Das Medtech-Unternehmen gewinnt nach dem Wegfall einer lukrativen Vertriebsvereinbarung an Dynamik. Von den Aktionären wird aber Geduld verlangt.
Dass einem Unternehmen ein Drittel Umsatz und die Hälfte des Betriebsgewinns wegbrechen, kommt selten vor. Seit Ende Juni 2018 ist Ypsomed (YPSN 129 -6.66%) just damit konfrontiert. Das US-Unternehmen Insulet kündigte den Vertrag zum Vertrieb seiner Insulinpumpe Omnipod in Europa.
Der Entscheid zwingt das auf Medikamenten-Injektionssysteme spezialisierte Burgdorfer Unternehmen, sich fortan auf Eigenprodukte zu konzentrieren und deren Entwicklung massiv zu beschleunigen.
So hat das Management die Investitionen in Sachanlagen im Geschäftsjahr 2018/19 (Abschluss per Ende März) zum zweiten Mal in Folge verdoppelt, um die Kapazität zu erneuern und auszubauen – und kostengünstiger fertigen zu können. Zudem sind die Ausgaben für den Vertrieb im Vergleich zum Vorjahr 10% und für Forschung und Entwicklung 46% gestiegen.
Hausgemacht kommt an
Der Fokus auf Eigenprodukte und der Aufwand dafür scheinen sich zu lohnen: Der Umsatz des fortgeführten Geschäfts, die Basis der «neuen» Ypsomed, nahm nahezu ein Viertel zu. Die Insulinpumpe YpsoPump als Ersatz von Insulet verdreifachte den Umsatz.
Ende April benutzten 10‘000 Patienten das Produkt; beim Start von Omnipod 2012, das sich in der Folge als sehr einträglich für Ypsomed erweisen sollte, war es etwa ein Drittel weniger gewesen.
Im Unterschied zu früher kann Ypsomed mit dem eigenen Produkt auch den nordamerikanischen Markt beackern. Der Eintritt hat sich allerdings verzögert, nicht nur in Kanada (Mitte Mai 2019), sondern auch in den USA. Weil Ypsomed eine von der Gesundheitsbehörde FDA zusätzlich geforderte Studie nicht fristgerecht einreichte, rechnet CEO Simon Michel nun mit einer Zulassung bis Ende Geschäftsjahr 2019/20, ein Jahr später als geplant.
Rege läuft das Geschäft auch im zweiten Bereich, den Injektionssystemen. Vor einem Jahr formulierte der CEO das Ziel, den Umsatz mittelfristig zu verdoppeln. Mit einem Plus von 18,5% im vergangenen Geschäftsjahr ist Ypsomed hier auf Kurs.
Gegenforderung statt Kompensation
Die ausgewiesenen Zahlen 2018/19 sind jedoch von Insulet geprägt. Ab 1. Juli fielen 81 Mio. Fr. Omnipod-Umsatz weg. Im Betriebsgewinn Ebit ist anderseits eine einmalige Kompensation von knapp 50 Mio. Fr. durch Insulet für die Kündigung des Kooperationsvertrags enthalten.
Geleistet hat das US-Unternehmen bisher allerdings erst 2,6 Mio. $ statt der erwarteten 50 Mio. für die ersten sechs Monate. Aus diesem Grund kürzt Ypsomed die Dividende von 1.40 auf 0.55 Fr.
Kurz vor Weihnachten hat Ypsomed ein Schiedsverfahren eingeleitet. Simon Michel kommentierte am Donnerstag dazu: «Ein Vergleich ist möglich, aber zu grossen Konzessionen sind wir nicht bereit.»
Das Verfahren könnte zwei Jahre dauern. Der CEO ist guter Dinge. Im Geschäftsbericht heisst es dazu: «Management und Rechtsberater gehen davon aus, dass Ypsomed mit überwiegender Wahrscheinlichkeit obsiegen wird.»
EY als Prüfgesellschaft teilt die Einschätzung. Bekommt das Burgdorfer Unternehmen recht, wird es mit der Restzahlung eine Sonderdividende ausschütten.
Wie dem Geschäftsbericht überdies zu entnehmen ist, hat Insulet eine Gegenforderung wegen «angeblich ungenügender Verkaufsbemühungen» in der Höhe von 19,7 Mio. $ geltend gemacht. Mit Blick auf das effektiv verbuchte Umsatzwachstum von 44% von Omnipod hat Ypsomed die Gegenforderung nicht in der Jahresrechnung berücksichtigt.
Tiefpunkt im aktuellen Geschäftsjahr
Im angelaufenen Geschäftsjahr wird der negative Insulet-Effekt stärker zu spüren sein. Der Umsatz wird gemäss Ausblick des Unternehmens 9% auf 415 Mio. Fr. schrumpfen (fortgeführtes Geschäft: +18%). Im Jahr danach, lautet die Prognose von Ypsomed, soll die Delle ausgebügelt sein.
Auf Stufe Betriebsgewinn Ebit werden 25 bis 30 Mio. Fr. erwartet, verglichen mit 11,4 Mio. Fr. aus dem fortgeführten Geschäft in der vergangenen Periode. Anfang November, bei der Bekanntgabe des Semesterberichts, war Ypsomed noch von 30 bis 40 Mio. Fr. ausgegangen.
Auch von den 60 bis 80 Mio. Fr. im Folgejahr ist nicht mehr die Rede. Stattdessen gilt einzig das Ziel, den Ebit bis in vier Jahren auf über 100 Mio. Fr. zu steigern. Inklusive des Insulet-Ertrags hatte das Unternehmen 2017/18 rund 61 Mio. Fr. ausgewiesen.
Aktien korrigieren
Die Transformationsleistung von Ypsomed ist beeindruckend. Doch die Dividendenkürzung goutierten wohl nicht alle Aktionäre, wie der Kursverlust von bis zu 7% am Donnerstag nahelegt.
Zudem dauert die Umformung länger als gedacht. Gelingt sie, und derzeit sieht es ganz danach aus, wird sie zwar umso nachhaltiger sein. Auf zwei Jahre hinaus sind die erwarteten Fortschritte allerdings schon im Aktienkurs enthalten (Kurs-Gewinn-Verhältnis 2020/21: 28). Ein Einstieg drängt sich nicht auf.
Die komplette Historie zu Ypsomed finden Sie hier. »
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