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15:13 Uhr - 03.03.2015

Gibt Apple der SIM den Todesstoss?

Der US-Konzern wird zum Wettbewerber der Mobilfunkanbieter – vielleicht.

Wieder Apple (AAPL 128.83 -0.2%). Mit seinem Innovationstempo und seiner Marktmacht als Drohkulisse schreckt der Technologiekonzern die Telecombranche auf. Vergangenen Herbst kündigte er an, Mobilgeräte mit einer SIM-Karte zu verkaufen, die den jeweils günstigsten Handytarif verschiedener Mobilfunkanbieter automatisch auswählt. Das US-Onlineportal The Verge schrieb: «Die SIM-Karte wird sterben.»

Zeit für den nächsten Wachwechsel in der mobilen WeltDer Smartphone-Markt nähert sich seiner Sättigungsgrenze. Wer sich jetzt ein Gerät holt, kauft ein billiges oder ein teures. Alles dazwischen wird zermahlen. Ein Blick auf einen gnadenlosen Verdrängungskampf.
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Das wäre fatal für die Mobilfunkbetreiber. Das Subscriber Identity Module (SIM), auf dem die Informationen des Nutzers gespeichert sind, ist ein wichtiges Glied in der Wertschöpfungskette. Darüber läuft die Vertragsbeziehung, darüber ist eine Nutzeranalyse möglich. Heute sind SIM-Karten meist so programmiert, dass nur ein Anbieter freigeschaltet ist – und Netzanbieter so Kunden mit subventionierten Endgeräten anlocken können.

Apple versucht’s seit 2001

Gelänge es Apple, offene SIM-Karten über Millionen von Endgeräten zu verbreiten, würde den Mobilfunkanbietern Geschäft wegbrechen. Schon 2001 versuchte Apple, eine «virtuelle SIM» in den Markt zu bringen. Damals vereitelten die Netzbetreiber dies. Heute ist das anders. Die Niederlande haben bereits den Einsatz virtueller, netzagnostischer SIM zugelassen. Und Apple ist stärker denn je. Doch Digital-ID-Analyst Alex Derricott vom Researchhaus IHS sagt, die Apple-SIM sei vorerst «nur» eine Nano-SIM, eine Standardvariante der traditionellen SIM: «Kurzfristig ist daraus keine grosse Umwälzung zu erwarten.»

Denn die reprogrammierbare Apple-SIM ist eine Variante, mit der sich Netzbetreiber arrangieren könnten. Sie ist immer noch eine physische Karte, also nicht rein softwarebasiert, und kann durch die Karte eines beliebigen Anbieters ersetzt werden. Auch ist sie erst im iPad Air 2 und Mini 3 enthalten, nicht im weit verbreiteten  iPhone. In den USA sind zudem nur AT&T (T 34.45 -0.55%), Sprint und T-Mobile US als Anbieter aufgeschaltet, in Grossbritannien nur EE (Orange/Telekom, bald BT Group).

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Doch die Öffnung der SIM-Karte und mehr Flexibilität in der Wahl des Netzbetreibers gewinnen an Fahrt. Das 2014 von BlackBerry gekaufte Start-up Movirtu bietet eine virtuelle SIM-Karte an, die verschiedene Rufnummern auf einer einzigen Karte nutzbar und abrechenbar macht.  Und Internetgigang Google (GOOGL 575.76 0.13%) kündigte in Barcelona an, in den USA als virtueller Netzanbieter aufzutreten, über den jeweils das beste WiFi- oder Mobilfunksignal ausgewählt werden kann und dank dem ein unterbrechungsfreier Wechsel zwischen Drahtlos- (WLan-) und Mobilfunknetzen möglich ist.

Auch die Apple-SIM könnte die Netzbetreiber länger beschäftigen. Gemäss Christian Niegel von der Unternehmensberatung Arthur D. Little kann ein Gerätehersteller über eine Soft-SIM-Karte die Hoheit über die Kundendaten erlangen; es komme da auf die Ausgestaltung des sicheren «Secure Element» an. Eine Umfrage der Beratungsgesellschaft zeigte Sorgen unter Mobilfunkbetreibern um deutliche Einnahmenverluste, sollte eine Software automatisch einen Wechsel zu günstigen Tarifen ermöglichen, etwa beim Roaming. Auch werde befürchtet, die direkte Kundenbeziehung zu verlieren.

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Niegel sagt, westliche Netzbetreiber, die Subventionen für Endgeräte einspielen müssen, empfänden die Soft-SIM darum eher als Bedrohung. In sehr prepaid-lastigen Märkten wie in Asien und Afrika werde sie eher als Chance gesehen. Dort könnte mehr Flexibilität zumindest für die Netzbetreiber den Vorteil bringen, dass sie nicht mehr in SIM-Karten und deren Logistik investieren müssen.

Unter Sicherheitsaspekten gilt die Umstellung auf rein softwarebasierte SIM als problematisch: «Eine duale Lösung auf Hardware und Software bietet mehr Sicherheit», sagt IHS-Analyst Derricott. Sicherheit und Datenschutz sind gerade in diesem sensiblen Geschäft entscheidend. Die Kursverwerfungen in den Aktien des SIM-Karten-Herstellers Gemalto sprechen Bände. Geheimdienste hatten offenbar sein Firmennetzwerk attackiert.

Boom in vernetzten Geräten

Derricott erwartet nicht, dass in den nächsten drei Jahren eine softwarebasierte SIM den klassischen, auf Smartphones ausgerichteten Mobilfunkmarkt in Europa aufmischen wird. Rasantes Wachstum sieht er aber bei  – auch reprogrammierbaren – SIM, die in Industriegeräte eingebaut sind («Embedded SIM»). So soll in der EU ab spätestens 2018 ein Autonotrufsystem Pflicht sein. Die Deutsche Telekom (DTE 16.325 -2.04%) hat Ende Februar mitgeteilt, eine umprogrammierbare SIM für vernetzte Geräte einführen zu wollen, und ruft nach Standards in diesem Bereich. Hier sehen die etablierten Telecombetreiber offenbar mehr Chancen als Risiken und akzeptieren offene SIM.

Mit besseren Netzen und technologischer Miniaturisierung wird das Internet der Dinge den Durchbruch schaffen. Problematisch sind aber mögliche Inkompatibilitäten bestehender eingebauter SIM mit neuen Netzstandards (5G).  Auch dürften beschränkte Netzkapazitäten den Boom bremsen, sagt IHS-Analyst Derricott, weil die rapide Verbreitung automatisierter Datenübertragung zu Staus im Netz führen könnte.

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