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16:18 Uhr - 01.12.2014

Chinas Einlagensicherung macht Banken riskanter

Die neue Einlagensicherung ist ein Schritt zur Liberalisierung des chinesischen Finanzsystems. Es signalisiert, dass der Staat nicht mehr für die Banken haften will.

Wohl ab nächstem Jahr werden in China Bankkonten mit einer Einlagensicherung bis zu einem Kontostand von 500’000 Yuan (81’000 Franken) abgesichert. Das folgt aus einem Entwurf, den die chinesische Zentralbank – die People’s Bank of China – am Freitag veröffentlicht hat. Der Schritt ist in Richtung eines liberalisierten, weniger vom Staat kontrollierten Finanzsystems in der Volksrepublik.

Einlagensicherungen im VergleichzoomQuelle: Internationaler Währungsfonds Die versicherte Summe ist im internationalen Vergleich, besonders im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung pro Kopf, relativ hoch (vgl. Grafik rechts). Festlandchina hätte eine ähnliche versicherte Höchstsumme wie Japan. Es sind höhere Einlagen versichert als in Korea, Hongkong oder Singapur. Die Einlagensicherung der Schweiz beträgt 100’000 Franken, im Euroraum 100’000 €. Nach Zahlen der Grossbank Barclays (BARC 241.05 -1.91%) würden 99,6% aller Kontoinhaber und 46,1% der gesamten Bankeinlagen unter die Einlagensicherung fallen.

Versicherung erhöht Ausfallrisiko

Die Einlagensicherung bietet zwar nun einen expliziten Schutz für die Konten von Privatanlegern. Doch diese Versicherung erhöht das Risiko eines Ausfalls von Banken. Denn bisher hatte der Staat alle regulierten Banken implizit garantiert – im Gegenzug wurden die Geldhäuser eng kontrolliert. So wird den Banken die Höhe der Einlagenzinsen und die Kriterien zur Kreditvergabe diktiert.

In einem liberalisierten Finanzsystem – mit frei festgelegten Zinsen – funktionieren die Garantien nicht. Sonst könnten Banken auf der Suche nach Kunden immer höhere Zinsen bieten und dafür ein immer höheres Anlagerisiko eingehen – im Bewusstsein, dass der Staat sie im Notfall schon retten würde. Auch die Kunden hätten keine Veranlassung, nicht das Angebot mit den höchsten Zinsen zu akzeptieren, wenn der Staat alles garantiert.

IWF forderte Einlagensicherung

Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat die Volksrepublik schon seit längerem aufgefordert, eine Einlagensicherung auf den Weg zu bringen. «Eine Einlagensicherung einzuführen ist wichtig, um die Grenzen von staatlichen Garantien für Anleger zu definieren – und damit klarzustellen, was ausserhalb dieser Grenzen liegt», erklärte der IWF im Juli. Bisher würden die impliziten Garantien die Bewertung von Risiken und damit die Höhe von Fremdkapitalkosten verzerren. Das führe zu einer ineffizienten Allokation von Kapital.

Würden tatsächlich alle impliziten Staatsgarantien wegfallen, folgten laut IWF gravierende – aber erwünschte – Auswirkungen für das Finanzsystem: Nach der Entfernung impliziter Garantien brauche es eine grössere Toleranz gegenüber Unternehmensausfällen und Konkursen – einschliesslich der immer noch gewichtigen staatseigenen Betriebe (State-owned enterprises, SOE). Laut IWF sehen auch die chinesischen Behörden dies als den richtigen Weg. Dass nun die Einlagensicherung kommt, ist ein Zeichen, dass dieser Weg auch konsequent beschritten wird.

Garantien schützten vor Finanzkrise

Die Chinaanalystin Wei Yao von Société Générale zeigt sich kritisch, ob das chinesische Finanzsystem für das Wegfallen der impliziten Garantien bereit ist. «Das ist die kritischste und riskanteste Reform», schreibt Yao in einer Studie. Die Garantien des Staats seien bisher der wichtigste Faktor gewesen, um eine systemische Finanzkrise zu verhindern. Gleichzeitig hätten die Garantien aber die wirtschaftliche Effizienz der Volksrepublik behindert.

Die Reform könne die Wahrscheinlichkeit einer schweren Finanzkrise deutlich erhöhen, erklärt Yao. Das neue Risiko treffe nun «die Hälfte aller Einlagen, wie auch den gesamten Anleihenmarkt und alle Anlagen bei Schattenbanken, die ungeschützt sind». Diese nun explizit nicht mehr geschützten Anlagen würden auf die Einführung der Einlagensicherung reagieren.

Selbst Schattenbanken gelten als garantiert

«Der IWF hat festgestellt, dass die Einführung einer Einlagensicherung der Bankenstabilität mehr schadet als nützt, besonders bei einem schwachen institutionellen Umfeld», meint Yao. In China würden selbst die Schattenbanken – also Finanzierungsformen ausserhalb der regulierten Banken – als vom Staat garantiert betrachtet. In solch einem Umfeld zu expliziten Garantien übergehen zu wollen, sei «zumindest ein riesiger Vertrauensvorschuss».

Yao meint, dass grosse Banken immer noch als «too big to fail» betrachtet würden – also vom Staat trotz Einlagensicherung gerettet würden. Kleinere Banken müssten dagegen durch höhere Zinsen neue Kunden gewinnen. Die Zentralbank könnte nach Abzug von Kundengeldern von den kleinen Banken gezwungen sein, durch Liquiditätsspritzen den kleinen Instituten unter die Arme zu greifen.

Die Ratingagentur Fitch sieht die Möglichkeit, dass die Liquidität auch durch andere Massnahmen ausgeweitet wird. So könnte das geforderte Verhältnis von Krediten zu Einlagen (Loan-Deposit-Ratio) erhöht werden oder die Mindestreserven der Banken bei der Zentralbank gesenkt werden.

Für die Ökonomen von Fitch ist es wichtig, wie genau die Einlagensicherung umgesetzt und kommuniziert wird. Falls die Anleger trotz Versicherung den Eindruck haben, die impliziten Staatsgarantien würden weiter gelten, könnten die Verzerrungen im Finanzsystem bestehen bleiben.

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