Stefan Mächler, Group CIO und Mitglied der Konzernleitung von Swiss Life, über Baustellenmanagement in der Schweiz, den Bedarf bei Logistik- und Unternehmensimmobilien und darüber, warum er an die Zukunft von The Circle glaubt.
Herr Mächler, Sie verfügen über eine mehr als zwanzigjährige Erfahrung im Immobilienmanagement im In- und Ausland. Weckt die Coronakrise Erinnerungen an die Schweiz in den Neunzigerjahren?
Nein, das ist nicht vergleichbar. Die Schweizer Immobilienkrise in den 90er Jahren dauerte sieben Jahre und die Stimmung war damals geradezu depressiv.
Was hat die Coronapandemie bisher im Immobilienmarkt angerichtet?
Wenn in Immobilien investiert wird, braucht es immer einen langfristigen Horizont. Zyklen gehören dazu und man muss sie aushalten können. Das sind ganz wichtige Voraussetzungen, die Investoren kennen sollten. Generell verlangt die aktuelle Situation viel von allen Marktteilnehmern, auch persönlich. Swiss Life (SLHN 346.4 2.67%) Asset Managers ist eine der grössten institutionellen Immobilieninvestorinnen in Europa, wir betreuen Immobilien im Wert von rund 100 Mrd. Fr., ein Drittel davon in der Schweiz, was einem Immobilienbestand im Wert von 34 Mrd. Fr. entspricht. Dadurch tragen wir auch eine grosse Verantwortung. Wir stellen sicher, dass wir mit unseren Mietern im Austausch sind, was auf den Baustellen läuft und behalten den Transaktionsmarkt im Blick.
Was war die grösste Herausforderung?
Zu Beginn die Kommunikation. Alle Beteiligten richtig zu informieren, ohne die Dauer und alle Auswirkungen der Krise wirklich zu kennen, ist nicht einfach. Teilweise gab es ja fast stündlich neue Informationen über das Voranschreiten der Pandemie. Auch wir haben die Heftigkeit der Situation zu Beginn etwas unterschätzt, was wir aber schnell korrigiert haben.
Wovon gehen Sie aktuell aus?
All unsere Annahmen beruhen auf unserem Basisszenario. Darin gehen wir von einer U-förmigen Erholung aus. Nach einem Einbruch setzt die Erholung langsam ein. Ende Jahr sehen wir die Wirtschaftsleistung der Schweiz wieder bei rund 90%.
Swiss Life betreibt Baustellenmanagement und Grossbaustellen. Wie geht es dort weiter?
Vielenorts wurden durch Einschränkungen wegen der Coronakrise die Versorgungsketten unterbrochen, so kam es zu Verzögerungen. Es ist nicht klar, wer am Ende die Kosten dafür übernehmen wird, denn juristische Präzedenzfälle für eine solche Situation gibt es keine.
An welchen Standorten gibt es noch Einschränkungen?
In der Schweiz betreiben wir 60 Grossbaustellen mit einem Bauvolumen von 700 Mio. Fr., von denen während des Lockdown knapp die Hälfte geschlossen war. Im Tessin waren wir mit vier Baustellen betroffen, darunter einem Wohn- und Bürogebäude in Locarno und einer grossen Überbauung für Wohnungen in Lugano. In der Region Genf und Waadt standen 25 Baustellen still, die dann schrittweise und unter Berücksichtigung aller Schutzmassnahmen wieder geöffnet werden konnten.
Das heisst, dort verlieren Sie viel Geld?
Natürlich gibt es dadurch gewisse Verzögerungen, aber die halten sich im Rahmen. Uns war immer wichtig, dass der Wirtschaftskreislauf nicht unterbrochen wird. So haben wir unsere Rechnungen immer pünktlich bezahlt, wie wir es auch von unseren Vertragspartnern erwarten. Denn auch wir sind wiederum unseren Versicherten verpflichtet. Dieser Kreislauf darf nicht einfach willkürlich unterbrochen werden.
Swiss Life ist mit 49% an The Circle am Flughafen Zürich (FHZN 137.6 4.08%) beteiligt. Ist dort die Fertigstellung auf gutem Weg?
Die Eröffnung wurde insgesamt leicht verschoben. Gemeinsam mit dem Flughafen Zürich und allen Beteiligten haben wir in den vergangenen Wochen vieles dafür getan, damit der Baustellenbetrieb weiterlaufen konnte. Der Bereich für das Universitätsspital wird so ohne Verzögerung pünktlich übergeben werden können. Die Hotels und die anderen Mieter folgen dann schrittweise. Damit waren alle Partner einverstanden. Der Vermietungsstand beträgt weiterhin erfreuliche 75%.
Neben der Hotellerie sind auch Retailanbieter dabei. Machen Sie sich gar keine Sorgen um Ihre Mieterstruktur?
In Bezug auf The Circle habe ich keine Bedenken. Die angesprochenen Bereiche standen schon vor der Coronakrise vor grossen Herausforderungen. Das Einzige, was sich geändert hat, ist, dass der Strukturwandel im Einzelhandel an Geschwindigkeit zulegen wird. Die Hotellerie wird zurückgeworfen, die Bremsspuren werden gerade für kapitalschwache Anbieter schmerzhaft sein. Doch sobald das Reisen wieder möglich ist, wird sich auch die Hotellerie erholen.
Angenommen, Swiss Life bekäme jetzt, mitten in der Coronakrise, das Angebot, bei The Circle einzusteigen. Würden Sie wieder zuschlagen?
Ja. Ich würde es machen. Ganz sicher.
Warum?
