Die FuW-Redaktion wählt Victor Balli von Barry Callebaut zum Schweizer Finanzchef des Jahres.

70% der Arbeitszeit verbringt Victor Balli auf Geschäftsreisen. Sie führen ihn auf alle fünf Kontinente, zuletzt immer häufiger nach Südostasien. In Singapur koordinierte der von FuW als Finanzchef des Jahres gekürte Balli zusammen mit CEO Jürgen Steinemann die Integration des Kakaogeschäfts von Petra Foods in den Barry-Callebaut-Konzern. Die grösste Akquisition der Firmengeschichte verändert auch das Finanzgerüst des Schokoladekonzerns mit neu fast 6 Mrd. Fr. Umsatz.

Victor BalliBalli ist verheiratet und hat drei erwachsene, noch zu Hause lebende Kinder. Bild: ZVG«Für einige Wochen in einem fremden und speziell im asiatischen Kulturraum zu leben, ist herausfordernd und bereichernd zugleich», sagt Balli, der seit Februar 2007 CFO von Barry Callebaut (BARN 1055 0.86%) ist. Lokale Projekte zu spüren und die Leute, die sie betreuen, gehört für ihn zu den schönsten Managementaufgaben. Am andern Ende der Skala steht das Erfüllen der immer aufwändigeren Compliance-Auflagen.

«Die intensive Verhandlungsarbeit war mit viel Adrenalin verbunden», erinnert er sich an die Zeit in Singapur. Auf intensive Verhandlungstage folgten gastronomische Streifzüge in der warmen Tropennacht, was Balli als Liebhaber asiatischer Küche entschädigte. Während mehrerer Wochen ging es auf und ab. Zwischenzeitlich schien der Deal auch an einen Mitbewerber verloren, doch am Ende erhielt Barry Callebaut den Zuschlag. «Dank eines tollen Teams», betont der 57-Jährige Ökonom und Chemieingenieur ETH.

Petra Foods ist auf Kurs

Seine Überzeugungskraft hat aber massgebend zum Verhandlungserfolg beigetragen. Ein wichtiges Signal war für Balli, dass die Jacobs Holding als Mehrheitsaktionärin die Kapitalerhöhung des Unternehmens mittrug. Balli hatte im Jacobs-Verwaltungsrat mit der gleichen präzisen Analyse und klar verständlichen Kommentaren argumentiert, für die er von den Finanzmarktteilnehmern geschätzt wird. Mit der Zustimmung in der Tasche wagte er den Schritt an den US-Kapitalmarkt. Die 500-Mio.-$-Anleihe war mehrfach überzeichnet, obwohl der Start einen ungünstigen Zeitpunkt hatte. Gleichentags kündigte die US-Notenbank den Abschied vom Quantitative Easing an.

Die Integration des Kakaogeschäfts von Petra Foods ist auf Kurs. Die 35 Mio. Fr. Synergien, die geschöpft werden sollen, sind alle mit Projekten unterlegt. Bereits im ersten gemeinsamen Jahr nahm die Profitabilität deutlich zu. Auch hier kam Ballis Sensorium für lokale Eigenheiten zum Tragen. Der nach eigenen Aussagen manchmal impulsive CFO kann sich selbst zurücknehmen, zuhören und  auch nonverbale Signale des Gegenübers aufnehmen. Diese Fähigkeit ist in Asien als Türöffner äusserst nützlich.

Einen hohen Stellenwert hat für Balli ausserdem das Management des Nettoumlaufvermögens. Seit mehreren Jahren hat jeder Manager von Barry Callebaut in der Bonusvereinbarung ein Ziel betreffend «working capital». Produktionsvolumen, Lagerhaltung und andere Kenngrössen verbesserten sich seither. Die gezielte Zahlenanalyse sei aufschlussreich und motivierend zugleich, urteilt Balli. Das etablierte System wurde unmittelbar nach der Übernahme auch in Singapur eingeführt.

Familienmensch

Seither sank das Nettoumlaufvermögen des Neuzugangs mehr als 20%. Die Integrationsleistung bewog die Ratingagentur Standard & Poors im Juli dazu, die Einschätzung von Barry Callebaut wieder auf BB+ mit stabilem Ausblick anzuheben. Zuvor hatten die Fragen, ob der damalige Verlustbringer das richtige Akquisitionsobjekt sei und ob dem Management die Eingliederung gelinge, das Urteil geprägt.

«Finanzchef ist ein täglich aufs Neue spannender Job», wie Balli glaubhaft versichert. Ohne grosses Verständnis der Familie – Balli ist verheiratet und hat drei erwachsene, noch zu Hause lebende Kinder – könnte er seine Arbeit jedoch nicht wahrnehmen. Dessen ist er sich bewusst. Umso mehr geniesst er es, sich daheim am Zürichsee zu entspannen. Dass persönliche Interessen wie Sport und Klavierspielen dabei zurückstehen müssen, nimmt er in Kauf.

Hat Ihnen der Artikel gefallen? Lösen Sie für 4 Wochen ein FuW-Testabo und lesen Sie auf www.fuw.ch Artikel, die nur unseren Abonnenten zugänglich sind.