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17:35 Uhr - 29.05.2015

Geberit-VRP: «Wir ziehen letztendlich alle am gleichen Strick»

Albert M. Baehny, Verwaltungsratspräsident von Geberit, lobt im Interview mit «Finanz und Wirtschaft» die gute Streitkultur im von ihm geführten Gremium.

Albert M. Baehny, seit 2003 bei Geberit (GEBN 339.2 -0.96%), zwischen 2005 und 2014 Vorsitzender der Konzernleitung (CEO) und seit 2011 Verwaltungsratspräsident des Sanitärtechnikers, führt einen sehr schlanken Verwaltungsrat, der nur sechs Mitglieder zählt. Eine Frau gehört aber nicht dazu. Baehny betont indessen im Interview mit «Finanz und Wirtschaft», Geberit hätte «keine Probleme» eine Frau in den Verwaltungsrat aufzunehmen, wenn «die richtige Person» gefunden werden könne. Wenn Baehny von seinem Verwaltungsrat redet, kommt ihm das Wort «gemeinsam» besonders häufig über die Lippen.

Zur PersonAlbert M. Baehny, geboren 1952, ist diplomierter Biologe der Universität Freiburg. Er begann 1979 seinen Berufsweg in der Forschung der Serono-Hypolab. Sein weiterer Weg führte ihn über unterschiedliche Marketing-, Vertriebs-, strategische Planungs- und globale Führungsfunktionen bei Dow Chemicals Europe (1981–1993), Ciba-Geigy/Ciba SC (1994–2000), Vantico (2000–2001) und Wacker Chemie (2001–2002). Von 2003 bis 2004 leitete er bei Geberit den Konzernbereich Marketing und Vertrieb Europa. Von 2005 bis Ende 2014 war Albert M. Baehny Vorsitzender der Konzernleitung (CEO), seit 2011 ist er Präsident des Verwaltungsrats. Geberit bieten den Aktionären sehr vielTrotz der Akquisition der finnischen Sanitec bleiben die Margen des Sanitärtechnikers überdurchschnittlich hoch. Informieren Sie sich hier zu den Geberit-Aktien.Herr Baehny, Geberit belegt im Verwaltungsrats-Ranking 2015 von «Finanz und Wirtschaft» und zRating den ersten Platz. Wie ist Ihre Reaktion?
Ich habe eine grosse Freude. Das ist eine Anerkennung für die gute Zusammenarbeit im Verwaltungsrat und mit der Geschäftsleitung. Klar, wir streiten auch manchmal, aber letztendlich ziehen wir alle am gleichen Strick.

Welche Stärken weist der Verwaltungsrat von Geberit auf?
Der Verwaltungsrat ist eine Gruppe von Menschen mit verschiedenen Kenntnissen und verschiedenen Erfahrungen, die sich aber sehr gut ergänzen. Wir diskutieren gemeinsam die strategischen Themen, die sich uns stellen. Dabei stehen nicht die Egos der einzelnen Mitglieder im Vordergrund, sondern der Wille, gemeinsam das Beste für das Unternehmen zu erreichen.

Sie betonen das «gemeinsam» so stark. Wie erreichen Sie diese Kultur der Gemeinsamkeit?
Wir haben klare Ziele und eine klare Strategie. Gleichzeitig sitzen die richtigen Charaktere im Verwaltungsrat. Diese Personen kommen für Geberit an die Sitzungen und nicht für ihre eigenen Ziele.

Hat der Verwaltungsrat von Geberit auch Schwächen?
Ein Verwaltungsrat ist natürlich nie ganz perfekt, nie ganz optimal zusammengesetzt. Aber insgesamt hat er keine gravierenden, relevanten Schwächen.

Ein Makel hat Ihr Verwaltungsrat aber trotzdem – das ist die Frau, die fehlt.
Diese Bemerkung habe ich erwartet. Wir suchen bei Geberit für den Verwaltungsrat die richtige Person. Sollte das eine Frau sein, dann hätten wir keine Probleme, sie in den Verwaltungsrat aufzunehmen. Die Prioritäten bei der Auswahl liegen aber beim Wissen und Können, bei der Erfahrung und beim Charakter.

Wie arbeitet der Verwaltungsrat von Geberit?
Wir treffen uns im Durchschnitt sieben Mal pro Jahr. Die Häufigkeit hängt ab von den strategischen Themen, die wir auf dem Tisch haben. Wir kommunizieren untereinander auch zwischen den Sitzungen. Wir führen zudem informelle Gespräche zwischen den Mitgliedern, wenn es notwendig ist. Schliesslich arbeite ich als Verwaltungsratspräsident sehr eng zusammen mit dem CEO.