Die Reisetätigkeit wird wieder zunehmen, auch wenn es vielleicht nicht mehr auf diesen Rekordniveaus sein wird wie vor Corona. Das hat ja auch gute Seiten. Aber unsere offene Wirtschaft und Gesellschaft sind auf Austausch angewiesen, und dafür ist gute Infrastruktur am und um den Flughafen zentral. Wir sind mit unserem Infrastrukturfonds am New Yorker JFK-Flughafen am Neubau des Terminal 1 beteiligt. Auch das ein Projekt, das wegen seiner Lage und des aktiven Wirtschaftsraums nachhaltig ist – wie The Circle in Zürich.
Blicken wir auf den Markt für Gewerbeimmobilien. Welche Anpassungen waren von Ihrer Seite her seit Beginn der Coronakrise nötig?
Wir sind früh auf unsere Mieter zugegangen und haben gemeinsam nach individuellen Lösungen gesucht. Zunächst ging es in vielen Fällen um eine Stundung der Zahlungen. Jeder Mietvertrag ist anders, und jedes Angebot wurde individuell formuliert. Die meisten Mietverhältnisse sind langfristig, und es geht uns auch darum, beidseitig ein gutes Verhältnis zu wahren. In einem zweiten Schritt, etwa ab dem 8. April, wurde klar, dass Kleinstbetriebe, die von den bundesrätlichen Massnahmen besonders betroffen waren, mit Mietreduktionen unterstützt werden mussten. Ende April haben wir Mietern, deren Bruttomiete bis 5000 Fr. liegt, auf Gesuch zwei Monatsmieten erlassen.
Wie viele waren davon betroffen?
Wir zählen in der Schweiz rund 2800 gewerbliche Mieter. Davon beantragte knapp die Hälfte eine Stundung. In der Zwischenzeit haben wir rund 430 Vereinbarungen für Mieterlasse ausgearbeitet, rund 100 weitere sind in Bearbeitung. In den vergangenen Tagen sind übrigens praktisch keine neuen Gesuche mehr bei uns eingegangen, das stimmt mich optimistisch.
Das Home Office wird von Unternehmen und Mitarbeitern gut angenommen. Benötigt die Schweiz nun weniger Büroflächen? Droht ein Überangebot, und rechnen Sie mit unerwartetem Leerstand?
Nein. Mitarbeiter und Kollegen wollen sich sehen, davon sind wir überzeugt. Gleichzeitig wird das Home Office zu einem zusätzlichen Bestandteil unseres Arbeitslebens. Der Flächenbedarf bricht dadurch aber mittel- und langfristig nicht zusammen. In Büros dürfte die Zahl der permanenten Arbeitsplätze zwar sinken, jedoch wird der Platzbedarf pro Mitarbeiter tendenziell grösser werden, sei es aus Gründen von Abstandsregeln oder weil Begegnungs- und Rückzugszonen für alle Mitarbeiter noch konsequenter umgesetzt werden. Somit dürften sich diese beiden Trends weitgehend neutralisieren.
Gibt es im Immobiliengeschäft Gewinner und Verlierer bei diesen Entwicklungen?
Formate wie Co-Working müssen nach der Coronakrise neu bewertet werden. Der Bedarf an Unternehmensimmobilien wie auch Logistikimmobilien dagegen wird steigen. Denn wenn Teile der Wertschöpfungsketten zurück ins Land geholt und Vorräte angelegt werden, wird sich das positiv auf den Flächenbedarf dieser beiden Felder auswirken. Ein weiterer Bereich, für den ich mit wachsendem Flächenbedarf pro Nutzer rechne, ist das betreute Wohnen.
Welche Chancen bietet das Ausland für Immobilieninvestoren? Welche Regionen bevorzugen Sie?
Uns gefallen Projekte, die mit einem Strukturwandel einhergehen. Dazu zählt zum Beispiel der Logistikbereich, da er zudem noch dank der tiefen Mieten pro Quadratmeter auch mit weniger Risiko behaftet ist. Für Logistik sind Deutschland, die Beneluxländer und Teile von Frankreich, Spanien und Italien interessant.
Wie verhält sich der Transaktionsmarkt?
Bei den erstklassigen Immobilien sehen wir praktisch keine Preisveränderungen. Wir haben jedoch gesehen, dass Angebote von weniger guter Qualität vom Markt genommen wurden, da die Preisvorstellungen weit auseinanderlagen. Wir rechnen damit, dass sich ab dem dritten Quartal die Angebotspipeline wieder füllt und aufs Jahresende der Transaktionsmarkt sehr aktiv sein wird. Wir sind immer noch in einem Tiefzinsumfeld. Immobilien ermöglichen eine Prämie von rund 3% gegenüber «risikolosen» Staatsanleihen. Das ist attraktiv. Derzeit sehen wir kein Risiko für eine unmittelbar steigende Inflation. Sollte sie trotzdem eintreten, dann bieten gerade Immobilien den Anlegern einen gewissen Inflationsschutz.
Wie wichtig ist eine Diversifizierung des Immobilienportfolios?
Ein Immobilienportfolio sollte vor allem nach Nutzungsarten diversifiziert sein. Anlegern muss zudem klar sein, welchen Standortrisiken sie sich aussetzen. Unsere Erfahrung hat gezeigt, dass Immobilien an erstklassigen Lagen in Wirtschaftszentren in einer Krise weniger korrigieren und sich danach sehr rasch erholen. Ein gutes Beispiel dafür ist die Bahnhofstrasse in Zürich. Immobilien an Peripherielagen korrigieren dagegen in Krisen wesentlich stärker und benötigen länger für eine Erholung.
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