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07:06 Uhr - 04.05.2015

Wie der Krisenbazillus andere Staaten befiel

Vier Euroländer benötigten nach Griechenland Finanzhilfe. Alle erhielten die gleichen Reformauflagen, obwohl sie an unterschiedlichen Krisensymptomen litten.

Griechenland löste vor fünf Jahren die Euroschuldenkrise aus. Anfang Mai schnürte die internationale Gemeinschaft den ersten milliardenschweren Hilfskredit. Aber von Anfang an ging es nie nur um Griechenland selbst. Befürchtet wurde eine Ansteckung über die Finanzmärkte. Wie ein Bazillus würden Zahlungsausfälle, Bankenkonkurse und Panikverkäufe die schwächsten Eurostaaten befallen. Euroländer im ÜberblickIrland und Portugal
Italien und Spanien
Zypern
So stufte die Ratingagentur Standard & Poor’s (S&P) im April 2010 nicht nur Griechenlands Bonität auf Ramschniveau zurück und löste damit einen Kurssturz an den Börsen aus. Sie senkte gleichzeitig auch ihre Einschätzungen für Portugal und Spanien. Anlegern war sofort klar, wer zu den Wackelkandidaten zählte.

Irland und Portugal mussten als Nächste finanziellen Schutz unter dem Rettungsschirm EFSF suchen, der im Zuge der Griechenlandrettung für einen Zeitraum von drei Jahren errichtet worden war. Beide Länder verband wenig, ausser, dass beide höchst anfällig waren für einen plötzlichen Stimmungsumschwung an den internationalen Finanzmärkten.

Chronologie der wichtigsten Ereignisse: Wie die Eurokrise auf andere Länder übersprangzoom

Die nächsten Opfer

Irland nagte noch an den Verlusten, die die heimischen Banken als Folge des Immobiliencrashs 2008 eingefahren hatten. 2009 musste bereits die Anglo Irish Bank – im Volksmund «Builders’ Bank» genannt – verstaatlicht werden. Ständig wurden weitere Milliarden benötigt, bis der Regierung das Geld ausging und sie im November 2010 eine dreijährige Nothilfe über 68 Mrd. € des EFSF und des IWF erhielt.Eurokrise GriechenlandAnfang Mai jährt sich die Einigung über den ersten Griechenlandkredit zum fünften Mal. «Finanz und Wirtschaft» nimmt dies zum Anlass, die wichtigsten Stationen der Eurorettung in einer fünfteiligen Serie Revue passieren zu lassen.

Teil 1: Wie alles begann
Teil 2: Die Ansteckung

Portugals schuldenfinanzierte Ökonomie blieb ohne Geld, als sich die internationalen Kreditgeber, verschreckt durch das griechische Fiasko, abwandten. Im Mai 2011 zog die Landesführung die Notbremse und nahm ebenfalls bei der unbeliebten Troika (EU, Internationaler Währungsfonds, IWF, und Europäische Zentralbank, EZB) einen an strenge wirtschaftspolitische Auflagen geknüpften Dreijahreskredit auf, über 78 Mrd. €.

Die Ansteckung war dadurch aber nicht gestoppt. Im Gegenteil: Sie breitete sich ab Sommer 2011 noch schneller aus. Italien, Europas grösster Schuldner und vor allem zu gross für Hilfen aus dem Rettungsschirm, wurde erfasst. Das Land war politisch geschwächt. Die Berlusconi-Regierung befand sich auf Kollisionskurs mit der Troika. Kapital floss ab. Berlusconi schürte die Ängste, als er mit dem Austritt aus dem Euro drohte. Im November trat er zurück. Die Zweifel an der langfristigen Solvenz des heruntergewirtschafteten Landes bestanden trotzdem fort.

Turbulentes Frühjahr 2012

Das zeigt sich auch daran, dass der bonitätsmässig schwächer bewertete spanische Staat vergleichbare Risikoprämien am Anleihenmarkt erzielte. Spanien war, ähnlich wie Irland, wegen einer geplatzten Immobilienblase in Schieflage geraten. Im Frühjahr 2012, als die Eurozone erneut vor dem Zerreissen stand, Griechenland zum zweiten Mal gerettet werden musste und sich Banken an einer Umschuldung von Eurostaatsanleihen beteiligten, geriet auch Spanien unter Druck. Die mit faulen Hypothekarkrediten überfrachteten Banken stellten ein Risiko dar, dem Madrid finanziell nicht gewachsen war. EFSF und IWF sprangen ein.

Damals fragte auch Zypern um eine Finanzhilfe an. Sie wurde der Regierung aber erst nach konfliktträchtigen Verhandlungen im folgenden Jahr bewilligt.

 

Irland und Portugal: Erfolgsmodelle für die Zukunft?

