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11:27 Uhr - 27.10.2015

US-Notenbank in der Warteschleife

Eine Zinserhöhung am Mittwoch ist offenbar vom Tisch. Ökonomen erwarten die erste Anhebung frühestens für Dezember.

Die Meinungen gehen in den Reihen der US-Notenbank (Fed) offenbar auseinander, doch unter Ökonomen scheint ein Konsens zu herrschen, dass eine Zinserhöhung vor Dezember endgültig vom Tisch ist. Wenn der Offenmarktausschuss am Dienstag zu seiner zweitägigen Sitzung zusammentritt, hoffen Experten, dass es wenigstens zu einer leicht modifizierten Sprachregelung kommen wird, die neue Hinweise auf die erste monetäre Straffung seit über neun Jahren enthält.

In einer Rede im September hatte die Fed-Vorsitzende Janet Yellen, selbst seit jeher eine ausgesprochene Inflationstaube, gesagt, dass sie damit rechne, noch im laufenden Jahr an der Zinsschraube zu drehen. Zuletzt hatten die Währungshüter im Juni 2006 die Zügel straffer gezogen, und seit Dezember 2008 halten sie am Nullzins fest. Aus Yellens Sicht hat die Erholung am Arbeitsmarkt angenehm überrascht. Auch äusserte sie die Überzeugung, dass die Auswirkungen des niedrigen Ölpreises und des starken Dollars, die beide entscheidend zur niedrigen Teuerungsrate beitragen, nur vorübergehender Natur seien. Zwischenzeitlich ist aber innerhalb des Fed der Widerstand gegen eine Zinserhöhung deutlich gewachsen.

Turbulenzen verhindern

Eine prominente Gegnerin einer monetären Straffung ist Fed-Gouverneurin Lael Brainard. Sie wies kürzlich darauf hin, dass die Chancen für einen weiteren Rückgang der Inflation zugenommen hätten. «Ehe es erkennbare Signale gibt, die auf eine höhere Inflationsrate hindeuten, sollten wir nichts unternehmen», sagte sie. Noch deutlicher wurde Vorstandsmitglied Daniel Tarullo. Er bezeichnete es als «unangemessen, in einem global disinflationären Umfeld noch in diesem Jahr die Zinsen zu erhöhen».

Als die Notenbank vergangenen Monat ihren Quartalsbericht mit Zinsprognosen veröffentlichte, äusserten dreizehn von siebzehn Fed-Offiziellen die Überzeugung, dass die Zinsen noch 2015 erhöht werden sollten. Unklar ist, ob Tarullo und Brainard zu den vier Währungshütern zählen, die gegen eine Straffung votierten. Der Grossteil der Marktteilnehmer erwartet allerdings, dass Yellen am Mittwoch noch einmal die Beibehaltung des Nullzinses verkünden wird. Nur 5% der befragten Volkswirte glauben, dass eine Zinserhöhung beschlossen wird. Anzunehmen ist, dass sie recht behalten. Denn würde das Fed tatsächlich diese Woche die Zinswende einläuten wollen, hätte es dieses Vorhaben dem Markt signalisiert. Schliesslich legt Yellen grossen Wert auf Transparenz und offene Kommunikation. Sie weiss, welche Markterwartungen vorherrschen, und versteht ebenso, dass die Notenbank enorme Turbulenzen auslösen könnte, sollten sie enttäuscht werden.

Ethan Harris, Volkswirt bei Bank of America (BAC 16.51 -0.06%) Merrill Lynch, hält gerade deswegen einen Zinsschritt für höchst unwahrscheinlich. Angesichts der Erwartungen und des diesbezüglichen Schweigens der Währungshüter sei dies auf keinen Fall der richtige Zeitpunkt, um etwas zu unternehmen, meint er. Harris wäre schon zufrieden, wenn es wenigstens zu einer Anpassung der Sprachregelung in der Abschlusserklärung des Offenmarktausschusses käme. «Sie könnten beispielsweise sagen, dass die Ziele für den Arbeitsmarkt annähernd erreicht sind» und der zeitliche Horizont für eine Zinserhöhung dementsprechend kürzer geworden sei, erklärt der Ökonom.

Unsicherheit beseitigen

Andere stehen dem Zaudern der Zentralbank ausgesprochen kritisch gegenüber. Catherine Mann, Chefvolkswirtin der OECD und früher als Ökonomin bei der US-Notenbank tätig, hält die wiederholten Hinweise auf eine Straffung der Geldpolitik, auf die dann wieder ein Verzicht folgt, für kontraproduktiv. «Die 25 Basispunkte, die zur Debatte stehen, sind nicht annähernd so bedeutsam wie das Tempo der Wende, die damit eingeläutet wird», sagt Mann. In der Zwischenzeit entstünden immer wieder sechswöchige Zeitfenster, in denen Anleger die Gelegenheit zu exzessiv riskanten Investitionen hätten.

Die niedrigen Öl- und Rohstoffpreise, die Situation in China und der Rückgang des Welthandelsvolumens lässt Mann  als Begründung für die abwartende Haltung nicht gelten. «Das ist alles nicht neu, und das sind alles Dinge, denen die US-Wirtschaft problemlos standhalten kann», sagt sie. Entscheidend sei vielmehr, dass die Unsicherheit verschwinde. «Die US-Notenbank könnte die Ungewissheit mit der Zinserhöhung beseitigen, die sie schon im September hätte beschliessen sollen.» Je früher die Zinswende komme, desto besser, spricht die Volkswirtin vielen Experten aus der Seele.

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