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10:46 Uhr - 20.11.2015

Frédéric Mazzella: Mit viel Blabla zum Start-up-Star

Der Gründer und Chef des Mitfahrportals BlaBlaCar nutzt das Angebot seines Unternehmens gerne auch persönlich – am liebsten inkognito. 

Er gehört selbst zu den treuesten Kunden seines Unternehmens. Um grosse Strecken in seiner Heimat Frankreich zurückzulegen und dabei mit den anderen Fahrgästen ins Gespräch zu kommen, nutzt er die Mitfahrgelegenheiten von BlaBlaCar. Allerdings inkognito.

Frédéric MazzellaBild: Christophe Morin/Bloomberg Nur einmal habe er einem Mitfahrer enthüllt, wer er sei, berichtet Frédéric Mazzella. Denn der habe behauptet, BlaBlaCar gehöre der französischen Staatsbahn SNCF. Selbst als er gesagt habe, dass er der Gründer und Chef des Portals für Mitfahrgelegenheiten sei, habe er ihm nicht glauben wollen.

Dabei ist Mazzella einer der grössten Stars der europäischen Start-up-Szene, immerhin ist BlaBlaCar eines der wenigen jungen Unternehmen aus Europa, die mit mehr als 1 Mrd. $ bewertet werden. In einer neuen Finanzierungsrunde hat die Mitfahrplattform gerade weitere 200 Mio. $ von Investoren eingesammelt und ist dabei nach eigenen Angaben mit knapp 1,6 Mrd. $ bewertet worden. Mit dem Geld will Mazzella das Wachstum von BlaBlaCar vorantreiben. Sich diversifizieren und Mitsegel- oder Mitfluggelegenheiten anbieten will er dagegen erst mal nicht. «Wir können Gas geben oder abbiegen, aber beides gleichzeitig zu machen, wäre gefährlich», sagt er.

Dass der 39-jährige Sohn eines Mathematiklehrers und einer Französischlehrerin Unternehmer wurde, ist nicht selbstverständlich. Genauso gut hätte er eine Karriere als Berufsmusiker einschlagen können. Denn bereits als kleines Kind begann er, Geige und Klavier zu spielen, und wurde dafür sogar mit Preisen ausgezeichnet. Mit siebzehn verliess er sein Elternhaus in dem nördlich von La Rochelle in Westfrankreich gelegenen Sérigné, um in Paris ein spezielles Abitur machen und gleichzeitig das Konservatorium besuchen zu können.

Dennoch entschied er, an der renommierten Ecole Normale Supérieure Physik und dann in Stanford Informatik zu studieren. Der Aufenthalt in Kalifornien, den er mit einem Job bei der Nasa finanzierte, sollte sich als entscheidend erweisen. Denn in Stanford sei ihm klar geworden, dass er Unternehmer werden wollte, berichtet Mazzella. «Sein eigenes Unternehmen zu gründen, ist dort nichts Besonderes.»

Die Idee für BlaBlaCar sei ihm dann Weihnachten 2003 gekommen, als er von Paris aus zu seinen Eltern habe fahren wollen, doch alle TGV-Züge ausgebucht gewesen seien. Um das Fest nicht zu verpassen, fuhr Mazzella schliesslich mit dem Intercity zu seiner Schwester nach Rouen in der Normandie, um mit ihr im Auto mitzufahren. «Auf der Strasse habe ich gesehen, dass alle Autos leer waren.» Die Idee für ein Portal für Mitfahrgelegenheiten war geboren. Doch bevor Mazzella es 2006 zunächst unter dem Namen Covoiturage.fr gründete, verging noch etliche Zeit, während er einen MBA an der Business School Insead in Fontainebleau machte.

Man müsse an sein Produkt glauben, es lieben und benutzen, rät er jungen Menschen, die ein eigenes Unternehmen gründen wollen. Der junge Firmenchef weiss, wovon er spricht. Denn er benötigte einen langen Atem, bevor sein Mitfahrportal richtig durchstartete. Drei Jahre lang habe er sich selbst kein Gehalt überwiesen, berichtet er. Offenbar seien auch seine Eltern besorgt gewesen, denn seine Mutter habe ihm damals versichert, sein Kinderzimmer stehe noch immer für ihn bereit.

Doch diese Zeiten sind längst vergessen. Das 2013 in BlaBlaCar umbenannte Portal ist die weltweite Nummer eins für Mitfahrgelegenheiten. Das Unternehmen, das 350 Mitarbeiter hat, ist in neunzehn Ländern vertreten und hat 20 Mio. eingeschriebene Mitglieder. «Mittelfristig wollen wir überall dort vertreten sein, wo es Strassen und Smartphones gibt», sagt Mazzella. Als Nächstes will BlaBlaCar in Südamerika expandieren – zunächst in Brasilien. Dagegen haben die USA für Mazzella keine Priorität. Vergleichbare Mitfahrvermittler hätten sich dort bisher nie richtig durchsetzen können, gibt er zu bedenken.

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