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09:13 Uhr - 22.02.2016

Chinas Überkapazitätsproblem blossgelegt

Die Überkapazitäten der chinesischen Industrie sind gemäss einer neuen Studie nicht nur eine Belastung für die Binnenwirtschaft, sondern sorgen auch für Spannungen mit dem Ausland.

Eine im Auftrag der Europäischen Handelskammer in China erstellte Studie sieht in der Beseitigung der in den vergangenen Jahren deutlich gewachsenen Ungleichgewichte in der Industrie eine der grössten Herausforderungen der chinesischen Regierung.

Ein Blick auf den Stahlsektor zeigt, wie gross das Problem ist. China hat 2015 doppelt so viel Stahl produziert wie die vier nächsten Mitbewerber Japan, Indien, die USA und Russland zusammen.

Zusammenbruch der Auslastung

Auslastungsgrad in der chinesischen IndustriezoomQuelle: European Chamber in China Dabei ist die Kapazitätsauslastung in der Stahlindustrie zwischen 2008 und 2014 von 80 auf rund 70% gefallen. «Die Stahlproduktion hat sich völlig von der realen Nachfrage losgelöst», heisst es in der vom Beratungsunternehmen Roland Berger Strategy Consultants erstellten Studie. Ähnlich sieht die Lage in den Bereichen Aluminium, Zement, Raffinerien, Flachglas wie auch Papier- und Kartonprodukte aus.

Der ungenügende Auslastungsgrad drückt die Preise nach unten und ist damit auch Grund für den starken deflationären Druck. All das hat die Rentabilität der Industriekonzerne ernsthaft beeinträchtigt. Mittlerweile weisen 60% der chinesischen Aluminiumkocher einen negativen Cashflow aus.

«Infolge einer Kombination von Überkapazitäten und tiefen Rohstoff- wie auch Energiepreisen ist der Produzentenpreisindex in den 45 Monaten vor Dezember 2015 kontinuierlich gefallen», heisst es in der Studie.

Bedrohung für die Bankenstabilität

Die wachsenden Verluste der Schwerindustrie sind massgeblich für den steigenden Anteil der notleidenden Kredite im Bankensystem verantwortlich. Die fallenden Profitmargen zwingen Unternehmen zudem zu Kosteneinsparungen. Dabei werden oft Gesetze gebrochen, etwa im Bereich Umweltschutz oder auch bei der Sicherheit am Arbeitsplatz, heisst es in der Studie. Oft fehle es Unternehmen zudem an Geld für die Forschung und die Entwicklung von neuen, innovativen Produkten.

Weil China nach Meinung von Handelspartnern Stahl zu Dumping-Preisen auf dem Weltmarkt verkauft, setzt es sich zunehmend dem Vorwurf des unfairen Wettbewerbs aus. Das US-Handelsministerium hat 2015 erste Gegenmassnahmen eingeleitet.

Die Europäische Union ermittelte im März des Vorjahres in sechs Fällen von mutmasslichem Preis-Dumping. Die EU-Mitgliedländer haben die Kommission aufgerufen, gegen Peking alle zur Verfügung stehenden tarifären Strafmassnahmen einzuleiten.

Drohende Strafen

China droht damit ein Rückschlag in der Welthandelsorganisation. Es wird von seinen wichtigsten Handelspartnern in den hoch industrialisierten Ländern weiterhin offiziell nicht als Marktwirtschaft anerkannt. Deswegen kann es im Rahmen der WTO vereinfacht für wettbewerbsverzerrende Handelspraktiken mit Strafzöllen bestraft werden.

Die Kammer-Studie hebt hervor, dass die chinesische Regierung das Problem erkannt und mittlerweile erste Schritte zu einer Lösung unternommen hat. In der sehr energie- und wasserintensiven Papierindustrie sind zwischen 2005 und 2009 jährlich 6,5 Mio. Tonnen Produktionskapazität abgebaut worden.

Anders als noch vor wenigen Jahren wird der Leistungsausweis von staatlichen Verantwortungsträgern auf Provinz-, Kreis- und Kommunalebene nicht mehr allein am quantitativen, sondern auch am qualitativen Wachstum gemessen.

Gute Ratschläge

Das Problem könnte nach Meinung der Europäischen Kammer in China unter anderem durch eine beschleunigte Privatisierung von Staatsunternehmen, steuerliche Anreize, einen verbesserten Schutz der Umwelt und eine grössere Markttransparenz entschärft werden.

Die Kammer hofft, dass ihre Empfehlungen in den in Vorbereitung stehenden dreizehnten Fünfjahresplan der Regierung wie auch in Chinas laufendes Präsidialjahr in der Gruppe der weltweit zwanzig grössten Volkswirtschaften (G-20) einfliessen werden.

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