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06:04 Uhr - 29.07.2016

Europas Banken zittern vor Stresstest

Am Freitagabend wird das Ergebnis des europäischen Bankenstresstests veröffentlicht. Worum geht es dabei überhaupt? «Finanz und Wirtschaft» liefert die wichtigsten Antworten.

Die Zeit läuft: In wenigen Stunden zeigt sich, wie robust Europas Banken tatsächlich sind. Am heutigen Freitag, um 22 Uhr Schweizer Zeit, veröffentlicht die Europäische Bankenaufsicht (European Banking Authority, EBA) das Resultat des diesjährigen Stresstests. Die Finanzmärkte haben dann rund zwei Tage Zeit, das Ergebnis zu verdauen, bevor die Börsen am Montag wieder öffnen.

Insbesondere bei den italienischen Finanzhäusern und bei der Deutschen Bank dürfte die Härteprüfung Schwachstellen aufdecken. Aber worum geht es überhaupt? Hier die wichtigsten Antworten zum Bankenstresstest:

Welche Banken werden geprüft?
Die EBA nimmt 51 Finanzinstitute aus 14 EU-Ländern sowie Norwegen unter die Lupe. Insgesamt decken sie 70% der Bilanzsumme europäischer Banken ab. Berücksichtigt werden nur Institute, die eine Bilanzsumme von mehr als 30 Mrd. € ausweisen, deshalb sind etwa keine portugiesischen Banken dabei. Beim letzten Stresstest 2014 wurden 123 Banken geprüft.

Welche Vorgaben müssen die Banken erfüllen, um den Test zu bestehen?
Anders als in früheren Jahren hat die EBA offiziell keine Mindestquoten für das Eigenkapital genannt. Marktbeobachter orientieren sich daher an den Vorgaben von 2014. Damals mussten die Banken unter Stress eine Eigenkapitaldecke von mindestens 5,5% erreichen.

Wie fiel der Stresstest 2014 aus?
24 Finanzinstitute fielen durch. Bereits damals zählten die italienischen Banken zu den schwächsten in Europa. Insgesamt wies der Stresstest eine Kapitallücke von 25 Mrd. € nach. Die Institute mussten Pläne vorlegen und aufzeigen, wie sie die Lücke schliessen wollen. Dass das nicht gelungen ist, dürfte der Stresstest heute Abend zeigen.

Was wird 2016 getestet?
Die Bankenaufsicht setzt die Bilanzen in ihrem Stressszenario verschiedenen Stressfaktoren aus. Geprüft wird unter anderem, wie sich die Eigenkapitaldecke entwickelt. Vier Hauptkomponenten definieren die Krisensituation:

  1. Ein plötzlicher Anstieg der Risikoprämien an den Finanzmärkten, in Kombination mit einem Liquiditätsengpass im Handel von Wertschriften (Sekundärmarkt)
  2. Schwaches Wirtschaftswachstum
  3. Eine Verschlechterung der Kreditqualität im öffentlichen Sektor und bei Unternehmen
  4. Stress im Schattenbankensystem, der durch einen Liquiditätsengpass und Ansteckungsgefahr verschärft wird

Welche Aspekte werden ausgeklammert?
Nicht berücksichtigt werden im Stresstest die Auswirkungen der Negativzinsen auf die Bankbilanzen. Das sorgt für Kritik. So müssen die Banken etwa 0,4% Strafzinsen zahlen, wenn sie Geld bei der Europäischen Zentralbank (EZB) parken – auch das schmälert ihre Einnahmen.

Welche weiteren Risiken testet die EBA?
Erstmals wird die EBA mögliche Risiken testen, die sich aus dem Fehlverhalten von Mitarbeitern ergeben. Banken rund um den Globus haben in den vergangenen Jahren Milliardenbussen für verschiedenste Verfehlungen bezahlen müssen.

Was folgt auf die Bekanntgabe der Resultate?
Die EZB wird das Ergebnis bei der Festlegung der Kapitalanforderungen für die einzelnen Banken berücksichtigen. Das soll gegen Ende Jahr über die Bühne gehen. Wird eine Unterdeckung festgestellt, ist denkbar, dass die EZB die Ausschüttung einer Dividende verbietet. Auch in den USA hat das Abschneiden im Stresstest Einfluss auf die Dividendenpolitik der Banken.

Weshalb sind Italiens Banken im Fokus?
Italiens Banken leiden schon seit Jahren unter der Last fauler Kredite. Am anfälligsten für eine Krise dürfte Monte dei Paschi sein. Die Analysten von Morgan Stanley (MS 28.86 -0.55%) schätzen, dass ihr Eigenkapital in einem Stressszenario fast vollständig wegschmelzen würde. Aber auch das Kapitalpolster der Deutschen Bank dürfte dünn ausfallen. Das ist besonders heikel, weil sie gemäss Einschätzung des Internationalen Währungsfonds (IWF) derzeit das grösste Systemrisiko für das globale Finanzsystem ist.

Wie geht es weiter?
Weil die EBA keine Anforderungen für das Bestehen des Stresstests definiert hat, können die Banken auch nicht durchfallen. Doch so einfach ist es nicht, meinen die Strategen von Barclays (BARC 146.9 -1.72%). «Wenn der Stresstest nicht zum Anlass genommen wird, das Kreditproblem bei Monte dei Paschi anzugehen, werden die Märkte das Unterfangen als Misserfolg abstrafen», schreiben sie. Die Rekapitalisierung von Monte dei Paschi reiche aber nicht aus. Um eine Bankenkrise in Italien zu verhindern, müsse ein Plan für das gesamte italienische Bankensystem ausgearbeitet werden, halten die Analysten fest.

Warum ist die Deutsche Bank (DBK 11.91 -4.3%) im Fokus?
Die Strategen von Barclays schätzen, dass auf die Deutsche Bank in den kommenden Quartalen Bussen im Umfang von mehr als 3 Mrd. € zukommen und weiter an der Kapitaldecke zehren. Die Analysten beziffern den Fehlbetrag des Instituts auf 7 Mrd. €. An den Kapitalmärkten dürfte es die Deutsche Bank derzeit schwer haben. Der Aktienkurs notiert auf einem Allzeittief und spiegelt das Misstrauen der Investoren gegen die Bank.

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