischen und amerikanischen Gesellschaften haben sich weiter verbessert. Wir bleiben vorsichtig positiv für Aktien.

Was heisst das für die Volatilität und die Konditionen der strukturierten Produkte: Werden die Coupons für die Barrier Reverse Convertibles als beliebteste Zertifikate ­wieder attraktiver?
Es ist zu erwarten, dass die Volatilität trotz der kurzen Schwächephase im Sommer eher niedrig bleiben wird. Aufgrund der geopolitischen Risiken sind Schwankungen aber nicht auszuschliessen. Der Grundsatz ist: je höher die implizite Volatilität und je steiler die Volatilitätskurve, desto höher der Coupon des Barrier Reverse Convertible. Aber auch eine höhere Dividende hat einen positiven Einfluss auf den Coupon, und wie gesagt: Die durchschnittlichen Dividenden sind in den letzten Monaten gestiegen.

Lohnt es sich für Struki-Käufer, zugunsten der ­besonderen Eigenschaften von Zertifikaten auf die Dividende zu verzichten?
Seit Anfang 2012 ist die Ausschüttungsrate der über 500 Unternehmen im MSCI-­Europa-Index von 45 auf über 55% gestiegen. Dieser Wert liegt bereits stark über dem Vierzigjahresdurchschnitt, aber wie es aussieht, könnte er weiter steigen. Auf Dividendenrendite zu setzen, ist eine unserer Top-Investment-Ideen seit 2013. In der Zwischenzeit hat sich die Bewertung von Aktien, die eine gute Dividendenrendite aufweisen, deutlich erhöht, was auch für strukturierte Produkte spricht. Solange die Zinsen rekordtief sind, wird diese «Subanlageklasse» interessant bleiben.

Was bietet Aktien Schutz nach unten?
Im Moment werden Aktien schon allein deshalb gestützt, dass wenige Investi­tionsalternativen in Sicht sind. Wegen der rekordtiefen Zinsen, die aus unserer Sicht noch einige Zeit anhalten werden, sind Anleihen derzeit weniger attraktiv. Selbst Hochzinsanleihen bieten nur geringes Wertpotenzial, das häufig das Risiko über die Laufzeit nicht mehr aufwiegt. Einzig Hedge Funds und Immobilien bieten mögliche alternative Varianten. Sie sind jedoch komplementär zu Aktien ­einzusetzen – und das in einem gut diversifizierten Portfolio.

Was spricht für steigende Kurse, ­ausser dem Umstand, dass es kaum ­Anlagealternativen zu Aktien gibt?
In den USA und leicht stärker in Europa lassen sich eine Umsatzsteigerung und eine Margenverbesserung erwarten. In der Eurozone werden die Zukunftssorgen langsam nachlassen, die zuletzt stark auf die Bewertungen der Aktien gedrückt haben. Weiter rechnen wir für die nächsten Jahre mit einem deutlichen Wachstum der Mittelklasse in den Schwellenländern, was den globalen Konsum unterstützen wird. Für Europa gilt es hier, exportorientierte Unternehmen im Auge zu behalten.

Wie verhalten sich die Börsen bei ­einer Zinswende?
Das ist immer schwierig zu prognostizieren. Zunächst sind die Aktienkurse nicht direkt abhängig von dem Zinsumfeld, sondern in erster Linie von den Unternehmensgewinnen, und da sieht die Situation gut aus. Daher ist durchaus noch Potenzial für Aktien vorhanden, selbst bei steigenden Zinsen. Gehen diese einher mit wirtschaftlichem Wachstum, so unterstützt das die Aktien. Für die Banken wären ein geordneter Zinsanstieg und eine steilere Zinskurve sogar explizit wünschenswert, würde dies doch die heute so arg unter Druck gekommene Zinsertragssituation langsam normalisieren.

Gibt es besondere Umstände, die für Schweizer Aktien sprechen?
Im Licht des schwächeren Exportwachstums im zweiten Quartal 2014 und der ­unvorteilhaften Wechselkursentwicklung bleibt das Anlagepotenzial in Schweizer Aktien beschränkt. Zudem sind viele Titel im internationalen Vergleich eher hoch bewertet. Falls man trotzdem Schweizer Aktien kaufen möchte, dann sind Pharmatitel zu bevorzugen, auch mit Blick auf ihre Dividendenkraft. Selektiv sind auch Versicherungen interessant.

Welche Sektoren und Themen bieten 
an den Aktienmärkten auf Sicht von drei bis sechs Monaten generell Chancen?
Credit Suisse bevorzugt Aktien aus dem Gesundheitswesen und der IT. Die Wachstumstreiber für Pharma- und Gesundheit – Bevölkerungswachstum und demografische Entwicklung – sind ungebrochen. Die Produktivität der Forschung und Entwicklung nimmt ebenfalls wieder zu, was der Pipeline zugutekommt. Darüber hinaus profitiert die Industrie von Markt­eintrittshemmnissen, die die Profitabilität schützen. Der IT-Sektor gefällt durch starkes Wachstum und Innovation. Obwohl beide Bereiche nicht mehr günstig sind, gewähren die Wachstumstreiber weiteren Spielraum nach oben.

Wo ist umgekehrt Zurückhaltung geboten?
Zurückhaltung ist bei Nicht-Basiskonsum­gütertiteln geboten. Zur hohen Bewertung gesellen sich anhaltende Schwierigkeiten: im Retail die harte Konkurrenz, während im Luxussegment vor allem der chinesische Markt Schwierigkeiten bereitet. Auch vom Telecomsektor ist abzuraten. Da drückt die Abnahme der profitablen Bereiche Telefonie und SMS, die bisher nicht durch mobile Daten aufgefangen werden konnte, auf die Ertragsaussichten.

Sechs Aktien dürfen Sie auf eine einsame Insel mitnehmen. Welche sind es?
Aus der Schweiz Straumann (STMN 215.2 -1.01%) und Swatch Group (UHR 464.7 -0.26%). Straumann ist ein Premium-Anbieter mit starkem Geschäftsmix und sehr guter Margenentwicklung. Swatch bestechen durch attraktive Wachstumschancen und eine günstige Bewertung. Aus den USA Gilead (GILD 105.39 -0.08%) und Splunk. Gilead hat ein starkes Produktportfolio mit führenden HIV- und Hepatitis-C-Medikamenten. Splunk ist als Programmierer von Software zur Datenanalyse in einem der am schnellsten wachsenden IT-Bereiche aktiv. Weiter Heineken (HEIA 58.48 0.97%), dank verbesserter geografischer Diversifikation und Wachstumsmöglichkeiten in Schwellenländern, sowie SAP (SAP 57.33 -0.12%) aufgrund der guten Positionierung im zukunftsträchtigen Cloud-Bereich.

Hat Ihnen der Artikel gefallen? Lösen Sie für 4 Wochen ein FuW-Testabo und lesen Sie auf www.fuw.ch Artikel, die nur unseren Abonnenten zugänglich sind.

Seite empfehlen



Kopieren Sie den Link [ctrl + c] und fügen Sie ihn in ein E-Mail ein [ctrl + v]. Aus Sicherheitsgründen ist kein Versand von E-Mails direkt vom VZ Finanzportal möglich.