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20:19 Uhr - 06.06.2016

Yellen buchstabiert zurück

Die Chefin der US-Notenbank bleibt optimistisch für die Konjunkturaussichten. Nach Schwächesignalen aus dem Arbeitsmarkt hat sie es aber mit einer weiteren Zinserhöhung weniger eilig.

Das Federal Reserve hat mit seinen Plänen zur Normalisierung der Geldpolitik einen Rückschlag erlitten. Der Arbeitsmarkt in den Vereinigten Staaten hat sich in den vergangenen Monaten alarmierend rasch abgekühlt. Das stimmt die Präsidentin der US-Notenbank vorsichtig, wie sie zu Wochenbeginn in einer ausführlichen Rede darlegte.

«Der Arbeitsmarktbericht vom vergangenen Freitag ist enttäuschend», sagte Janet Yellen während eines knapp stündigen Auftritts vor dem World Affairs Council in Philadelphia. Im Vergleich zum Beginn des Jahres habe sich das Stellenwachstum im Mai und April wesentlich verlangsamt, ergänzte sie. Die Arbeitslosenrate habe sich zwar von 5 auf 4,7% verringert. Das aber nur deshalb, «weil weniger Leute meldeten, dass sie aktiv nach einer Arbeit suchen», meinte die Fed-Präsidentin.

Obschon der letzte Jobbericht «besorgniserregend» sei, betonte die 69-jährige Ökonomin aber auch, dass sie nicht zu viel Gewicht auf einzelne Daten lege. Andere Indikatoren hätten sich besser entwickelt, wofür sie beispielsweise auf den Rückgang der Erstanträge für Arbeitslosenunterstützung sowie auf zuversichtliche Einschätzungen zur Lage am Arbeitsmarkt in Konsumentenumfragen verwies.

Timing ist wieder offen

Grundsätzlich vom Plan weiterer Zinsschritte abweichen will Yellen deshalb nicht: «Wenn die nächsten Daten mit einer Aufhellung am Arbeitsmarkt übereinstimmen und sich die Inflation auf unser Ziel von 2% zubewegt, dann werden weitere graduelle Erhöhungen der Federal Funds Rate wahrscheinlich angebracht sein», sagte sie.

Bereits während ihres letzten öffentlichen Auftritts hatte sich die Fed-Chefin in ähnlicher Weise geäussert. Während eines Podiumsgesprächs an der Universität Harvard sagte sie Ende Mai, dass ein Zinsschritt bereits «in den kommenden Monaten erforderlich sein könnte.» Im Gegensatz dazu liess sie einen Verweis auf das Timing nun aber komplett weg.

Wallstreet reagiert freundlich

Wallstreet hat die Nachrichten aus Philadelphia freundlich aufgenommen. Der US-Leitindex S&P 500 (SP500 2110.75 0.55%) notierte am frühen Nachmittag höher. Der Dollar gab erneut leicht nach. Die Rendite auf zehnjährige US-Staatsanleihen tendierte etwas fester auf 1,73%, nachdem sie in den vergangenen Tagen deutlich gesunken war.

«Yellen hat sich ihre Optionen offen gelassen», meint Jim O’Sullivan, US-Chefökonom beim Researchdienst High Frequency Economics. «Sie hat die Schwächen im letzten Arbeitsmarktbericht zwar hinuntergespielt, aber nicht vollkommen abqualifiziert», fügt er hinzu.

Für die meisten Investoren ist der Fall klar. Gemäss den Terminmärkten beträgt die Wahrscheinlichkeit für eine Zinserhöhung an der kommenden Fed-Sitzung von 14. und 15. Juni lediglich 4%. Auch für das übernächste Treffen von Ende Juli sind die Chancen nach dem schwachen Jobbericht auf nur noch 30% gefallen. Erst für den Zinsentscheid von Mitte Dezember betragen sie derzeit über 50%.

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