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15:20 Uhr - 11.09.2015

AFG hat freie Fahrt

Die Aktionäre des Bauausrüsters stimmen der Kapitalerhöhung zu. Ankeraktionär Michael Pieper wirkt als Stütze.

Die Aktien von AFG Arbonia-Forster (AFGN 14.95 -0.33%) haben in den vergangenen zwei Wochen eine Stabilität an den Tag gelegt, wie sie im Vorfeld einer Kapitalerhöhung und in einem nervösen Börsenhandel nicht zu erwarten ist. Ein Blick auf die der SIX Swiss Exchange gemeldeten Management-Transaktionen zeigt, warum: Ein «nicht-exekutives Verwaltungsratsmitglied» hat fast täglich Aktien gekauft, insgesamt mehr als 200 000 Stück.

Zeitplan der ordentlichen Kapitalerhöhungzoom Quelle: AFGHier wird ein Signal ausgesendet: Wir wollen während der Kapitalerhöhung Stabilität, und wir wollen keine Spielchen opportunistischer Akteure. Als Sender im Verdacht steht Ankeraktionär Michael Pieper. Sein Anteil hat sich jüngst von 26,7 auf 27,8% erhöht. Das würde passen.

Pieper hat eine Teilnahme an der Kapitalerhöhung im Umfang seiner Beteiligung garantiert und behält sich vor, bis unter ein Drittel aufzustocken; mehr verlangt ein Übernahmeangebot. Anders gesagt: Er wird durch den Kauf zusätzlicher Bezugsrechte bis 37% der Emission übernehmen. Das fällt ins Gewicht und hilft, den Bezugsrechtehandel zu stabilisieren.

Hoher Abschlag

Der Bezugsrechtehandel wird am Dienstag beginnen und am 21. September enden. Er kommt in Gang, weil die Aktionäre der Kapitalerhöhung an der ausserordentlichen Generalversammlung vom Freitag zugestimmt haben. Ihr Rahmen ist schon länger abgesteckt. Kurz vor dem Aktionärstreffen in der Olma-Halle 9 in St. Gallen hat der Bauausrüster zudem die Details der Transaktion publiziert.

Die neuen Aktien werden zu je 8.10 Fr. ausgegeben. Insgesamt 22,52 Mio. neue kommen in Umlauf, auf fünf alte sieben neue. Das BezugsrechtKapitalerhöhungen geschehen oft über die Ausgabe von Bezugsrechten an die Aktionäre. Diese erlauben es den Anteilseignern, neue Aktien im Umfang ihrer bisherigen Beteiligung zu erwerben, und schützen sie vor einer Beeinträchtigung ihrer Vermögensposition durch die Kapitalverwässerung: Der Wert der Bezugsrechte entschädigt für die Kurseinbusse, die sich durch die Emission neuer Aktien einstellt.

Meist sind Bezugsrechte vor der Emission der neuen Titel handelbar. Mit Beginn des Handels kommt es in den Aktien jeweils zum sogenannten Bezugsrechteabgang: Weil Aktien und Bezugsrechte wertmässig voneinander getrennt werden, verringert sich der Kurs um den theoretischen Wert der Bezugsrechte. Der theoretische Wert errechnet sich über die Formel (Aktienkurs – Emissionspreis) / (Bezugsverhältnis + 1). Auf Basis eines Kurses von 14.90 Fr. ergibt sich für je sieben Bezugsrechte von AFG ein theoretischer Wert von 3.97 Fr. (14.90 Fr. – 8.10 Fr.) / (5/7 + 1) respektive 0.57 Fr. pro Stück.

Gemäss Zahlen für die Schweiz notieren Bezugsrechte in der ersten Zeit des Handels nahe am theoretischen Wert. Doch auf das Ende hin kann Druck entstehen. Weshalb? Aktionäre werden von ihrer Bank angefragt, ob und wie viele Bezugsrechte sie ausüben respektive verkaufen wollen. Für die Antwort gilt eine Frist, die meist ein oder zwei Tage vor Handelsschluss endet. Bezugsrechte, zu denen bis dann keine Meldung vorliegt, werden in der Folge «Interesse wahrend» bestens in den Markt gegeben.

Davon kann Preisdruck ausgehen. Dramatisch ist er aber selten. Weil das Muster bekannt ist, trifft das grössere Angebot kurz vor Ende des Handels nicht selten auf mehr Nachfrage von Schnäppchensuchern. Eine Garantie, dass man gegen Handelsende zu günstigen Bezugsrechten kommt, gibt es also nicht.
Das Bezugsverhältnis beträgt demnach 5 : 7. Daraus ergeben sich ein Nettoemissionserlös von knapp 207 Mio. Fr. und eine Erhöhung Anzahl Aktien von heute 18,23 auf 43,74 Mio.

AFG-Aktionäre erhalten für jede alte Aktie sieben Bezugsrechte. Fünf davon berechtigen zum Kauf einer neuen. Mit Beginn des Bezugsrechtehandels am 15. September wird sich der Wert der Aktien um den theoretischen Wert von sieben Bezugsrechten verringern.

Der Abschlag des Emissionspreises zum Aktienkurs beträgt rund 45%. Das ist klar mehr als der mittlere Wert von rund 30%, den eine in die Transaktion involvierte Bank für Kapitalerhöhungen von hierzulande kotierten Gesellschaften während der vergangenen gut zehn Jahre ermittelt hat. Eine Formel für die Bestimmung des Emissionspreises gebe es nicht, wird einem von Banken erklärt.

