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13:57 Uhr - 10.11.2015

«Anleger interessieren sich wieder für Rohstoffe»

Laut Bernhard Wenger, dem Europa-Vertriebschef von ETF Securities, verzeichnen dieses Jahr vor allem Erdöl- und Energieprodukte wieder Zuflüsse. Für nächstes Jahr rechnet der ETF-Anbieter mit moderat steigenden Rohstoffpreisen.

Bernhard Wenger Bild: ETF SecuritiesOpportunities 2016 «Finanz und Wirtschaft» lädt am kommenden Donnerstag zahlreiche renommierte Anlageexperten aus aller Welt ins Renaissance Tower Hotel in Zürich ein, um mit ihnen den Ausblick auf Anlageideen für das neue Börsenjahr zu ergründen. Als Sprecher mit dabei sind u. a. Marc Faber, Charles Biderman (TrimTabs Investment Research), Christopher Wood (CLSA), Dr. Oliver Adler (Credit Suisse), Anastassios Frangulidis (Zürcher Kantonalbank) und Dr. Daniel Kalt (UBS).
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Herr Wenger, ist der Rohstoffsuperzyklus, der mit dem wirtschaftlichen Aufstieg Chinas einhergeht, bereits zu Ende?

Nein, es gibt innerhalb eines Superzyklus immer wieder kleinere Zyklen. In einem solchen Zwischenzyklus sind wir jetzt allmählich am Tiefpunkt angelangt. Wir glauben allerdings nicht, dass es wieder so steil aufwärts geht wie im vergangenen Jahrzehnt. Es fehlt der starke Impuls aus China. Wir erwarten daher nur ein moderates Anziehen der Rohstoffpreise. Man muss allerdings zwischen den einzelnen Rohstoffen unterscheiden, denn die Einflussfaktoren sind nicht überall die gleichen: Bei Erdöl zum Beispiel ist die Förderpolitik der grossen Produzenten massgeblich, bei den Agrarrohstoffen das Wetterphänomen EL Niño.

Auf dem Erdölmarkt herrscht ein Überangebot. Wird sich daran noch länger nichts ändern?
Das Erdölkartell Opec wird die Förderquoten nicht senken und weiterhin versuchen, Marktanteile zu verteidigen, sonst verliert es seine Glaubwürdigkeit. Doch auf globaler Ebene wird das Angebot einen Dämpfer bekommen: Förderprojekte im Gesamtwert von über 200 Mrd. $ wurden in Folge des Preissturzes eingestellt oder auf Eis gelegt, und in den USA ist die Zahl der aktiven Bohrlöcher deutlich zurückgegangen.

Wie wird sich die Nachfrage nach fossilen Energieträgern entwickeln und was bedeutet das für die Preisfindung?
Die globale Nachfrage nach Erdöl- und Erdgas (Erdgas 2.3 -2.99%) dürfte weiterhin leicht zunehmen, auch wenn Chinas Wirtschaft künftig weniger als 7% wachsen sollte. Peking wird keine harte Landung der Wirtschaft zulassen und die Urbanisierung des Landes weiter vorantreiben. Chinas Rohstoffnachfrage bleibt daher absolut betrachtet sehr hoch. Bei gleichzeitig eher geringerem Angebot sehen wir Potenzial für steigende Ölpreise. Für nächstes Jahr erwarten wir einen Durchschnittspreis von 60$ pro Fass der Rohölsorte Brent.