Was hat den Verwaltungsrat von Geberit im vergangenen Jahr besonders beschäftigt?
Vorwiegend die Akquisition des finnischen Unternehmens Sanitec. Das Geschäftsfeld von Geberit wird dadurch um Badezimmerausstattungen erweitert. Überschneidungen zu unseren angestammten Aktivitäten – Sanitärtechnik, Rohrleitungssysteme – gibt es keine; die Akquisition ist komplementär. Wir erhoffen uns so, neue Wachstumsfelder erschliessen zu können.

Welche Herausforderungen beschäftigen den Verwaltungsrat von Geberit im laufenden Jahr?
Es ist die Kombination, das operative Geschäft kurzfristig erfolgreich zu führen, langfristig die richtigen strategischen Entscheidungen zu treffen und die richtigen Investitionen zu machen, damit das Unternehmen in drei bis fünf Jahren noch so gut da steht wie heute – also eine Kombination von kurzfristigen und langfristigen Themen.

Wie stark beschäftigen den Verwaltungsrat Standortfragen angesichts von Masseneinwanderungsinitiative und Frankenstärke?
Relativ wenig, obwohl wir bei Geberit zwei Werke in der Schweiz haben. Diese Werke sind aber hoch automatisiert. Deswegen haben wir keine gravierenden Kostennachteile gegenüber anderen Ländern.

Die komplette Historie zu Geberit finden Sie hier. »

Geberit bieten den Aktionären sehr vielDer Sanitärtechniker Geberit ist eines der margenstärksten Schweizer Industrieunternehmen. Auf der Ebene Ebitda realisierte er 2014 eine Marge von 27,3% und eine Umsatzrendite von 20,7%. Von derartigen Werten können andere Industrieunternehmen nur träumen. Dahinter stehen eine durchdachte Marketingstrategie, ein hervorragendes und innovatives Produktportfolio sowie eine hohe Kosteneffizienz.

Zu Jahresbeginn hat das Unternehmen mit der Akquisition der finnischen Sanitec einen grossen Schritt gemacht – und ist so zum europäischen Marktführer im Sanitärgeschäft geworden. Das Geschäftsfeld von Geberit wird durch Badezimmerausstattungen erweitert. Überschneidungen mit den herkömmlichen Bereichen (Sanitärtechnik, Rohrleitungssysteme) gibt es keine, die Akquisition ist komplementär.

Geberit erhofft sich in erster Linie denn auch, so neue Wachstumsfelder zu erschliessen. Sanitec erreicht die ausgesprochen hohen Margen von Geberit allerdings nicht. Sie werden unter Einschluss von Sanitec künftig etwas tiefer liegen, aber immer noch weit über dem Durchschnitt.

Geberit hat sich diese grösste Akquisition in der Unternehmensgeschichte einiges kosten lassen. Der Kaufpreis beläuft sich auf umgerechnet rund 1,4 Mrd. Fr. Als Folge der Übernahme haben sich die Finanzkennzahlen verschlechtert. Per Ende des ersten Quartals schrumpfte die Eigenkapitalquote auf 44,6%, zum Jahresende 2014 erreichte sie noch gut 70%. Und aus der Nettoliquidität von knapp 740 Mio. Fr. wurde wegen der Finanzierung des Kaufpreises eine Nettoschuld von knapp 650 Mio. Fr.

Diese Verschlechterungen sind vorübergehender Natur und keineswegs besorgniserregend – der Kauf muss verarbeitet werden. Schon ab 2016 sollte sich der Erwerb der Sanitec jedoch positiv auswirken. Geberit büsst durch diese Übernahme nicht an operativer Schlagkraft ein und wird weiterhin in der Lage sein, Mehrwert zu generieren.

Neben der Sanitec-Integration wird die grösste Herausforderung für das Management um den neuen CEO Christian Buhl darin bestehen, die Verkäufe verstärkt zu internationalisieren. Unter Einschluss von Sanitec erwirtschaftet Geberit über 90% des Umsatzes in Europa. Die Aktivitäten in den USA und Asien sollen ausgebaut werden.

Das Unternehmen bleibt für den Aktionär sehr attraktiv. Neben den hohen Margen generiert es eine stolze Rendite auf dem investierten Kapital, sie erreichte 2014 über 35%. Zudem zeichnet es sich durch eine hohe Ausschüttung aus, die sich in einer Bandbreite zwischen 50 und 70% des Gewinns bewegt. Geberit wird nach einem Übergangsjahr 2015 das Wachstumstempo wieder erhöhen.

Die Titel sind mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 27 hoch bewertet und verfügen vorerst über wenig Kursfantasie. Aufgrund der guten Perspektiven können Kursrückschläge jedoch zu Zukäufen genutzt werden.

Alles zum Verwaltungsrats-Ranking der FuW» Die Bestplatzierten im Porträt

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