Der Preisbestimmung liegen mehrere Faktoren zugrunde. Eine Festübernahme der Emission, wie bei AFG durch das von der UBS (UBSG 20.05 0%) angeführte Bankensyndikat garantiert, hat einen höheren Discount zur Folge – die Banken wollen nicht Aktionär werden. Dasselbe gilt, wenn die Börsenstimmung unberechenbar und die Volatilität am Markt hoch ist. Beides trifft heute zu. Sinkt der Kurs im Extremfall unter den Ausgabepreis, scheitert die Platzierung. Daher agieren die Banken auch bei umfangreichen Kapitalerhöhungen, bei denen mehr Abgabedruck entsteht, vorsichtiger.

Aktien haben Potenzial

Die Kapitalerhöhung ist nötig, um AFG finanziell und operativ auf eine neue, stärkere Basis zu stellen. Durch sie werden zum einen die Refinanzierungs- und Bilanzprobleme gelöst, zum andern schafft sie die Voraussetzung, um die Produktionsstruktur tiefgreifend umzubauen, im europäischen Ausland, primär in Deutschland, besser Fuss zu fassen und um eine Vorwärtsstrategie fahren zu können.

Für das neu aufgestellte Unternehmen prognostiziert Verwaltungsratspräsident und Interims-CEO Alexander von Witzleben bis 2018 mehr als 1 Mrd. Fr. Umsatz – rund 3% Wachstum pro Jahr –, einen Ebitda (Betriebsgewinn vor Amortisation und Abschreibungen) von «deutlich über 100 Mio. Fr.» und einen «substanziellen freien Cashflow». Zudem soll es für 2018 wieder eine Dividende geben. Für 2015 rechnet er mit einem Ebitda vor Restrukturierungskosten von mehr als 50 Mio. Fr. – und wegen hoher Wertberichtigungen mit 160 bis 190 Mio. Fr. Verlust.

Zur Ergebnissteigerung soll vor allem die Division Gebäudehülle (Fenster, Türen) beitragen. Ihr Zutun ist derzeit gering, unter dem Strich sei sie «feuerrot», hiess es an der Halbjahreskonferenz. Deshalb erfährt sie die grössten Veränderungen: Die Fensterproduktion wird ganz ins kostengünstige Ausland verlegt, die Holz- und Holz-Aluminium-Fenster zur neu akquirierten Wertbau in Ostdeutschland, die Kunststofffenster in die Slowakei.

Die Prognose und die neue Aktienzahl geben Anhaltspunkte, wohin sich der Kurs bis 2018 bewegen könnte. Eine durchschnittliche jährliche Avance im mittleren bis oberen einstelligen Prozentbereich ist möglich (vgl. Box unten). Für die zu tragenden Risiken verspricht das kein überragendes Entgelt. Doch es ist ein nicht zu verachtender Anfang und im Vergleich zur  jüngeren Zeit geradezu paradiesisch.

Für eine Teilnahme an der Kapitalerhöhung spricht ferner, dass AFG vieles selbst in der Hand hat. Durch den Umbau kann sich das Unternehmen unabhängiger von der Branchenkonjunktur entwickeln. Und vom Aktienmarkt, von dem keineswegs sicher ist, dass er besser abschneidet.

Eine Spielanlage zum Schätzen des AktienkursesMit der Ergebnisprognose für 2018 und der künftigen Aktienzahl lässt sich ein Kursziel für 2018 modellieren, zum Beispiel mithilfe des Ebitda-Vielfachen. Vom Aufbau her ähnlich wie das Kurs-Gewinn-Verhältnis stellt dieses den Unternehmenswert ins Verhältnis zum Ebitda, dem Betriebsgewinn vor Abschreibungen und Amortisation. Um daraus eine Vorstellung vom künftigen Kurs zu erhalten, bedarf es Annahmen zum Ebitda, zum Ebitda-Vielfachen und zur Nettoverschuldung im Jahr 2018. Die Annahmen zum Ebitda und zum Vielfachen führen zum Unternehmenswert, die zur Nettoverschuldung zum Börsenwert. Von ihm kann dann über die Aktienzahl auf den Kurs geschlossen werden.

Daraus ergibt sich eine interessante Spielanlage. Aus einem angenommenen Ebitda von 115 Mio. Fr. – von «deutlich über 100 Mio. Fr.» –, einem Ebitda-Vielfachen von 6,5 (Zehnder kommt heute auf 7, europäische Branchennachbarn meist auf mehr) und einer geschätzten Nettoverschuldung von 150 Mio. Fr. resultiert ein Prognosekurs von 13.65 Fr. Mit einer für 2018 erwarteten Nettoverschuldung von 100 Mio. Fr. steigt er auf 14.80 Fr. Ein Ebitda-Vielfaches von 6 lässt ihn dagegen auf 12.35 Fr. sinken.

Ausgehend vom Aktienkurs nach Abgang des theoretischen Werts von sieben Bezugsrechten (Wert: 3.97 Fr.) ist eine durchschnittliche Jahresavance im mittleren bis oberen einstelligen Prozentbereich vorstellbar. Eine reiche Belohnung für ihr Risiko dürfen Aktionäre zwar nicht erwarten. Doch ihr Engagement gilt einem Unternehmen, mit dem es aufwärts geht. Vom Gesamtmarkt lässt sich das nicht vorbehaltlos sagen.
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Die komplette Historie zu Arbonia Forster finden Sie hier. »

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