Bei welchen Edelmetallen sind die Aussichten auf steigende Preise am besten?
Wir sind eher optimistisch, was den Verlauf des Goldpreises anbelangt. Gold (Gold 1092.85 0%) wird von vielen Investoren als Absicherungsinstrument verwendet. Diese Gruppe von Investoren hält dem Edelmetall auch heute die Treue, das bestätigen unsere Analysen. Höhere Zinsen wären schlecht für Gold, aber derzeit rechnet selbst in den USA kaum mehr jemand mit markant steigenden Leitzinsen. Bei Silber (Silber 467.5 -0.53%) (Silber 14.47 -0.75%) kommt es darauf an, ob die Weltkonjunktur wieder an Fahrt gewinnt, da die Hälfte der Nachfrage aus der Industrie kommt. Bei Palladium (Palladium 19636 1.69%) (Palladium 607.25 1.12%) und Platin (Platin 29482 0.15%) (Platin 911.75 -0.11%) wäre ich vorsichtig. Wegen der im Zuge des Abgasskandals erhöhten Unsicherheit in der Autobranche sind die Preise der Platinmetalle kurzfristig starken Schwankungen unterworfen.

Welche Trends sind bei den kotierten Rohstoffanlageprodukten zu beobachten? Wo sind die Abflüsse am grössten, wo besteht mehr Interesse?
Erdöl-  und Energieprodukte verzeichnen dieses Jahr die grössten Zuflüsse. Anscheinend hat die Halbierung der Rohölpreise das Interesse an Investitionen in dieses Segment geweckt. Wir beobachten nun auch wieder ein zunehmendes Interesse an breiten Rohstoffindizes. Bei den Goldprodukten hat sich die Situation beruhigt, es gibt kaum mehr Abflüsse. Bei den übrigen Metallen halten sich Käufe und Verkäufe die Waage.

Anleger können mit Exchange Traded Commodities (ETC) einfach in Rohstoffe und Edelmetalle investieren. Wie funktionieren sie?
Der Anleger kauft einen Anteil am ETC auf einen bestimmten Rohstoffindex. Der ETC geht ein Swap-Geschäft mit einer Bank ein, die die Performance garantiert. Diese Bank muss den vollen Wert dieses Swaps-Geschäfts täglich mit Sicherheiten hinterlegen. Die Bank sichert sich ab, indem es die Rohstofffutures gemäss Vorgaben des Index kauft. So bildet der ETC eins zu eins den Rohstoffindex ab.

Wie unterscheiden sich ETC von den Exchange Traded Funds (ETF)?
Da das Regelwerk Ucits verbietet, ein nicht diversifiziertes Produkt in einem Fonds-Mantel anzubieten, müssen kotierte Produkte auf einzelne Rohstoffe und Indizes als ETC strukturiert werden. Im Unterschied zu ETF handelt es sich bei ETC um Schuldverschreibungen. Dadurch trägt der Anleger theoretisch ein Emittentenrisiko. Entscheidend ist dieser Unterschied bei jenen Produkten, die wegen der teuren Lagerhaltung nicht physisch hinterlegt werden können. Solche ETC werden deshalb voll abgesichert. Das heisst, sie sind für den Fall des Konkurses des ETC-Anbieters mit einer Sicherheit hinterlegt.

Wie stark ist deren Entwicklung von den Rollgewinnen  und -verlusten geprägt?
Ob Sie durch das Rollen der Terminkontrakte Gewinne erzielen, hängt von der Struktur der Terminkurve des jeweiligen Rohstoffs ab. Bei Erdöl zum Beispiel werden derzeit Kontrakte mit einem späteren Liefertermin zu höheren Preisen gehandelt als bald fällige Futures. Diese Marktstruktur wird als Contango bezeichnet und führt zu Rollverlusten. Die Struktur der Terminkurve kann sich aber jederzeit ändern.

Können Investoren mit ETC auch auf fallende Rohstoffpreise setzen?
Es gibt zahlreiche Short-Produkte auf Indizes und Einzelrohstoffe, auch solche, die mit einem Hebel operieren. Sie richten sich an qualifizierte Anleger mit entsprechenden Kenntnissen und sind nicht für langfristig ausgerichtete Buy-and-Hold-Strategien geeignet. Aufgrund der erhöhten Volatilität an den Finanzmärkten steigt die Nachfrage nach solchen Short-Produkten über alle Anlageklassen hinweg.

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