Das Edelmetall ist ein sicherer Hafen für unsichere Zeiten: Bleiben die Zinsen tief und bleibt die Beschleunigung der Konjunktur aus, profitiert Gold 2020.
«Nach Golde drängt, am Golde hängt doch alles.» Was schon Gretchen im «Faust» von Johann Wolfgang von Goethe wusste, besitzt für Anleger auch heute noch Gültigkeit. Zum ersten Mal seit rund sechs Jahren ist der Goldpreis im letzten Sommer über den Wert von 1500 $ pro Unze gestiegen. Insgesamt ist er im vergangenen Jahr um mehr als 18% avanciert.
Das Umfeld für Gold (Gold 1545.94 21.13) dürfte 2020 positiv bleiben, auch wenn der Preis zuletzt etwas konsolidiert hat. Der gute Ausblick mag auf den ersten Blick überraschen. Viele Aktienindizes handeln nahe ihren Höchstwerten, was Investoren normalerweise nicht in das Edelmetall treibt.
Konjunkturelle Delle
2019 war allerdings insofern speziell, als die Notenbanken mit ihrer expansiven Geldpolitik die Finanzmärkte dominierten, während sich gleichzeitig die globale Konjunktur langsamer entwickelt hat. Dazu kamen geopolitische Risiken wie der Handelskrieg zwischen den USA und China sowie der Austritt Grossbritanniens aus der EU. «Die Kombination aus sicherem Hafen in Zeiten geopolitischer Unsicherheiten und sinkenden Opportunitätskosten hat dem Goldpreis im vergangenen Jahr stark geholfen», sagt Gérard Piasko, CIO bei der Privatbank Maerki Baumann. Die Opportunitätskosten sind gesunken, weil die Zinsen für sichere Staatsanleihen seit Anfang 2019 gefallen sind. Das macht Gold im Vergleich zu Staatsanleihen für Investoren interessant.
Die Entwicklung der Konjunktur und der geopolitischen Risiken dürfte auch in diesem Jahr den Preis des Edelmetalls beeinflussen. Zudem wird mit einem schwächeren Dollar gerechnet, was Gold zusätzlich hilft. Entscheidend bleibt aber die Zinspolitik der Notenbanken. «Wegen der herrschenden Kombination von negativen Zinsen auf absoluter und null Prozent auf realer Basis könnten wir bei Gold in diesem Jahr einen neuen Höchststand erreichen», sagt Davis Hall, Head Advisory FX & Precious Metals bei Indosuez Wealth Management. Sein Preisziel liegt bei 1580 $ – am Freitag handelte das Edelmetall auf 1549.60 $. Gemäss Hall könnte Gold aber noch weiter steigen und in den kommenden Jahren sogar ein Niveau von 2000 $ erreichen. Eine Ursache dafür wäre beispielsweise, wenn der Wirtschaftsaufschwung zu gering ausfällt, um die weltweit steigende Verschuldung abzudecken, womit die Nachfrage nach Gold als sicherem Hafen zunehmen dürfte.
Maerki Baumann sieht das Edelmetall 2020 auf einem eher tieferen Niveau: «Wir rechnen mit einem Preis zwischen 1350 und 1400 $. Nach oben sind 1550 und 1600 $ möglich», sagt Piasko. Er erwartet ein Zusammenspiel verschiedener Faktoren. Behielten die Zentralbanken ihre Zinspolitik bei, sei das grundsätzlich positiv für Gold. Setze sich die angedeutete Entspannung im Handelskrieg zwischen Washington und Peking dagegen fort, führe dies eher zu einer Konsolidierung des Preises. Auf kurze Sicht ist Piasko deshalb gegenüber Gold neutral eingestellt.
Geringe Korrelation
Eine bloss stützende Funktion für den Goldpreis haben dagegen die Zukäufe der Notenbanken. Besonders Länder wie Russland oder China wollen durch eine Aufstockung der Goldreserven ihren Fremdwährungsbestand diversifizieren und sich so stärker vom Dollar entkoppeln. Die Zentralbanken haben laut Hall 2018 zusammen so viel Gold gekauft wie in jedem einzelnen Jahr seit fast fünfzig Jahren. Im ersten Halbjahr 2019 sei der Anstieg sogar noch stärker ausgefallen. Dieser Trend dürfte auch 2020 weitergehen. Verglichen mit der Nachfrage nach Gold als Investment, etwa mit börsengehandelten Fonds (ETF), sind die Käufe der Notenbanken aber auf einem geringen Niveau.
Auch Anleger profitieren vom Edelmetall als Absicherung vor geopolitischen Risiken und der Volatilität an den Aktienmärkten. Wann sollten Privatinvestoren denn zukaufen? Es gibt keinen richtigen oder falschen Zeitpunkt. «Das Edelmetall korreliert tendenziell nur sehr schwach mit anderen Anlageklassen», sagt Simon Lustenberger, Analyst bei der ZKB. Das bringe Diversifikation in das Portfolio, ungeachtet dessen, wo Gold gerade notiere.
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