Die Einbussen durch die Coronaviruskrise fressen Einnahmen aus dem milliardenschweren Verkauf der Aufzugssparte auf. Die Aktien fallen.
Der Milliardenverkauf der Liftsparte an Finanzinvestoren hätte für ThyssenKrupp (TKA 5.334 2.38%) ein Befreiungsschlag werden sollen. 17,2 Mrd. € werden dem kriselnden Konzern bis Ende Jahr zufliessen. Doch von diesem grossen Haufen Geld könnte wegen Corona wenig übrig bleiben. In einem Brief an die Belegschaft teilte das Management um Interims-CEO Martina Merz mit: «Mittelfristig werden die Corona-bedingten Liquiditätsabflüsse aller Voraussicht nach dazu führen, dass der finanzielle Spielraum aus dem Verkauf des Aufzuggeschäfts weitaus geringer als ursprünglich angenommen sein wird.»
Das bedeutet, dass trotz Megadeal unter dem Strich zu wenig übrig bleiben könnte, um ThyssenKrupp wie geplant finanziell zu sanieren und neu aufzustellen. Die Börse reagierte scharf auf die Nachricht. Am Montag verloren die im Herbst in den deutschen Mittelwerteindex MDax abgestiegenen Aktien zeitweise 16% im Minus. Seit Anfang Jahr haben sie rund die Hälfte eingebüsst.
Dass sich die Situation des Traditionskonzerns schnell verschlechtern würde, war abzusehen. Vergangene Woche soll sich ThyssenKrupp gemäss «Handelsblatt» Hilfe der staatlichen Kreditanstalt für Wiederaufbau in Höhe von über 1 Mrd. € gesichert haben. Damit sollte die Zeit bis zum Eingang des Geldes aus der Lifttransaktion überbrückt werden. Möglicherweise reicht auch das aktuell vorhandene Geld wegen der Krise nicht weit. Denn die Lockdowns haben ThyssenKrupp schwer getroffen.
Gemäss Angaben im Mitarbeiterbrief sei momentan in nahezu allen Geschäftsbereichen die Produktion reduziert, zahlreiche Standorte seien geschlossen oder heruntergefahren worden; dies wegen behördlicher Auflagen oder eingebrochener Nachfrage. Anfang Mai seien mehr als 30 000 von 162 000 Mitarbeitern weltweit in Kurzarbeit. Hinzu kommt eine schwer belastete Bilanz. Per Ende 2019 betrug die Nettoverschuldung rund 7 Mrd. €, dazu kommen Pensionsverpflichtungen von über 8 Mrd. €. Derweil flossen dem Konzern operativ zuletzt mehr als 2 Mrd. € ab. Unter dem Strich schrieb ThyssenKrupp einen Verlust von 372 Mio. €. Ursprünglich wollte man einen Grossteil des Erlöses in Schuldenabbau und Reduktion der Pensionsverpflichtungen stecken.
Innerhalb von zwei Jahren sollten positive Geldflüsse resultieren. Dies erscheint angesichts der stark vom Coronaschock betroffenen Absatzmärkte des Konglomerats wenig realistisch. Neben Autoteilen, Maschinenkomponenten und Fördertechnik ist auch die Stahlherstellung ein wichtiger Pfeiler im Portfolio. ThyssenKrupp ist als Technologielieferant deshalb stark von der globalen industriellen Nachfrage abhängig, und die dürfte auf Monate, wenn nicht Jahre hinaus gedämpft sein.
Martina Merz will bis Ende Monat informieren, wie der Deal-Erlös verwendet und doch noch eine finanziellen Sanierung herbeigeführt werden soll. Die Aktien bleiben eine Hochrisikowette.
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