Irland und Portugal haben beide ihre  dreijährigen Kreditprogramme regulär zu Ende gebracht. Die von der Troika überwachten Spar- und Reformauflagen wurden zur Zufriedenheit der Gläubiger erfüllt. Beide Länder litten schwer: Bilder: Francisco Seco (links) und Peter Morrison beide AP/KeystonezoomEine dreijährige tiefe Rezession, verbunden mit rekordhoher Arbeitslosigkeit und  Einkommensverlusten, löste Proteste in der Bevölkerung aus. Aber die Regierungen hielten sich stoisch an den Austeritätskurs, der ihnen verordnet wurde. Beim Defizitabbau setzte Irland beispielsweise auf Ausgabensenkungen und Steuererhöhungen im Verhältnis zwei zu eins.

Kein Wunder ist das Ausland zufrieden. Hinzu kommt, dass die Konjunktur Tritt gefasst hat. Vor allem Irland glänzt heute mit kräftigen Steigerungen der Industrieproduktion. Die Stimmung der Unternehmen ist besser als in vielen Staaten der Eurozone. Der lokale Immobilienmarkt befindet sich auf Erholungskurs: Die Preise dürften dieses Jahr 9% anziehen, womit sogar Deutschland und Grossbritannien geschlagen würden.

S&P bezeichnet Irlands und Portugals Reformprogramme als Erfolg. Sie seien wegweisend für allfällige künftige Antikrisenmassnahmen. Die Ansteckungsgefahr sei so gut wie vom Tisch.

Gleichwohl sind die Altlasten nicht verschwunden. Der Anteil fauler Bankkredite beträgt in Irland 12%, der zweithöchste Wert in der Europeripherie nach Italien (13%). Portugal versucht derzeit Novo Banco zu verkaufen. Es handelt sich um das 2014 pleitegegangene und vom Staat mit Milliarden gestützte Finanzinstitut Banco Espirito Santo (OXBES 0.12 -40.3%).

Italien und Spanien: Ungleich, aber im selben Boot

Italien durchsteuerte die Euroschuldenkrise ohne einen Notkredit der Partnerstaaten. Spanien benötigte hingegen 2012 ein Hilfspaket, allerdings nur, um die heimischen Banken zu refinanzieren, und schöpfte weniger als die Hälfte der bereitgestellten 100-Mrd.-€-Kreditlinie aus. Das Programm lief Ende 2013 aus.

Bild: Darko Vojinovic/AP/KeystonezoomVor der Eurokrise unterschieden sich beide Länder wirtschaftlich und politisch deutlich voneinander. Als sich der Ansteckungsbazillus 2010 von Griechenland aus ins Ausland zu verbreiten begann,  bewerteten die Finanzmärkte beide als im gleichen Masse anfällig. Das zeigt sich an den Risikoprämien ihrer Staatsanleihen – ausgedrückt als Zinsdifferenz zu deutschen Bundesanleihen –, die sich seither fast identisch bewegen. Spanien gilt heute als das erfolgreichere der beiden Länder: Der Spread für zehnjährige Laufzeiten ist mit 118 Basispunkten (Bp, 100 Bp = 1 Prozentpunkt) enger als der Italiens (122 Bp). In beiden Fällen ist der Risikoaufschlag allerdings etwas höher als vor einem Jahrfünft.

Spaniens Wirtschaft wächst bereits seit sieben Quartalen wieder und sollte 2015, gemäss IWF-Prognosen, um 2,5% expandieren. Italien tritt dagegen erst jetzt aus der Rezession. Der Nachzügler holt allerdings auf. Italien werde die positive Überraschung an den europäischen Aktienmärkten sein, ist die Bank Morgan Stanley (MS 37.51 0.54%) überzeugt. Kostensenkungen dank des tiefen Ölpreises, den Anleihenaufkäufen der EZB sowie der Senkung der Lohnnebenkosten, die die Regierung mit einer Reform des Arbeitsmarktes realisiert hat, würden sich nun auszahlen.

Zypern: Es ist Halbzeit

Bild: Gerry Penny/Epa/KeystonezoomZyperns «Rettung» gilt als Abschreckung dafür, wie zwischenstaatliches Krisenmanagement nicht ablaufen sollte. Das Land ersuchte im Juni 2012 um Hilfe. Fast ein Jahr lang wurde um die Konditionen gerungen, genug Zeit, um eine Kapitalflucht auszulösen. EU und IWF wollten ein Exempel statuieren: Private Bankeinlagen sollten zur Staatsrettung beitragen. Zypern votierte zunächst dagegen. Es wurden Kapitalkontrollen verhängt, aber erst nachdem russische Oligarchen und andere Grosskunden ihr Geld in Sicherheit gebracht hatten. Um die Ansteckung gegenüber Hellas zu stoppen, mussten Banken ihre Töchter in Hellas schliessen.

Heute ist das Kreditprogramm, das bis 2016 dauert, zur Hälfte abgelaufen. 5 der  10 Mrd. € wurden ausgezahlt. Die Troika wird am 6. Mai zu ihrer nächsten Inspektion nach Nikosia reisen.

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